Interview 100-Tage-Bilanz: Stefanie Heck – Leiterin der Integrierten Leitstelle
Die zum 1. Januar 2020 gegründete Integrierte Leitstelle Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis gGmbH (ILS) hat am 1. Oktober 2020 ihren Betrieb aufgenommen. Seit 1. Mai 2021 ist Stefanie Heck neue Geschäftsführerin der ILS. Die gebürtige Heidelbergerin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Schönbrunn, wo sie seit 2007 Mitglied der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr ist. Nach 100 Tagen (exakt am 9. August) in der neuen Position stand sie für ein kurzes Interview zur Verfügung.
Frau Heck – Sie sind seit 100 Tagen neue Geschäftsführerin der Integrierten Leitstelle Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis, die in der neuen Organisationsform erst seit 10 Monaten in Betrieb ist. Wie lautet Ihr bisheriges Fazit?
Stefanie Heck: Das größte und wichtigste Potential der Leitstelle ist das Personal, wenn es darum geht, den Tagesbetrieb aber auch Ausnahmesituationen wie die aktuelle Pandemie oder Großschadenlagen erfolgreich zu bewältigen. Die aktuell 57 Kolleginnen und Kollegen arbeiten rund um die Uhr für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Heidelberg und des Rhein-Neckar-Kreises.
Was heißt das in Zahlen?
Im Juni wurden beispielsweise 34.844 Telefonate entgegengenommen, 5973 Rettungsdienst- und 449 Feuerwehreinsätze disponiert und in der Abwicklung unterstützt sowie 6035 Krankentransportfahrten koordiniert. Hier gilt es, langfristig attraktive Arbeitsplätze zu erhalten und weiterzuentwickeln. Im direkten Umfeld der Metropolregion Rhein-Neckar konkurrieren sechs Integrierte Leitstellen um entsprechend qualifiziertes Personal. Ein motiviertes Projektteam schafft aktuell die organisatorisch und technisch notwendigen Voraussetzungen und Erneuerungen, um künftig an beiden Betriebsstandorten in Ladenburg und Heidelberg gleichzeitig hochredundant erreichbar zu sein und auch bei Ausfall eines der beiden Standorte vollumfänglich ohne Datenverlust arbeiten zu können. Zusammenfassend haben wir neben dem „Tagesgeschäft“ des Leitstellenbetriebs noch einige Aufgaben vor der Brust, die uns alle fordern werden – ich wollte aber derzeit nirgendwo anders arbeiten und bin in der Leitstelle mit Herzblut angekommen.
Welche Herausforderungen gab es für die ILS durch die Corona-Pandemie?
Zunächst einmal galt es, durch geeignete Maßnahmen auch bei Infektionen in der Belegschaft den Dienstbetrieb aufrecht erhalten zu können. In einem gemeinsamen Kraftakt und mit viel Flexibilität und Entgegenkommen der Kolleginnen und Kollegen haben wir dafür unter anderem kurzfristig den Dienstplan umgestellt und personelle Reserven geschaffen. Mit Aufwachsen der Pandemie haben wir im engen Schulterschluss mit den Krankenhäusern, den zuständigen Behörden wie zum Beispiel dem Gesundheitsamt und den Organisationen im Rettungsdienst und Krankentransport daran gearbeitet, entstehende Mangelressourcen (z.B. Krankenhausbetten, Fahrzeuge für den Krankentransport durch Desinfektionszeiten) frühzeitig zu identifizieren und mit allen Partnern vertrauensvoll an Lösungsstrategien zu arbeiten. Auch unsere Abfragestrategie bei den Notrufen hatte sich dahingehend verändert, dass eine mögliche Covid19-Infektion möglichst frühzeitig erkannt und den alarmierten Einsatzkräften mitgeteilt werden kann.
Aktuell erleben wir den Übergang aus dem Pandemie-Modus der Bevölkerung in eine „neue“ Normalität – die Einsätze durch Freizeit- und Konsumverhalten sind wieder nahezu auf dem Level vor Corona. Viele möchten Verpasstes nachholen, einige übertreiben dabei etwas…
Gleichzeitig gibt es nach wie vor die Pandemie mit entsprechenden Einsätzen und den damit verbundenen Herausforderungen in etwas abgeschwächter Form.
Was zeichnet eine gute Disponentin bzw. einen guten Disponenten aus?
Die Bandbreite an notwendigem Wissen, das sowohl im rettungsdienstlichen als auch im feuerwehrtechnischen Bereich gefordert ist, umfasst nicht nur Angelesenes aus Lehrbüchern, sondern vor allem auch praktisch Erlebtes im Einsatzdienst, um am Telefon geschilderte Situationen richtig einschätzen und die geeigneten Maßnahmen ergreifen zu können. Darüber hinaus geht es ohne Empathiefähigkeit und Stressresistenz nicht – im Regelfall rufen uns Menschen an, die sich in emotionalen Ausnahmesituationen befinden, starke Schmerzen oder große Angst haben.
Es gilt, bei vielen gleichzeitig geführten Notrufen und Telefonaten sowie laufenden Einsätzen stets den Überblick über die eingesetzten und freien Ressourcen zu haben und insbesondere bei größeren Lagen vorausschauend zu planen. Die Konfrontation mit zum Teil sehr traurigen, dramatischen Schicksalen am Telefon ist für die Kolleginnen und Kollegen ebenso belastend wie die zunehmenden Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen, die unser Personal ähnlich wie die Einsatzkräfte „auf der Straße“ über sich ergehen lassen müssen – trotz einer gewissen Frustrationstoleranz bleibt einiges davon manchmal auch einfach in den Klamotten hängen.
Hintergrund:
Die Integrierte Leitstelle Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis gGmbH ist die Einsatzzentrale der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr für die Stadt Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis. Wer hier also bei einem Notfall die Notrufnummer 112 wählt, wird mit einem der beiden Betriebsstandorte der ILS verbunden. Die ILS hat ihren Sitz in Ladenburg und wird an zwei Standorten (Trajanstraße in Ladenburg und Baumschulenweg in Heidelberg) betrieben. Die dortigen Disponentinnen und Disponenten sind zuständig für über 700.000 Bürgerinnen und Bürger – die ILS zählt somit zu den größten Leitstellen in Baden-Württemberg.
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