Was bleibt im Netz? Über einen verantwortungsvollen Umgang mit dem digitalen Erbe

Menschen hinterlassen seit jeher Spuren, die ihren Tod überdauern. Dazu gehören Gedanken, die ihren Tod überdauert haben, oder auch einfach die Erinnerungen der Hinterbliebenen. In der heutigen Zeit kommt eine neue Form hinzu: die digitale Hinterlassenschaft. Dieser digitale Nachlass umfasst alle Daten, Accounts und Online-Aktivitäten, die nach dem Tod zurückbleiben – von E-Mail-Konten und Social-Media-Profilen über Zugangsdaten zum Online-Banking bis hin zu digitalen Fotos und allem, was im World Wide Web mit einer Person verknüpft ist.

Finanzielle Transaktionen, persönliche Erinnerungen und sogar ganze Identitäten existieren oft nur noch virtuell. Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Was passiert mit diesen Daten, wenn jemand stirbt? Wer hat Zugriff darauf? Und wie können wichtige Informationen bewahrt und gleichzeitig die Privatsphäre geschützt werden?

1. Bestandteile des digitalen Nachlasses

  • Der digitale Nachlass ist so vielfältig wie das Online-Leben selbst. Er umfasst zu großen Teilen immaterielle Güter wie persönliche Erinnerungen und digitale Identitäten.
  • Online-Konten und Profile: Von sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram bis hin zu Foren und Gaming-Plattformen – diese Profile spiegeln Persönlichkeit, Interessen und soziale Verbindungen wider.
  • E-Mail-Accounts: Digitale Schatztruhen voller persönlicher und geschäftlicher Korrespondenz, in denen neben wichtigen Dokumenten wie Vertragsabschlüssen auch ganz persönliche Nachrichten stecken.
  • Cloud-Speicher und digitale Dokumente: Steuerunterlagen, Verträge oder persönliche Schriften, die häufig nur noch digital in Diensten wie Dropbox oder Google Drive existieren.
  • Digitale Vermögenswerte: Kryptowährungen wie Bitcoin, die anders als bei Bankkonten ausschließlich durch private Schlüssel zugänglich sind, sowie digitale Sammlerstücke wie NFTs, die erheblichen Wert besitzen können.
  • Digitale Medien: Fotos, Videos und Musik, die auf Geräten oder in der Cloud gespeichert sind und oft einen hohen emotionalen Wert für Hinterbliebene haben.

2. Rechtliche Aspekte

Die rechtlichen Aspekte des digitalen Nachlasses sind komplex und berühren Fragen des Erb-, Persönlichkeits- und Datenschutzrechts. Ratgeber online und offline können ein grundsätzliches Verständnis der Materie vermitteln. Für spezifische Fragen ist eine professionelle Rechtsberatung aber oft die beste Alternative.

Vererbbarkeit digitaler Güter

Anders als bei physischen Gegenständen gibt es bei digitalen Inhalten häufig nur Nutzungsrechte statt Eigentum. Streaming-Dienste, digitale Musikbibliotheken oder E-Book-Sammlungen sind in der Regel an persönliche Accounts gebunden und nicht ohne Weiteres übertragbar.

Viele Plattformen haben inzwischen Regelungen für den digitalen Nachlass eingeführt. Gerichte haben in einigen Ländern bereits entschieden, dass digitale Inhalte wie E-Mails oder Social-Media-Profile durchaus vererbbar sind. In Deutschland stehen endgültige Entscheidungen zu vielen dieser Fragen noch aus.

Datenschutzbestimmungen nach dem Tod

Der Datenschutz endet nicht mit dem Tod. In vielen Ländern gelten Datenschutzbestimmungen auch über den Tod hinaus, was den Zugriff auf persönliche Daten des Verstorbenen erschweren kann. Plattformen wie Facebook bieten mittlerweile Optionen wie “Nachlasskontakte” an, die den Zugriff auf Teile des Accounts nach dem Tod regeln.

Länderübergreifende rechtliche Herausforderungen

Das Internet kennt keine Grenzen, Gesetze aber schon. Diese Ausgangslage führt zu komplexen Situationen, wenn es um den digitalen Nachlass geht. Viele Online-Dienste haben ihren Sitz im Ausland und unterliegen anderen Rechtsordnungen. Was in einem Land als legal gilt, kann in einem anderen verboten sein. Diese Unterschiede können zu Konflikten führen, etwa ein deutscher Erbe auf das Facebook-Konto eines Verstorbenen zugreifen möchte, das den US-amerikanischen Gesetzen unterliegt.

3. Vorsorge für den digitalen Nachlass

Bei der Vorsorge für den digitalen Nachlass geht es nicht nur um praktische Aspekte wie den Zugang zu wichtigen Daten, sondern auch um die Wahrung der eigenen digitalen Identität über den Tod hinaus. Eine vorausschauende Planung erspart den Hinterbliebenen unnötigen Stress und verhindert Konflikte. Gleichzeitig lässt sich so sicherstellen, dass das digitale Vermächtnis im Sinne des Verstorbenen gehandhabt wird.

Erstellung eines digitalen Testaments

Ein “digitales Testament” ist derzeit noch kein rechtlich bindendes Konzept, sondern meint eine Sammlung von Anweisungen zum Umgang mit der digitalen Hinterlassenschaft. Es ergänzt das klassische Testament und hilft Angehörigen, den digitalen Nachlass zu regeln. Wichtig ist, dieses Dokument regelmäßig zu aktualisieren und an einem sicheren, aber für Vertrauenspersonen zugänglichen Ort aufzubewahren.

Passwort-Management und Zugangsdaten

Passwort-Manager-Tools ermöglichen es, alle Zugangsdaten an einem sicheren Ort zu speichern und mit einem einzigen Master-Passwort zu schützen. Einige bieten spezielle Funktionen für den Todesfall. Alternativ können Zugangsdaten auch offline, etwa in einem versiegelten Umschlag, hinterlegt werden. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, um auszuschließen, dass Unbefugte, z.B. im Rahmen eines Einbruchs, damit eine Komplettübersicht über alle Zugänge in den Händen halten.

Vollmachten für digitale Konten

Immer mehr Online-Dienste bieten die Möglichkeit, Vollmachten für den Todesfall einzurichten. Facebook erlaubt einen “Nachlasskontakt”, Google bietet einen “Kontoinaktivität-Manager”. Es ist ratsam, diese Optionen zu nutzen und sorgfältig abzuwägen, welche Rechte man den Bevollmächtigten einräumt.

4. Umgang mit dem digitalen Nachlass für Hinterbliebene

Der Umgang mit dem digitalen Nachlass ist für Hinterbliebene oft eine emotionale Herausforderung, die tiefe Einblicke in das Leben des Verstorbenen bieten und auch grundsätzliche ethische Fragen aufwerfen kann.

Identifizieren der Online-Konten und Kontaktaufnahme

Für Hinterbliebene beginnt die Verwaltung mit der Identifizierung aller Online-Präsenzen des Verstorbenen. E-Mail-Konten sind dabei oft ein wichtiger Schlüssel, weil sie Hinweise auf weitere Online-Präsenzen enthalten. Ebenso können Browserverlauf oder Passwort-Manager wertvolle Hinweise geben. In manchen Fällen kann es hilfreich sein, spezialisierte Dienstleister zu beauftragen, die bei der Identifikation und Zugänglichmachung digitaler Spuren unterstützen. So sind seriöse Datenretter beispielsweise mit den rechtlichen und ethischen Fragen rund um digitale Hinterlassenschaften gut vertraut und können vermeintlich für immer verlorene Erinnerungen wiederherstellen.

Nach der Identifizierung folgt die Kontaktaufnahme mit den Plattformbetreibern. Viele große Unternehmen haben mittlerweile feste Prozesse für Todesfälle etabliert. Meist werden eine Sterbeurkunde und ein Nachweis der Verwandtschaft oder Bevollmächtigung verlangt.

Löschen, Archivieren oder Weiterführen von Accounts

Für jeden Account müssen Entscheidungen getroffen werden: Soll er gelöscht, in einen Gedenkzustand versetzt oder weitergeführt werden? Profile in sozialen Medien können in Gedenkseiten umgewandelt werden. Geschäftliche Accounts müssen möglicherweise eine Zeit lang weitergeführt werden. Bei anderen Diensten wie Streaming-Plattformen ist eine einfache Kündigung in der Regel die beste Option.

5. Technische Lösungen und Dienste

Technische Lösungen, um bei den Herausforderungen der digitalen Hinterlassenschaften zu unterstützen, haben sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Sie können immer nur eine Ergänzung für eine durchdachte persönliche Nachlassplanung sein, nicht sie ersetzen. Vernachlässigt werden sollte die technische Seite aber auf keinen Fall. Sonst heißt es für die Erben möglicherweise „der USB-Stick wird nicht erkannt“, wenn sie den Datenspeicher mit den Nachlassdokumenten am PC anschließen wollen.

Digitale Nachlassdienste

Auf digitale Nachlässe spezialisierte Anbieter bieten verschiedene Dienstleistungen von der sicheren Speicherung von Zugangsdaten bis hin zu automatisierten Benachrichtigungen von hinterlegten Vertrauenspersonen im Todesfall. Einige Dienste ermöglichen es Nutzern, digitale Zeitkapseln zu erstellen, in denen Nachrichten oder Dateien hinterlegt werden können, die erst nach dem Tod freigegeben werden. Es versteht sich von selbst, dass der entscheidende Faktor bei der Wahl eines Dienstleisters in diesem sensiblen Bereich Seriosität sein sollte.

Passwortmanager mit Vererbungsfunktion

So sinnvoll das Nutzen von sicheren Verschlüsselungstechnologien und starken Passwörtern zu Lebzeiten auch ist, um sensible Daten zu schützen – wenn es um den Nachlass geht, können diese Sicherheitsmaßnahmen zu nahezu unüberwindlichen Hürden werden.

Viele moderne Passwort-Manager gehen deshalb über die bloße sichere Speicherung von Zugangsdaten hinaus und bieten spezielle Funktionen für den Nachlassfall an. Diese können die Möglichkeit umfassen, einzelne Passwörter oder den gesamten Zugang zum Passwort-Tresor an vorher festgelegte Vertrauenspersonen zu vererben. Manche Tools arbeiten mit einem Zeitschalter-Mechanismus: Wenn sich der Nutzer über einen bestimmten Zeitraum nicht einloggt, wird automatisch der Prozess zur Übergabe der Daten an die Erben eingeleitet. Diese Funktion kann besonders nützlich sein, um sicherzustellen, dass wichtige digitale Vermögenswerte nicht verloren gehen.

Fazit

Die ethischen und gesellschaftlichen Implikationen des digitalen Nachlasses umfassen technische und rechtliche Fragen, gehen aber weit darüber hinaus. Sie berühren fundamentale Aspekte unseres Verständnisses von Leben, Tod und Erinnerung im digitalen Zeitalter. Eine durchdachte Vorsorge kann den Hinterbliebenen viel Stress ersparen und sicherstellen, dass das digitale Erbe im Sinne des Verstorbenen behandelt wird. Es liegt an jedem Einzelnen, schon zu Lebzeiten Vorkehrungen zu treffen – und an der Gesellschaft als Ganzes, angemessene rechtliche und technische Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen respektvollen Umgang mit dem digitalen Vermächtnis ermöglichen.

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