Wieso Estland ein Vorbild für Deutschland sein kann

(fu – 14.8.25) Jahr für Jahr will Deutschland im Bereich der Digitalisierung aufholen, doch es gelingt einfach nicht. Vielleicht auch deshalb, weil man kein Vorbild hat? Würde man sich auf Estland konzentrieren, wäre man wohl im Bereich der Digitalisierung weiter. Denn während in Estland selbst die Ehescheidung online beantragt werden kann, muss man in Deutschland noch Online Formulare ausdrucken, unterschreiben und am Postweg übermitteln.

Ist am Ende die benutzerfreundliche Software der Schlüssel zum Erfolg?

Luukas Ilves, der ehemalige Chief Information Officer der estnischen Regierung, hat gemeinsam mit der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung die Studie „Das Ende der Bürokratie“ erstellt. Nach wenigen Minuten ist klar: Deutschland sollte sich Estland zum Vorbild nehmen, wenn es um die Digitalisierung geht. Denn der baltische Staat ist im Bereich der Digitalisierung die klare Nummer 1 – nicht in Europa, sondern auf der Welt.

90 Prozent der Esten nutzen etwa E-IDs, um einen Zugriff auf staatliche Dienste zu bekommen. In Deutschland liegt der Anteil bei unter 10 Prozent. Wie kann das sein? In der Studie wird auf die Benutzerfreundlichkeit verwiesen: Ein ähnliches Bild hat sich nämlich in Belgien gezeigt – hier hat man jahrelang mit derselben Technologie wie in Deutschland gearbeitet und auch keine 10 Prozent der Belgier damit ansprechen können. Nachdem man sich dann entschieden hat, eine benutzerfreundliche Version zu schaffen, haben auf einmal 80 Prozent der Belgier mit E-IDs gearbeitet.

Das spart auch Geld: Denn steigt die Akzeptanz gegenüber den digitalen Verwaltungsdiensten, dann gehen die Verwaltungskosten für die Steuererhebung zurück – in Estland liegt sie gerade einmal bei einem Sechstel gegenüber den Kosten in Deutschland.

Scheidung einreichen: In Estland dauert der Antrag gerade einmal 45 Sekunden

Während in Estland die Ehescheidung online eingereicht werden kann, muss in Deutschland ein Online Formular noch ausgedruckt werden. „Es dauert nur 45 Sekunden, bis man im Online Antrag an den Punkt kommt, an dem man den Scheidungsantrag absenden kann“, so Ilves. Natürlich müssen die Partner dann vor Ort beim Standesbeamten erscheinen, dennoch zeigt schon der Prozess der Verfahrenseinleitung, wie fortschrittlich man hier ist. Die Esten nehmen zudem die Digitalisierung an. Seit es die E-Scheidungsplattform gibt, sind 60 Prozent aller Scheidungen online beantragt worden. „Wir erwarten von digitalen Diensten im privaten Sektor Bequemlichkeit, Einfachheit und Sicherheit. Warum sollten staatliche Dienste da anders sein“, so Ilves.

Deutschland hat sich auch immer wieder für Wege entschieden, die rückblickend kaum oder gar nicht nachvollziehbar erscheinen. Ein gutes Beispiel mag hier unter anderem auch der Glücksspielstaatsvertrag sein. Natürlich geht es um den Spielerschutz – aber dafür muss man das Live Casino verbieten? Auch ist OASIS – Online Abfrage Spielerstatus – immer wieder in der Kritik. Deshalb suchen immer mehr Spieler nach einer Anleitung zur OASIS Sperre Aufhebung. Viele entscheiden sich auch gleich für einen Anbieter ohne deutsche Lizenz. Hier gibt es kein OASIS, sondern das Live Casino.

Once Only-Prinzip und digitale Signatur

Mit dem unter Bundeskanzler Friedrich Merz geschaffenen Digitalministerium geht Deutschland zumindest einen neuen Weg. Das wird auch von der Vertreterin der Digitalwirtschaft, Magdalena Zadara, für gut befunden. „Wenn ich aus einem Nicht-EU-Land nach Deutschland komme und arbeiten will, habe ich mit fünf bis sieben verschiedenen Behörden zu tun, um mein Diplom anerkennen zu lassen – und sie würden vielleicht sogar dieselben Daten mehrfach abfragen“, so Zadara, die optimistisch ist, dass sich durch das Digitalministerium jetzt endlich etwas ändern wird. Ihr Wunsch: Das Once Only-Prinzip – OOP -, das bereits in Estland zum Einsatz kommt. In diesem Fall müssen die Bürger sowie Unternehmen nur ein einziges Mal die Information preisgeben, schon können die Behörden intern damit arbeiten bzw. die Daten weiterverwenden.

Tatsächlich ist OOP der Grundpfeiler schlechthin, wenn es um die digitale Verwaltung geht. In Estland wurde das Prinzip gesetzlich verankert. Ein weiteres Merkmal der Digitalisierung in Estland: die digitale Signatur. Damit kann man einerseits den Arbeitsvertrag unterzeichnen, andererseits aber auch an nationalen Wahlen teilnehmen. In Deutschland ist das alles noch undenkbar.