Leimener Online-Neujahrsempfang mit Ansprache von Bürgermeister Hans Reinwald

Am vergangenen Sonntag fand der jährliche Leimener Neujahrsempfang zwar statt, aber unter den Bedingungen der Corona-Verordnung. Und das bedeutete: Virtuell und online. Um Punkt 11 Uhr begann die Übertragung mit dem einem Flötenduett von Ludwig van Beethoven, gespielt von Rebecca Eberhard und Cathrin Stark aus der Flötenklasse von Regina Kaufmann von der Musikschule Leimen.

Melanie Greiner

Melanie Greiner vom Presseamt der Stadt übernahm sodann die Moderation und führte durch das frisch renovierte Treppenhaus des alten Rathauses, des Palais Seligmann. Es folgte die Neujahrsansprache von Oberbürgermeister Hans Reinwald.

Musikalisch klang der Neujahrsempfang mit der Raphael Plocher am Piano, gefolgt von der Gruppe Folks mit Sängerin Antonia Lechner aus. Auch das traditionelle Badnerlied wurde am Ende noch instrumental zum Abspann der Übertragung abgespielt.


Die Neujahrsansprache von Oberbürgermeister Hans Reinwald im Wortlaut


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

2020 war eigentlich alles anders, als wohl jeder von uns sich das vorgestellt hatte. Ein kleines Virus hat das Leben weltweit auf den Kopf gestellt und nie gekannte Herausforderungen und Belastungen mit sich gebracht.

Hätte mir im Januar 2020 jemand gesagt, dass mich ein Vierteljahr später der Kauf einer Packung Toilettenpapier in fast schon ekstatische Verzückung geraten lässt, hätte ich ihn ausgelacht. Corona ist aber leider nichts zum Lachen, ganz im Gegenteil. Abertausende von Toten und ein wirtschaftlicher Schaden, der derzeit noch gar nicht abgeschätzt werden kann, eine völlige Abkehr vom bisherigen Leben hat nichts Heiteres an sich.

Auch unser Neujahrsempfang in der wunderschönen Festhalle des Zementwerks wurde ein Coronaopfer. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass Sie sich heute dieser Übertragung durch Leimen TV zugeschaltet haben und begrüße Sie ganz herzlich. Im Namen der Stadtverwaltung, des Gemeinderats, aber auch ganz persönlich darf ich Ihnen und Ihren Familien auch im Namen von Bürgermeisterin Claudia Felden ein hoffentlich frohes und gutes neues Jahr 2021 wünschen.

Wie in den Vorjahren gilt aber auch in diesem Jahr ein besonderer Gruß und Dank allen, die im letzten Jahr für gemeinnützige Zwecke gespendet haben. So sind bei unserem letztjährigen Weihnachts- und Sozialfonds in diesem Jahr dank vieler kleiner und großer Spenden von Einzelpersonen, Familien, Unternehmen und Organisationen rund 30.000 € zusammengekommen – erneut ein Betrag, über den nicht nur ich mich sehr gefreut habe. Auf diese nicht alltägliche Hilfsbereitschaft dürfen wir alle besonders stolz sein. Die Spenden werden selbstverständlich ohne jeglichen Abzug bedürftigen Menschen in unserer Stadt zugutekommen.

Allen Spendern, egal welchen Betrag sie gestiftet haben, sei an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön gewidmet. Ich danke unserer Musikschule und der Band „Folks“, die in diesem Jahr die musikalische Begleitung übernommen hat und Leimen TV für die Übertragung.

Meine Damen und Herren, der Rückblick auf das vergangene Jahr 20202 fällt schwer. Lock- und Shut-Down, Ausgangsbeschränkungen, Maskenpflicht und Abstandsregeln – neue Worte und Umstände, die man in unserem Land nie zuvor gehört hatte und die man auch nie wieder hören will. Trauer und Mitgefühl um die Abertausenden von Toten und Erkrankten – wer immer noch glaubt, das sei alles nicht wahr, dem ist nicht mehr zu helfen.

Erinnern möchte ich stellvertretend für die, die uns verlassen haben, an ein paar bekannte Namen wie die Politiker Norbert Blüm, Hans-Jochen-Vogel, Valery Giscard d‘ Estaing, Wolfgang Clement und Wolfgang Oppermann, aber auch an weltberühmte Schauspieler wie Kirk Douglas, Olivia de Havilland oder Sean Connery. An Künstler wie Christo, Albert Uderzo, Juliette Greco oder Gotthilf Fischer. In Leimen mussten wir uns von Ulrike Eckl, unserer früherer Kollegin aus dem Gemeinderat, verabschieden.

Bereits im Januar hatte die Weltgesundheitsorganisation aufgrund des Ausbruchs im chinesischen Wuhan eine internationale Notlage ausgerufen. Zu diesem Zeitpunkt wusste mit dem Wort „Corona“ in Europa wohl kaum jemand etwas anzufangen. Erst als dann die verstörenden Bilder aus italienischen Kliniken immer stärker in unseren Medien präsent wurden, mag es den ersten gedämmert haben, was da auf uns zukommen könnte…

Raphael Plocher am Piano

Überlagert wurde das alles aber zunächst von anderen Ereignissen. Im Februar erklärte Großbritannien nach 47 Jahren seinen Austritt aus der Europäischen Union und in den USA wurde ein Amtsenthebungsverfahren gegen den inzwischen abgewählten Präsidenten Donald Trump eingeleitet. Aus Australien erreichten uns Bilder von verheerenden Buschbränden, später auch aus Kalifornien. In den USA kam es im Frühjahr zu großen Demonstrationen aufgrund des gewaltsamen Todes von Floyd George. In Deutschland kam es im Februar zum schrecklichen Anschlag von Hanau mit 11 Toten. Im Sommer sahen wir die Wirecard-Blase platzen und sahen die erschütternden Bilder vom Brand in Moria.

Überlagert wurde aber alles von Corona. Ich habe mich an manchen Tagen nicht mehr getraut, die Zeitung aufzuschlagen, Radio zu hören oder die Nachrichten im Fernsehen zu verfolgen. Wie wohl die meisten von Ihnen habe auch ich miterleben müssen, wie sich unser Leben immer mehr veränderte – Geschäfte und Restaurants schlossen, es gab und gibt Kontakt- und Ausgangsbeschränkung, der Urlaub fiel aus. Für viele Selbständige wurde die Situation durchaus auch existenzbedrohend.

Vieles lief nicht so, wie es hätte laufen sollen. In den Kommunen und Kreisen fühlten wir uns allein gelassen, wenn Erlasse oder Verordnungen von Bund und Land spät und unvollständig bei uns eintrafen. Oft mussten wir daher vor Ort improvisieren. Wir haben von Seiten der Stadtverwaltung viele Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem BdS ergriffen, um die Situation für unsere Bürgerinnen und Bürger zumindest zu erleichtern.

Gruppe Folks mit Sängerin Antonia Lechner (Mitte) – Johannes Kral und Martin Müller

Nachdem das öffentliche Leben Mitte März nach und nach fast zum Stillstand kam, haben wir Plakate gedruckt, auf denen die bis dahin oft noch unbekannten Corona-Regeln einfach und klar erklärt wurden. Eine offensichtlich gute Idee, die zahlreiche Nachahmer in der Region fand. Wir haben einen Einkaufsservice für diejenigen eingerichtet, die nicht mehr aus dem Haus konnten, ebenso einen Fahrdienst für evtl. Arztbesuche. Die Verwaltung stellte auf Terminvergabe um, um die Anwesenheit von Besuchern zu kanalisieren und vieles mehr.

Vieles funktionierte, manches klappte nicht und wurde bemängelt. Bei aller berechtigten Kritik an vielen Maßnahmen darf man aber nicht vergessen, dass wir es hier mit einen Phänomen zu tun haben, auf das niemand vorbereitet war und dessen Ausmaß sich offen gestanden auch kaum jemand vorstellen konnte. Gerade in den sog. sozialen Medien finden sich viele anonyme Experten, die hinterher natürlich alles besser wussten und Kritik oft nur der Kritik wegen üben. Hier zeigt sich leider einer der gravierenden Nachteile des Internetzeitalters.

Gerade das Internet bietet wie nie zuvor die Möglichkeit, sich aus den unterschiedlichsten Kanälen zu informieren. Trotzdem habe sicher nicht nur ich den Eindruck, dass das „Nichtwissen“ immer mehr zunimmt. Hier setzt daher auch meine Bitte an alle an:

  • informieren Sie sich, bevor Sie etwas kommentieren

  • leiten Sie nicht einfach jede Nachricht – auch von guten Freunden – weiter, sondern überlegen zunächst, ob das überhaupt stimmen kann

  • fragen Sie nach, wenn Ihnen etwas komisch vorkommt und erkundigen Sie sich nach der Quelle

Die wohl meisten der „alternativen Fakten“ können mit diesen einfachen Maßnahmen ausgeschaltet werden. Sie machen damit nicht nur sich selbst, sondern vielen anderen Menschen, die Verantwortung tragen, das Leben leichter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

nach diesem weltpolitischen Ausflug zurück zu uns nach Leimen, denn auch hier hat sich im vergangenen Jahr wieder viel getan.

Auch wenn er von Corona überlagert wurde – der Klimaschutz bleibt ein wichtiges Thema. Auch 2020 war wieder ein zu warmes Jahr, das weiterhin seine negativen Auswirkungen auf uns alle hat. Die Trockenheit macht vor allem unseren Wäldern zu schaffen. Viele Bäume vertragen sie nur schwer oder gar nicht, vor allem Kiefern und Buchen. In St. Ilgen wurden Anfang des Jahres 2.000 neue Bäume gepflanzt, von denen wir hoffen, dass sie besser mit den veränderten Bedingungen fertig werden. Ob wir richtig liegen, werden wir in ein paar Jahren sehen.

Ende Februar begann der lange geplante Ausbau der Römerstraße, der uns noch bis in das nächste Jahr begleiten wird. Zusammen mit den Gleisarbeiten und den neuen Haltestellen wurde auch der Untergrund mit den vorhandenen Kanälen saniert und Leerrohre für einen weiteren Ausbau der Infrastruktur verlegt.

Mitte Juli kehrte die Hauptverwaltung von St. Ilgen wieder nach Leimen-Mitte ins sanierte historische Rathaus zurück. Gerne hätten wir ihnen dabei den frisch renovierten Spiegelsaal mit einem kleinen Fest vorgestellt. Leider hat uns auch hier Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir werden dies aber nachholen, sobald es möglich ist.

Im Sommer hat sich der Gemeinderat auf einen Entwurf für ein mögliches Stadthaus am Rathausplatz geeinigt. Unstrittig ist sicher, dass der Platz seit dem vor Jahrzehnten erfolgten Abbruch der dort befindlichen Häuser keinerlei städtebaulichen Reiz bietet. Die große Mehrheit des Gemeinderats hat sich daher in enger Zusammenarbeit mit Vertretern des Runden Tischs und der Kommunalentwicklung Baden-Württemberg auf ein Konzept geeinigt, dass eine Bebauung des Platzes und eine Tiefgarage vorsieht. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt, an dieser prägnanten Stelle im Herzen der Stadt einen Platz zu schaffen, der zusammen mit dem Palais Seligmann ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt wird.

Ein gutes Zeichen der interkommunalen Zusammenarbeit konnten wir im Sommer setzen. Leimen und Heidelberg haben im August ein gemeinsames Gewerbegebiet beschlossen. Der eigens hierfür gegründete Zweckverband sieht beide Städte als gleichberechtigte Partner vor und hat seinen Sitz in Leimen. Seine zentrale Aufgabe ist die Entwicklung und Vermarktung einer rund 99 Hektar großen Fläche. Die Ansiedlung zukunftsfähiger und –trächtiger Unternehmen mit neuen Arbeitsplätzen wird dabei im Mittelpunkt stehen, so daß beide Städte davon profitieren.

Im September fiel unsere Weinkerwe erstmals seit Jahrzehnten aus, sie fand aber zumindest „virtuell“ statt. Zu unserem Leidwesen konnten wir unsere Freunde aus unseren Partnerstädten daher nicht persönlich bei uns begrüßen. Ein ganz besonderer Gruß geht daher heute von hier aus nach Frankreich, nach Portugal und nach Tschechien – bleibt gesund, wir freuen uns auf ein Wiedersehen hoffentlich in diesem Jahr!

Gefreut hat es mich, dass wir trotz der Pandemie wieder am „Stadtradeln“ teilnehmen konnten und wir sogar die Auszeichnung „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ erhielten. Ein weiterer Punkt, der unsere attraktiven Arbeitsplätze bereichert.

Neben der Römerstraße gab es weitere Bauprojekte, die für unsere Kommune von großer Bedeutung waren und die im abgelaufenen Jahr fertiggestellt wurden:

  • die sanierte Otto-Graf-Realschule wurde eingeweiht

  • das Gewerbegebiet St. Ilgen Süd (Mühlweg) wurde an das gigabitfähige Glasfasernetz angeschlossen

  • der Platz vor der Aegidius-Kirche in St. Ilgen wurde neu gestaltet

  • der gemeinsame Gutachterausschuss konstituierte sich in Leimen

Eine ausführliche Darstellung der Ereignisse finden Sie im Jahresrückblick, der dieses Jahr zum fünften Mal aufgelegt wird und der eine Fülle von weiteren Informationen enthält.

Wie üblich, gehört ein Ausblick auf das vor uns liegende Jahr zu einer solchen Rede, der berühmte Blick in die Zukunft also. Wir alle hoffen, dass in diesem Jahr unser altes Leben zumindest ansatzweise zurückkehren kann. Die Impfungen laufen an und sie werden mit zunehmender Verfügbarkeit von Impfstoffen auch immer stärker zunehmen. Hier geht mein Appell an Sie: haben Sie noch etwas Geduld und lassen Sie sich, sobald Sie an der Reihe sind, bitte impfen.

In meiner Haushaltsrede vom Dezember habe ich betont, dass wir aufgrund unserer leider nur begrenzten Mittel sparen müssen. Allerdings hat verständlicherweise jede Fraktion ihre Prioritäten und setzt andere Schwerpunkte. Dies führt im Gremium auch zu durchaus hitzigen Debatten und zuletzt in aller Regel zu einem Kompromiss, mit dem alle leben können. Der Kompromiss ist das Kennzeichen der Demokratie, nur Diktaturen brauchen ihn nicht.

Sparen ist wichtig und richtig, aber es muss mit Augenmaß und kühlem Verstand erfolgen. Sparen ist in einer Kommune anders als in einem Privathaushalt kein Selbstzweck, sondern dient dazu, begrenzte Mittel dann sinnvoll und zielgerichtet einsetzen zu können, wenn es erforderlich ist. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir investieren, um zukunftsfähig zu bleiben und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Wenn Betriebe schließen müssen, Arbeitsplätze verloren gehen, weil nichts mehr investiert wird, ist das für unsere Gesellschaft letzten Endes viel teurer als jede Zinslast oder Schuldentilgung.

Hinter uns liegt ein hartes Jahr, dass starke Herausforderungen und viel Arbeit für uns alle gebracht hat. Dies wird sich sicher auch noch weit in das kommende Jahr hinein fortsetzen. Auch 2021 werden wir – Corona hin, Corona her – daher investieren. Allein für Baumaßnahem haben wir knapp 13 Mio. € vorgesehen, davon entfallen alleine acht Mio. auf die Geschwister-Scholl-Schule in St. Ilgen. Zweiter großer Posten ist mit einer Mio. € die Römerstraße, gefolgt von der weiteren Erschließung des Gewerbegebietes Süd II. Hierfür stehen 700.000 € zur Verfügung. Knapp eine halbe Mio. wird die Erweiterung der Retensionsbecken in den Weidhöfen kosten. Jeweils 400.000 € haben wir für die Tiefgarage am Rathausplatz, die Sanierung des Jägerpfads und die Stadtkernsanierung eingeplant. Für die Maßnahme Bubenwingert sind 360.000 € vorgesehen, für den Jugendtreff Basket 200.000 €. Eine weitere halbe Million fließen in die St.-Ilgener-Straße einschließlich eines Radwegs, in die Abbiegespur der Rohrbacher Straße und in das Gewerbegebiet Nord III.

Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen“, sagte Max Frisch einmal so treffend. Lassen Sie uns zusammen daran arbeiten, dass der Beigeschmack vorübergeht und wir produktiv bleiben!

Meine abschließende Bitte an Sie alle lautet daher: bringen Sie sich ein, arbeiten Sie mit. Wenn Sie Verbesserungsvorschläge haben, sprechen Sie mich, die Stadtverwaltung als solches und natürlich die von Ihnen gewählten Gemeinderäte darauf an. Still daheim, laut am Stammtisch oder anonym im Internet zu schimpfen, bringt niemanden weiter. Wenn Sie Kritik vorzubringen haben, tun Sie das. Keiner von uns ist unfehlbar. Aber tun Sie es bitte sachlich mit Respekt und Anstand.

Ich wünsche uns allen ein glückliches, erfolgreiches Jahr 2021 und vor allem Gesundheit, Zusammenhalt und gute Freundschaften. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und bleiben Sie bitte gesund!


Der Neujahrsempfang ist auch als Video über die Homepage der Stadt Leimen verfügbar.

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