Bilder „Cocooning“ und „Elementar“ von Günther Osswald im Leimener neuen Rathaus

Zur Erläuterung der derzeitigen Ausstellung von Gemälden von Günther Osswald im Leimener neuen Rathaus und zum Ankauf des Werkes „Elementar“ durch die Stadt, geben wir hier die anläßlich der Übergabe erfolgte Werkbesprechung durch Aloisia Föllmer wieder.


von Aloisia Föllmer.Die Stadt Leimen hat die beiden Bilder „Elementar“ und „Cocooning“ von Günther Osswald erworben, die im Schaffen des Künstlers einen besonderen Stellenwert einnehmen. Denn wer seine Malerei kennt, der weiß, dass der Künstler sich hauptsächlich figurativ ausdrückt.

Aloisia Föllmer.

Aloisia Föllmer.

Günther Osswald ist Jahrgang 1946 und wurde in Wildenschwert geboren. Seine Hinwendung zur Malerei hat mit seiner 35 Jahre langen Tätigkeit in der Farbindustrie zu tun und mit der damit verbundenen Beschäftigung mit Farbe und Design.  Seit 15 Jahren lebt er, der in Heidelberg und Leimen aufwuchs in München. Dort ist er Teil einer Ateliergemeinschaft in der Großanlage des Botanikums und kann sich glücklich schätzen, umgeben von Palmen, einem Feigenbaum und Kletterpflanzen in einem von Licht durchfluteten großen Atelier arbeiten zu können. Osswald ist ferner Sprecher der Künstlergruppe Art 25.

In dem entspannten Klima seines Ateliers entstehen Bilder, auf denen es von menschlichen Gestalten, deren Proportionen, Körperhaltungen und Mimiken verzerrt sind, nur so wimmelt. Mit ihnen prangert der Künstler meist dekadente gesellschaftliche Zustände an, die auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind. Diese bisweilen grotesken Figuren verkörpern also, inhaltlich und formal betrachtet, motivische und kritische Zuspitzungen, die den Betrachter wachrütteln sollen.

Und immer sind intensive Farbkontraste dabei wichtig, da sie den Ausdruck oft ins Expressive steigern. Dies trifft insbesondere auf das Höllenbild mit seiner aggressiven und hitzigen Farbigkeit zu. Aber auch farblich gedämpfte Stimmungen fallen an den Figuren und Figurenkonstellationen auf.

Wenn man nun die Bilder „Elementar“ und „Cocooning“ aus dem Jahr 2016 im Vergleich zu den Figurenbildern betrachtet, dann fällt auf, dass diese einen völlig anderen Ausdruck haben. Sie haben sich von der Menschendarstellung gelöst und drücken sich vorwiegend über den autonomen Gebrauch von Farben und Formen aus. Befreit von der motivischen Darstellung, führen diese ein Eigenleben.

Es besteht also eine deutliche Spannung im Gesamtschaffen von Günther Oswald, da er nämlich zwischen der gegenständlichen und ungegenständlichen Malerei changiert. Aber er entscheidet sich nicht für die eine und gegen die andere Darstellungsweise, sondern er verbindet beide miteinander.

„Cocooning“

OB Hans Reinwald vor dem Werk „Cocooning“

So wirkt das Bild „Cocooning“ auf den ersten Blick zunächst völlig abstrakt. Und es sind vor allem die intensiven Farben, die die Energie des Bildes ausmachen. Da ist zunächst das alles überstrahlende Gelb des rechten Hintergrundes, das die Assoziation zum Licht der Sonne in uns erzeugt und unseren Blick magisch anzieht. Zwischen diesem Lichtgelb und den Diagonalen des linken Vordergrunds zwängt sich eine schwarze, rechteckige, rätselhafte Form, die im bunten Umfeld einen verhalten düsteren Akzent setzt.

Ich weiß nicht, ob es ihnen auch so geht, aber bei mir stellen sich zu den emporstrebenden Diagonalen, die mich an Baumstämme erinnern, unwillkürlich Assoziationen zum Wald ein.

Dass die Wirklichkeit ferner immer komplexer ist, als sie scheint, das offenbart uns der nähere Blick auf das Bild.  Bei genauerem Hinsehen birgt der Wald Gefahren. So ist links oben zwischen den Stämmen eine Fratze zu erkennen, während in der rechten oberen Seite ein gelber Drachen zu erahnen ist. Vor diesen Bedrohungen hat sich die kleine hellgraue Raupe auf dem gelb-grün-roten Halm der linken Seite aus Angst eingesponnen.

Günther Osswald findet mit diesem Bild einen Ausdruck für die in der Gesellschaft sich breit machenden Ängste, die häufig dazu führen, dass sich der Mensch, wie die Raupe, abkapselt und Zuflucht im Privaten sucht. Ferner wird deutlich, dass Günther Osswald aus der Hinwendung zur Abstraktion Mut zur experimentellen Vorgehensweise zieht. So ist die Oberflächenstruktur mancher Stämme oder die ein oder andere Bildpartie deutlich mit Hilfe des Rakels bearbeitet, während er die übrigen Motive gemalt sind.

Die Anfänge der abstrakten Malerei sind zu Beginn des letzten Jahrhunderts anzusiedeln. Noch vor dem ersten Weltkrieg entstanden die vorwiegend abstrakten Improvisationen von Wassily Kandinsky. Diese wirken zwar intuitiv gemalt, sind jedoch das Resultat genauer Planung. Ihr bewegtes Spiel der Farben und Formen, in dem immer noch versteckt Motive auftauchen, legte in der Kunst den Grundstein für den reinen, autonomen Gebrauch der Farbe.

Etwas später, in den Zwanziger Jahren, entstanden in der Kunst des surrealistischen Malers Max Ernst automatische oder halbautomatische Bilder, die auf Zufallstechniken aufbauen. Seine Drip Paintings basieren auf einer mit Farbe gefüllten Konservendose, in die auf der Unterseite ein Loch angebracht wurde. An einer Schnur hängend wird die Dose dann hin- und her geschwungen, so dass die flüssige Farbe herausspritzt.

Bekannt wurde diese Drip-Technik insbesondere durch Jackson Pollock. Dieser amerikanische Künstler reagierte damit auf die ideologische Vereinnahmung des Figurativen durch die Nationalsozialisten und brach ganz mit der gegenständlichen Malerei.  Seine großformatigen, von dicken Farbschlieren überzogenen Werke entstanden nach 1945, indem er die Leinwände auf den Boden legte und sich mit dickem Pinsel und Farben bewaffnet, mal langsam, mal schnell um sie herum bewegte. Dabei spritzte er die Farben aus dem Körpergestus heraus und direkt aus dem Farbeimer auf die Leinwand. Pollocks Bilder setzten in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts die schier unüberschaubare Flut an abstrakt expressiv arbeitenden Künstlern in Gang, deren Arbeiten von Rhythmik und Bewegung gekennzeichnet sind.

Die so genannte Informelle Malerei, deren Merkmale Spontanität und Formlosigkeit sind, wendet die Farben autonom an, d.h. sie setzt diese in ihren hellen und dunklen, kalten und warmen, leisen und aggressiven Eigenschaften ein. Dabei schließt der impulsive Arbeitsvorgang stets Prozesse des Unbewussten mit ein.
Die informelle Malerei wendet sich auch gegen die in der geometrischen Abstraktion verwendeten Kreise, Ellipsen, Quadrate, Recht- und Dreiecke.

„Elementar“

Günther Osswald jedoch setzt sich über solche Abgrenzungen hinweg. Betrachten wir das Bild „Elementar“ von oben nach unten, dann entwickelt sich aus dem Licht der weißen Farbe heraus in fließenden Übergängen helles Blau, das sich in intensives, dichtes dunkles Blau wandelt.

Vor diesem gestisch gemalten Hintergrund stürzen schwer identifizierbare, vorwiegend kantige wie aber auch runde plastische Formen in die Tiefe. Insbesondere stechen die buntfarbigen Elemente hervor. Unten angekommen bilden sie einen Haufen, auf den unaufhörlich weitere Teile zu fallen scheinen.

Oft stellen sich auch gegenständliche Assoziationen ein. So erkennen wir Baumstämme und Trauben sowie als Reverenz an das mit dem Tennissport verbundene Leimen, einen halb verdeckten gelb-grünen Tennisball.

Die feierliche Enthüllung von „Elementar“ am 13. Mai 2017

Die insgesamt fallende Bewegung, das Kreuz und Quer sowie das Übereinander der Einzelteile drückt Chaos aus. Hier scheint etwas aus dem Lot geraten zu sein. Und es entsteht der Eindruck, dass die vorhandenen Einzelstücke zu einem sinnvollen Ganzen zusammengefügt werden müssen, um Chaos und Haltlosigkeit zu beenden. Sie repräsentieren damit Elemente, die nahezu dazu auffordern, aus ihnen neue zusammenhängende Strukturen zu erschaffen.

Günther Oswalds Bild „Elementar“ ist ein Sinnbild für die elementaren Anforderungen, die tagtäglich auf eine Kommune einstürzen. Diese sind vielfältig, sie enden nie und verändern sich ständig.

Wie seine Figurenbilder so kennzeichnet auch dieses Bild mit seiner speziellen Farb- und Formsymbolik ein Inhalt, der, wie kann es anders sein bei Günther Osswald, eine grundlegende Botschaft vermittelt.“


Zur Kunst von Günther Osswald

von Dr. Kristina Hoge. In der zeitgenössische Kunst ist heute im Grunde alles möglich. Für einen jeden Künstler stellt sich dementsprechend die Frage: wie finde ich meinen eigenen Weg, in welche Richtung will ich gehen und was möchte ich ausdrücken oder besser formuliert: möchte ich überhaupt etwas Inhaltliches vermitteln oder ziehe ich mich auf rein formale Aspekte der Malerei zurück?

Im künstlerischen Werk von Günther Osswald begegnen beide Seiten – rein formale Aspekte der abstrakten Malerei, insbesondere was die kraftvollen, kontrastreichen Farbkompositionen anbelangt, ebenso wie inhaltliche Relevanz. Ja, es scheint vielmehr sogar so zu sein, dass diese beiden Pole einander bedingen und, dass die weniger emotional aufwühlende Arbeit in der farblichen Abstraktion, das freie Schwingen reiner gestalterischer Fantasie, eine Art Gegengewicht und Ausflucht ist, um die gewichtige, gesellschaftskritische, provokante Seite auszubalancieren.

Denn der Künstler Günther Osswald ist zunächst und in erster Linie eines: ein aufmerksamer und genauer Beobachter, ein Reisender, der wachen Blickes durch die Welt geht und  dementsprechend viel erlebt und viel zu sagen hat. Und das, was er sieht und erfährt in seiner Kunst zu formulieren, das scheint Osswald gleichsam ein drängendes Bedürfnis, sein Versuch, die Menschen aufzurütteln und vor Fehlentwicklungen zu warnen. Es ist dies die aufwühlend expressive Seite in Osswalds Schaffen, die Seite, die den Menschen ganz klar ins Zentrum bildnerischer Auseinandersetzung rückt und mit der modernen Gesellschaft kritisch ins Gericht geht.

In einer Bildsprache voller Drastik und Zuspitzung entlarvt der Künstler in mitunter beißender Ironie messerscharf die Absurditäten und Ungerechtigkeiten gegenwärtiger gesellschaftlicher Phänomene und Entwicklungen. Mit Werken wie etwa ‚Dekadenz‘, ‚EU-Casino‘, ‚being 35 and single male‘ oder ‚Das Narrenschiff „D“‘ vertritt Osswald klar den Ansatz einer inhaltlich relevanten Kunst, die sich in die Tradition eines Hieronymus Bosch, Francisco Goya, George Grosz oder Otto Dix einreihen läßt.

Expressiv, ja manchmal beinahe grell spitzt Osswald die Dinge zu, um Fragen aufzuwerfen und zum Nachdenken anzuregen. Den unbedarften Betrachter lockt er dabei mit seinen farbenprächtigen Oberflächen – Farben, die sehr jetzig wirken und die bewußt kontrastreich nebeneinander gesetzt werden, um eine intensive, reichhaltige, beinahe surreale Stimmung zu erzeugen. In zum Teil street-artig wirkender Anmutung sind große Partien immer wieder dynamisch und frei mit dem Pinsel oder Rakel gearbeitet, eine verlockende Farbenpracht, hinter der sich direkt und klar formulierte Inhalte entdecken lassen. Bilder, die nicht nur oberflächlich beeindrucken möchte, sondern auch eine Botschaft haben und den Spiegel vorhalten, sie scheinen wichtig in diesen Zeiten, in denen sich auch die Kunst gerne einmal in dekorative Belanglosigkeit zurückzieht

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