Europa-Gemeinderat Ralf Frühwirt eröffnete Wanderausstellung „EU on Tour“
In einer Zeit, da politische Urteilsbildung allzu oft auf algorithmisch gesteuerte Informationshäppchen schrumpft, tut Aufklärung Not. Die Ausstellung „EU on Tour“, deren Eröffnung gestern vor der Sitzung des Gemeinderates im Foyer des Leimener Sitzungssaales stattfand, ist ein Fanal wider das politische Desinteresse und die Mythen der Brüsseler Bürokratie.
Nach einer musikalischen Begrüßung durch Michael Reinig per Dudelsack sprach Oberbürgermeister John Ehret zu den versammelten Gästen und erläuterte, welchen Stellenwert die EU auch auf lokaler Ebene in Leimen hat, bevor er das Wort an den Initiator der Ausstellung übergab.
An Ralf Frühwirt, Europa-Gemeinderat der Stadt Leimen, der mit Verve und Überzeugungskraft die europäische Idee verteidigte. Als Europa-Gemeinderat ist er Teil des Netzwerks BELC („Building Europe with Local Councillors“), das die Brücke schlagen will zwischen Brüssel und den Bürgern vor Ort. Frühwirt ist somit nicht nur Kommunalpolitiker, sondern Vermittler europäischer Werte und Prozesse in der lokalen Sphäre.
Wir dürfen hier seine Ansprache im vollen Wortlaut wiedergeben:
„Was wissen wir von Europa, woher bekommen wir unsere Informationen über die EU? Aus den Fernsehnachrichten, der Tageszeitung, Facebook oder TikTok? Ganz selten aber direkt von der Europäischen Union. Brüssel ist für den Normalbürger weit weg und die Wege an Informationen zu kommen sind oftmals verschlungen. Das zeigt auch eine Forsa-Umfrage aus 2025, die unter anderem konstatiert, dass trotz eines sehr starken Interesses von 70 % der Befragten für Themen der EU nur 42 % die Funktionsweise und die Aufgaben wirklich verstanden.
2021 bis 2022 fand die Konferenz zur Zukunft der EU statt. In vielen Veranstaltungen, live und online Treffen beteiligten sich hunderttausende Menschen an einem mehr als einjährigen Prozess, der am Ende 49 Vorschläge mit vielen konkreten Maßnahmen hervorbrachte. Eine der Kernbotschaften der Bürger*innen war: Die EU muss demokratischer und transparenter werden und die Bürger*innen müssen regelmäßig und ernsthaft eingebunden werden. Die Bürger*innen sind also an einem direkten Zugang zu Europa interessiert. Sowohl die EU Gemeinderäte, als auch diese Wanderausstellung sind einzelne Maßnahmen, um dem gerecht zu werden.
Dieses Interesse an direkter Information seitens der Bevölkerung hängt unter anderem damit zusammen, dass trotz eines positiven Bildes der EU bei einer überwältigenden Mehrzahl unserer Bevölkerung, oftmals negative Berichterstattung über Brüssel die Schlagzeilen beherrscht. Schlagwörter wie Brüsseler Bürokratiemonster oder Gurkenverordnung geistern gerne einmal in den Köpfen herum, wenn man an die EU denkt, so als ob in den Brüsseler Hochhäusern sich gesichtslose Bürokraten Gesetze ausdenken, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Diese Einschätzung hat auch etwas mit dem mangelnden Verständnis der Menschen über die Abläufe in der EU zu tun, dem diese Ausstellung abhelfen will. Die EU ist kompliziert. Das mag manchmal von Nachteil sein, aber wenn man sich in autoritären Staaten umschaut, wo die Entscheidungen sehr schnell gehen, dann kann man sich mit den bedächtigeren, demokratischen Prozessen vielleicht besser anfreunden.
Hier stehen meine Kinder nicht morgen an der Front, weil Frau von der Leyen plötzlich ihre imperialen Gelüste entdeckt. Ich werde auch nicht umgesiedelt, weil sie eine neue Seidenstraße durch mein Grundstück bauen will. Und mein Nachbar verschwindet auch nicht in einem Gefängnis in Guatemala, weil er vom Heimatschutz auf offener Straße in ein Auto gezerrt wurde. Solche Willkürmaßnahmen sind in der EU ausgeschlossen, gerade weil es demokratische Abstimmungsprozesse gibt, die die Entscheidungen zwar verlangsamen, die uns Bürger aber auch schützen.
Natürlich gibt es an der EU viel zu verbessern. Man kann Abstimmungsprozesse verschlanken, man kann die Quoren bei den Abstimmungen senken, man kann Sanktionen für Staaten verstärken, die den europäischen Werten zuwider handeln. Doch das Wichtigste aus meiner Sicht ist, dass die Menschen, die im EU-Rat, in der Kommission und im EU-Parlament an Entscheidungen mitwirken, als Europäer denken und handeln und nicht als deutscher, finnischer oder spanischer Vertreter in der EU.
Solange das nationale Eigeninteresse bei Beschlüssen eine wesentliche Rolle spielt, werden die Ergebnisse weder schnell noch günstig, noch optimal sein, weil sie auf diese Eigeninteressen Rücksicht nehmen müssen. Damit wären wir wieder bei der vorhin schon angeführten Gurkenverordnung. Die entsprang nicht Bürokratenhirnen, sondern der Lobbyarbeit von Bauern- und Handelsorganisationen, die ihre Regierungen dazu brachten, das Gesetz über den EU-Rat einzubringen.
Man kann sich vorstellen, dass die Brüsseler Beamten sich eher mit etwas Sinnvollem beschäftigt hätten. Etwa der Abschaffung der Roaming Gebühren (2017), dem digitalen EU Führerschein (ab 2030) oder der verbindlichen Verpflichtung von USB-C für Ladegeräte, die es ohne die EU nie gegeben hätte. Das ist auch einer der Vorteile eines großen Wirtschaftsraumes, wie ihn die EU repräsentiert, dass sie Standards setzen kann, die ihrer Bevölkerung das Leben erleichtert und ihren Unternehmen langfristige Investitionsentscheidungen ermöglicht. Wichtig ist, dass die Menschen das verstehen und nachvollziehen können. Dazu kann diese Ausstellung einen Beitrag leisten.
Ich habe vorhin davon gesprochen, dass „EU on Tour“ eine Wanderausstellung ist. Man muss sie bei der EU bestellen um sie zu bekommen. Der Vorteil wenn man einen EU Gemeinderat in seiner Kommune hat ist der, dass wir die Möglichkeit hatten eine eigene Ausstellung kostenlos zu bestellen. Das bedeutet, dass diese Ausstellung, wenn sie in einem Monat hier abgebaut wird, trotzdem in Leimen bleibt und weiterhin verfügbar ist. Sie wird also im wesentlichen in Leimen wandern, in öffentlichen Gebäuden oder in unseren Schulen und vielleicht auch in der Jugendarbeit. Die Realschule hat schon einmal Interesse bekundet.
Natürlich können sich auch Vereine oder Unternehmen bei uns melden, die für einen Event oder für einen längeren Zeitraum die Ausstellung zeigen möchten. Ich darf mich auch bei unserem Wirtschaftsförderer Herrn Hormann bedanken, der für das nächste Jahr einen Plan aufstellen wird, wann und wo die Ausstellung zu sehen sein wird. Ich kann mir auch vorstellen, dass im Sinne der Nachbarschaftshilfe, wir unsere Ausstellung auch in unseren Nachbarkommunen wandern lassen können. Ziel ist es auf jeden Fall möglichst vielen Menschen die europäische Idee und das funktionieren der EU nahe zu bringen. Damit lade ich Sie ganz herzlich ein sich die roll ups anzusehen und über die QR Codes weitere Informationen zu bekommen.“
Kurz-URL: https://leimenblog.de/?p=196488















































