Leimens neuer Schlossherr Wolfgang I. –
Seine erste Kerwerede im Wortlaut

Schlossherr Wolfgang I. (Müller)

Bei seiner ersten Kerwerede nahm Schlossherr Wolfgang I. (Müller), prächtig in einem barocken Gewand gekleidet, lokale Ereignisse und lokalpolitische Entwicklungen in Reimform und humorvoll unter die Lupe. Da nicht alle Kerwebesucher die Möglichkeit hatten, bei der Kerwerede anwesend zu sein, dürfen wir sie hier ungekürzt in Textform wiedergeben:


Ihr Bürgersleut und Edelleut – seid willkommen zur Kerwe heut!

Hier stehe ich, ich kann´s nicht anders, bitte helft mir zu meinem Erbarmen!

Zu allererst ein Blick in die Geschichte. Wir schreiben das Jahr 1850 und hierzu schreibt Leimens Amateur Historiker Rolf Kiefer:

Das Kirchweihfest in Leimen wird vom bisherigen 3. Sonntag im September, dem Sonntag vor Mauritius, auf den 3. Sonntag im Oktober verlegt. Damit beginnt ein rund 50jähriges Hin und Her über die Kirchweihtermine bis letztlich 1907 wieder der alte Kirchweihtermin durch das Bezirksamt festgelegt wurde.

Das heißt: wir sind dieses Jahr eine Woche zu spät – aber wer zu spät kommt, den belohnt das Wetter!

Nach seiner Rede erhielt Schlossherr Wolfgang I. von Oberbürgermeister Hans Reinwald den symbolischen Stadtschlüssel überreicht und wurde damit für die Dauer der Kerwe zum Stadtoberhaupt

Ja nach den Schlossherren Hans (Hess), Heinz (Friedrich) und Jürgen (Haas) nun Wolfgang zum Ersten. Und nach bald 50 Jahren „Leimener Weinkerwe“ möchten wir uns an den ersten Schlossherrn erinnern: Hans Hess hatte den Gedanken und ihm ist zu danken. Ganz großer Dank gebührt aber meinem Vorgänger Jürgen Haas.

Zwar bist Du heute nicht hier, aber nach fast 20 Jahren sollte man mit großem Applaus Dir mal ganz kräftig Danke sagen.

Seit Jahrhunderten ist’s Tradition – zu allererst der Kirche zum Feste.

Kirchweih ward es genannt – bis der Wein zur Kerwe sich fand, und von nun an wurde es Weinkerwe benannt.

Dies Fest ist zum Feiern und offen für alle, egal woher Ihr auch kommt, egal welche Hautfarbe und Religion – Leimen ist unser und Leimen ist Euer. Leimen ist Heimat für Euch und für uns. Denn die Kurpfalz war offen: Wallonen und Hugenotten, sie konnten auf uns hoffen – und so soll es auch bleiben in stürmischen Zeiten.

Auch ich bin ein Neuer in diesem Gewand – der neue Schlossherr aus Leimen, mit ganz alten Wurzeln und Liebe zum Alten.

Man hat mich gefragt und ich will es probieren,

Euch mit Lust und mit Laune und mit kundigen Versen durchs Leimen von gestern und heute zu führen.

Ich bin nicht allein, hab poetische Hilfe, Dir Manfred Zugck sei Gruß und sei Dank!

Und ich bin als Schlossherr ganz froh und genieß‘ es, im Alter zwei reizende Schlossfräulein an meiner Seite zu haben, Mara und Christin, die mir helfen, die große Verantwortung zu tragen. 

Hier ist es, das Zentrum vom historischen Leimen. Als Festung zur Wehr mit Turm und mit Toren. Ob Franzosenturm, ob Bärentor, ob Nußlocher Tor, hier zwischen meinem Schloss-Palais und alter Mauritius Kirche, da blühte das Leben. Man schaffte im Steinbruch, im Wingert und auf den Feldern, man pflanzte den Tabak, den „Duwak“, und ging in die Zigarrenfabrik und der Salzhandel brachte das Geld in die Kassen zurück. 

Und man verstand es zu feiern mit Wein und mit Bier – und die Kerwe war für alle, drum stehen wir hier. 

Und früher da hieß es und sagten die Alten: Ketsch, Brühl, Antwerpe,

Hamburg, Lübeck, Breme – Nußloch, Wiesloch, Leeme!

Nehmen wir jetzt noch Sandhausen und Walldorf dazu, dann haben wir ganz schnell aus dem Stand die „Hanse der Kurpfalz“ am Rösbach- und Leimbachstrand.

Ja und Nußloch und Leimen eine tolle Allianz. Bei allem Gefrotzel seit Jahrhunderten zwischen Nußlocher Mondspritzern und Loomer Nudelkuche nichts sollte uns hemmen, eine Landesgartenschau zu stemmen. Wir sorgen fürs Wetter und Nußloch fürs Geld, dann ist doch alles bestens bestellt.

Doch seit Jahrzehnten – man glaubt es kaum – wie jämmerlich und kläglich ist es um unseren alten Markplatz oder Schlossplatz bestellt.

Nix geht voran, nix wird gestaltet – hoffentlich wird nicht länger der Stillstand verwaltet!

Demokratie ist gut, man muss diskutieren, um das Beste zu erreichen. Bürgerbeteiligung war gut, um in Maßen zu gestalten.

Aber irgendwann ist Ende und es muss was passieren – oder wollen wir uns noch länger mit diesem Schandfleck blamieren?

– sonst kräht kein Huhn, kein Hahn mehr danach!

Denn bei allen Ideen: mit Landesgartenschau und Nußloch im Großen und Konzertveranstaltungen in der Festhalle im Kleinen,

aber mit so einem trostlosen Platz bekommt man das Weinen.

Hier und jetzt sind sie gefordert, die Neuen im Rat. Farben sind wichtig und Farben sind schön, aber es geht nicht um grün und um schwarz, nicht um rot, gelb und um blau.

Die Farbenlehre von Leimen heißt Heimat mit allen Farben gemeinsam gestalten.

Da muss man miteinander ringen und streiten, sich mit Ideen die Köpfe zerreiben –

und mögen die verbalen Fetzen auch fliegen bis zum Kragen,

am Ende des Tages sollten sich wieder alle vertragen.

Denn es geht nicht um Farbe und um einen selbst – nein, es geht um Leimen und um die besten Lösungen für alle. 

Dies zu moderieren ist wichtig, das Ganze zu bündeln und nach vorne zu schau’n,

Vertrauen zu schaffen und alles probieren – dafür muss sich unser OB engagieren.

Sie sind der Schultheiß und Sie sind ganz wichtig, auf Sie setzen wir alle – und die Bürgerschaft und die Kerwe Corona möchte sagen:

Lassen Sie nicht locker beim Verwalten, um Leimen wieder neu zu gestalten!

Nun, alles braucht Zeit, in der Verwaltung, in den Schulen, in den Kindergärten und in allen Bereichen, aber man kann auch mit Liebe zur Sache im Kleinen so manches entfalten.

Und kommst Du heute in unsere Stadt, dann merkst Du, dass sich was verändert hat.

Und bei aller Malaise im Großen, auch unser Stadtkern bewegt sich wieder im Kleinen. 

Und was früher uns reich machte von Salz über Tabak bis Zement, dies gilt es neu zu denken, denn neue Gewerbeansiedlungen sind richtig, sie bringen das Geld und das ist ganz wichtig!

Aber das allerwichtigste ist Stimmung – und die spürt man in Leimen. Sie hat sich verändert und ich meine zum Besseren, noch nicht zum Besten.

Die Perle der Kurpfalz, mit den Insignien Sport-, Wein- und Europastadt geadelt, sie ist wieder was.

Und seien wir dankbar – bei aller Kerwefreude – und vergessen wir nicht: während draußen die Welt weiter aus den Fugen gerät, leben wir hier in Leimen und in diesem Land in einem Paradies mit kleinen Fehlern.

Trotzdem denkt mir daran, diesen Platz zu gestalten. Bald geht unsere WEINKERWE ins 50ste Jahr. Es kann doch nicht sein und muss doch gelingen, diesen Platz zum Jubiläum in eine Form zu bringen.

Als Zeichen mag gelten, dies‘ Rad hier zu dreh’n – wir alle sind gefordert … mit allen Räten und Ihnen, Herr Oberbürgermeister, an der Spitze voran.

Aber jetzt lasst uns das Fest und die Stimmung nicht verdrießen, sondern die Kerwe, das Wetter und die Stimmung drei Tage lang genießen.

Es lebe die KERWE – LEIMEN VORAUS!“

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