Städtischer Festakt zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Wolfgang Müller
(sb – 27.07.2017) Mit einem Festakt würdigte die Große Kreisstadt Leimen die langjährigen Verdienste des gebürtigen Leimeners Wolfgang Müller. Der Inhaber der Turm-Apotheke engagiert sich seit Anfang der 1980er Jahre ehrenamtlich, von 1989 bis 2001 war er im Gemeinderat tätig, wofür er bereits mit dem Ehrenring der Stadt Leimen ausgezeichnet wurde. Als Gründungsmitglied des Lions Clubs Mannheim-Quadrate ist er auch im sozialen Bereich aktiv.
Wolfgang Müllers Interesse für politische und gesellschaftliche Prozesse wurde schon früh durch seinen Großvater geweckt, wie er in seiner Dankesrede erklärte. Gespräche mit seinem Großvater über die Erlebnisse des Krieges, machten ihm schon früh klar, dass ein geeintes, friedliches Europa nicht selbstverständlich und nur durch das
Engagement des Einzelnen zu bewahren sei. Zur Wahrung des Friedens nutzte Müller als Vorsitzender des Vereins „Hilfe für Weißrussland“ auch seinen beruflichen Hintergrund, um Medikamente bei diversen Pharmazeuten und Lieferanten zu akquirieren. So wurden im Laufe des jahrelangen Einsatzes mehrere Tonnen Hilfsgüter gesammelt, die der Bevölkerung Weißrusslands zugute gekommen sind.
Daneben ist Wolfgang Müller seit 2009 Erster Vorsitzender des Evangelischen Gemeindevereins Leimen e.V., Mitglied des Marketing Vereins Deutscher Apotheken e.V. sowie Mitbegründer der „Linda Apotheken“.
Der Festakt, bei dem Oberbürgermeister Hans D. Reinwald das Grußwort für die Stadt Leimen hielt, wurde durch Schüler der Musikschule Leimen (Katharina Hirsch, Lena Külekci, Marie Rzepka und Farah Trotzier), unter der Leitung von Ute Schleich, mit klassischen Werken musikalisch untermalt. Auf Wunsch des Geehrten wurden auch zwei Stücke aus Mozarts Zauberflöte, mit großem und ausladendem Gestus von Wilfried Staber vorgetragen und durch Eunjung Lee am Flügel begleitet.
Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, hielt die Festansprache und heftete Wolfgang Müller anschließend das Verdienstkreuz an das Revers. Nach Ende des offiziellen Teils der Verleihung stießen die über 200 Gäste bei einem Stehempfang auf den soeben ernannten Träger des Verdienstkreuzes an. Die Stadt Leimen schließt sich den Glückwünschen an und dankt den zahlreichen Helfern für die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung.
Dankesrede von Wolfgang Müller
Sehr geehrter Herr Minister Hauk, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Hans, meine Herren Abgeordnete, und ganz besonders Ihr beide, liebe Claudia und lieber Bruno. Liebe Gäste aus nah und fern, liebe Freunde, meine geliebte, große Familie!
Bevor ich es vergesse, möchte ich an den Anfang meiner Dankesrede den Dank an die richten, die zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben und noch beitragen: Dank an unsere so ausgezeichnete Leimener Musikschule, Dank an Dich lieber Wilfried Staber mit Begleitung, an Dich als österreichischen Bass und Leimener Bürger. Und ich möchte auch jetzt schon sagen, dass ich nach Deinem abschließenden Liedvortrag kein „Defilee“ haben möchte, sondern einen gemütlichen Stehempfang mit Umtrunk und Abtrunk.
„Vom See bis an des Maines Strand eint uns der Töne mächtig Band, hoch deutsches Lied, hoch Badner Land“, so heißt es im badischen Sängerspruch. Herr Minister haben Sie in badischer Verbundenheit herzlichen Dank für Ihre warmen Worte und für die Überreichung meiner Ehrung. Sie kommen nicht ganz vom Mainesstrand, aber aus Walldürn und Adelsheim, und das ist für uns hier mehr rauer Winterhauch, mehr Katzenbuckel und mehr Grünkern. Hier unten bei uns ist Palatina und damit mehr Frankreich, mehr Wein, Weib und Gesang. Dort Panzergrenadiere, hier leichte Kavallerie Patrouille ins nahe Elsass.
Nun nachdem vor einigen Monaten der liebevoll formulierte Brief unseres Landesvaters Winfried Kretschmann über meine Ehrung mich freudig überrascht hatte, fragte mich meine Frau: „wofür bekommst denn Du eigentlich das Bundesverdienstkreuz?“, wobei hier durchaus ein süffisanter Unterton deutlich mitschwang. Schon leicht genervt, besann ich mich dann aber auf mein kurpfälzisches Naturell und dachte, „bevor ich mich jetzt uffraig isch mas liewa egal“. –
Nun aber trotzdem wofür? Sicherlich nicht für stetige häusliche Anwesenheit und aktive tätige Hilfe im Haushalt und in der Kindererziehung. Ich war doch – wie ganz viele hier im Saal – in Sachen Sport, Ehrenamt und besonders in der Kommunalpolitik dauernd unterwegs. Und da ich deshalb schon kein Heiliger, kein super Man bin, sondern ein Mensch mit Licht, aber auch mit Schatten und mit Fehlern behaftet bin, möchte ich meine kleine Dankesrede auf drei Pfeiler meines Ichs stellen, die da sind: meine Wurzeln annehmen, um Verzeihung bitten und unendlich dankbar sein.
In meinem teilweise sehr bewegten Elternhaus mit einer mich bedingungslos liebenden Mutter und einem nicht ganz einfachen Vater hatte ich die Gnade, vier wunderbare Großeltern lange genießen zu dürfen. Ganz besonders prägte mich aber mein Großvater Wilhelm Müller, Schuhmachermeister von Beruf. Und bei den vielen Familien Geburtstagen in den 50er und 60er Jahren wurde immer gesungen, viel vom Krieg erzählt und immer politisiert. Und zwei Ereignisse hatten mir es dabei als noch kleiner Junge besonders angetan: es war die tägliche späte Berichterstattung – und die ich deshalb als damals 12 Jähriger nur am Wochenende schauen konnte – über den Eichmann Prozess und dann die Weihnachtsansprache vom damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard, als er seine Ansprache mit den Worten schloss: „Gott schütze unser geliebtes deutsches Vaterland“.
Von da an wuchs dann schon sehr früh in mir ein Gefühl von Interesse an Politik, am Gemeinwohl, das Gefühl, Teil einer Nation zu sein, Teil einer Geschichte, Teil einer Kultur, aber auch Teil einer Unkultur. Und daraus entstand dann später das Bedürfnis, mich einbringen zu wolle, mitgestalten zu wollen bis dann hin zu meinem Mentor, dem verstorbenen Ehrenbürger und großem FREIEN WÄHLER Erich Dittrich, der immer davon sprach „Heimat zu gestalten“. Ich fragte mich aber auch immer, warum handeln Menschen so,
wie sie handeln, gerade in der Zeit des Nationalsozialismus. Das habe ich meinen Großvater, Opa Wilhelm, den Stahlhelm Führer, den SA Mann und stellvertretenden Ortsgruppenleiter gefragt und auch fragen dürfen. Und ich bin heute noch erleichtert, dass meine Großmutter Christine ihn davon abhielt, am 9. November 1938 in der „Reichsprogromnacht“ bei den Verwüstungen und Schmähungen gegen jüdische Leimener Bürger, insbesondere gegen die Familie Maier mit dabei zu sein. Und ich habe auch meinen Vater gefragt, wie das war als ehemaliger Hitlerjunge Quex und dann später 18 Jähriger auf der Krim Flugplätze zu bauen und dabei auch mit Anstand russische Zwangsarbeiter zu beaufsichtigen. Aus diesen beiden Wurzelstöcken erwächst in mir bis heute Dankbarkeit.
Aber vor dem Dankbarsein steht „Mein um Verzeihung bitten“, wobei mein erstes und schwerstes nicht für den öffentlichen Raum bestimmt ist. Um Verzeihung möchte ich aber zuallererst die bitten, die ich teilweise unbeherrscht im Handball angegangen bin. Aber auch so manchen politischen Kontrahenten, dem ich als Heißsporn so richtig in die Parade gefahren bin. Man kann mit Worten sehr verletzen, das konnte der junge Müller und das muss ich mir als heutige „Graue Eminenz“ schon eingestehen. Was haben wir uns gefetzt, lieber Kollege Frühwirt, lieber Ralf, aber Du hast es einem aber auch nicht leicht gemacht. Also nix für ungut Ralf.
Ja und zum guten Schluss kann ich nur unendlich dankbar sein für alles, was ich zwar mit Fleiß und Leistung geschafft habe, aber auch mit verdammt viel Fortune und Gnade. Danke für die Bildung, die ich vorrangig in meiner Gymnasialzeit am Gymnasium in Wiesloch erfahren habe. Auch wenn ich immer wieder an den Satz meines raubeinigen Vaters denken muss, der da lautet: „Du musst Dich mit den Dummen gut halten, denn es kann sein, dass Du mal bei Ihnen schaffen musst“. Ich möchte mich aber auch nicht dafür entschuldigen müssen dafür, dass ich Abitur gemacht und studiert habe. Und hinzu kommt, meine Generation hat nicht nur Rechnen und Schreiben gelernt, sondern man hat uns die Offenheit des Geistes vermittelt: vom Kreuz von Golgatha bis zur Akropolis, von der Engelsburg in Rom bis hin zur Wartburg und zum Hambacher Schloss und zur Paulskirche. Denn dadurch wurde mein Interesse und die Gaben für´s Reden und für`s Schreiben in mir geweckt, aber auch für die Reden und Bücher von Richard von Weizsäcker, Helmut Schmidt und Peter Scholl Latour, aber auch für Pater Anselm Grün und Erzabt Notker Wolf. Diese Persönlichkeiten haben mir die Welt erklärt und letztere tun es heute noch.
Ich bin dankbar, dass ich mit meinem Freund Frieder als Abiturient auf unserer Konzertreise mit dem Madrigalchor durch Amerika bei geflohenen deutschen, jüdischen Familien sein durfte und die uns so warmherzig aufnahmen. Und ich war zutiefst gerührt bei unseren gewaltigen humanitären Aktionen nach und in Belarus eine so unbeschreibliche Gastfreundschaft zu erfahren. In einem Land, das im 2. Weltkrieg die Hälfte seiner Bevölkerung verlor und das wie kein zweites unter „meinem Deutschland“ zu leiden hatte. Ihr – Armin Nelius, Uwe Sulzer und Du mein Freund Gildard als unser Dolmetscher. Ihr ward dabei, wir waren zutiefst beschämt und saßen mit randvoll gefüllten Wodkagläsern in der Hand am Tisch von Familien, die so viele Familienmitglieder durch ein Deutschland verloren hatten, das nicht nur Goethe und Schiller hervorgebracht hatte.
Ich bin dankbar, dass ich Dich, lieber Hans im letzten Jahr bei Deinem OB Wahlkampf leidenschaftlich und bis heute freundschaftlich unterstützen durfte. Es wurde aber auch Zeit nach zwei vergeblichen Anläufen vor Deiner Zeit. Ich bin aber auch dankbar, in einem Land leben zu dürfen, wo es möglich, dass wir mit dem Verlierer dieser Wahl,
mit Dir lieber Sahin, als gebürtigem Kurden, beim BDS Spargelessen zusammen sitzen konnten und wir drei uns gegenseitig zuprosteten. Ich denke. es gibt nicht viele Länder auf dieser Welt, wo dies so entspannt möglich ist. Ich bin dankbar, dass ich in einer der schönsten Jugendstil Apotheken im Lande dank der großen Hilfe meines verstorbenen Vater und meiner Frau – aber auch dank der Leidensfähigkeit meiner Mitarbeiter – Jugendstil und Hightech miteinander verschmelzen konnte. Wohlwissend aber auch, dass dies DocMorris, Amazon, Google und Microsoft niemals werden leisten können. Und am dankbarsten bin ich, dass mir mit Julia, Sebastian und Hannes drei wunderbare Kinder und mit Alva, Lilja, Lasse, Leve und Finn drei genauso wunderbare Enkelkinder geschenkt wurden.
Auch wenn ich in letzter Zeit Ängste habe, die ich Jahrzehnte nicht kannte und ich mir wünsche, dass meine/unsere Freiheit im Stadion des SV Sandhausen und im Stadtteil Winterhude in Hamburg verteidigt wird und nicht am Hindukusch. Denn im Stadion war ich bei den Krawallen mit meinem Enkel Finn und in Hamburg lebt unser jüngster Sohn Hannes.
Trotz dieser Ängste stehe ich sehr oft ergriffen in den Weinbergen an Eurer Kreuzweg Hütte im Gewann Knolle (Nathalie, Matthias … ) am Leimener Waldrand, wo die alten Leimener seit Jahrhunderten in die Ferne zur Haardt und ganz besonders hinüber zum Kaiser Dom zu Speyer blicken. Und als vor zwei Wochen der Sarg von Helmut Kohl unter dem schweren, dumpfen Geläut der Kaiserglocke aus dem Dom, der Grablege der Salier und der größten romanischen Kirche der Welt, getragen wurde, standen viele meiner Generation dankbar, ergriffen und mit Tränen in den Augen dabei und verbanden diesen Moment mit dem Gefühl, nie Krieg erlebt und nie Hunger gelitten zu haben, aber auch mit dem Gefühl von Weltoffenheit, mit Europa als unserer Heimat, mit erfahrener Demokratie und mit dem Gefühl von Frieden und von Freiheit.
Und über jeden Tag von mir und über mein bisheriges gelebtes Leben möchte ganz zum Schluss dankbar das Tagesgebet des humorvollen, römischen Heiligen Philipp Neri stellen, der abends gebetet hat: „Herr ich danke Dir, dass mein Tag nicht so verlaufen ist, wie ich es wollte, sondern wie Du es wolltest!“.
Und ich danke Ihnen/Euch allen, dass Ihr das seid. DANKE.
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