QRC: Die Herz-Jesu Kirche Leimen

Foto: Dorothea Burkhardt

Die Herz-Jesu-Kirche ist eines der Wahrzeichen der Großen Kreisstadt Leimen. Wer sich Leimen aus der Rheinebene her nähert, den beeindruckt zuerst das mächtige Kirchenbauwerk auf dem langgestreckten Bergrücken. Hoch ragt die geschwungene Westfassade, nichts übertrumpft sie optisch. Allein der 33,5 m hohe quadratische Glockenturm an der Nordseite verbindet an dieser Stelle Himmel und Erde.

Vielleicht wollen Sie diese Kirche einfach besichtigen, vielleicht möchten Sie herkommen, weil Sie einen Ort der Ruhe suchen, vielleicht auch um zu beten.

Heute sehen viele Kunstinteressierte die Herz-Jesu-Kirche bewundernd in ihrer gelungenen Mischung aus Neubarock und Jugendstil. Die Baupläne der Kirche stammen von Ludwig Maier, dem äußerst renommierten späteren Vorstand des Heidelberger Erzbischöflichen Bauamtes, der sie im Großen und Ganzen im Januar 1912 fertig gestellt hatte. Noch vor dem Ersten Weltkrieg begonnen, ruhte der Bau während der Kriegsphase, konnte erst 1919 unter erschwerten Bedingungen fortgeführt werden. Zu Ostern 1921 wurde sie erstmals genutzt. Nach den Plänen hauptsächlich im barocken Stil vorgesehen, präsentiert sich die Kirche nach dieser langen Entstehungszeit in einer gelungenen Mischung aus Neubarock und Jugendstil, der eigentlich, als die Kirche schließlich am St. Peter- und Pauls-Fest 1924 konsekriert worden war, in seiner Art déco-Auffassung schon dem Ende zuging. Diese einzigartige Kombination der Kunststile macht sie deshalb auch zum Ziel vieler Kunstinteressierter.

Ein großes Hauptportal und zwei kleinere Seitenportale ermöglichen an der in bezeichnend wellenförmig barocker Form gehaltenen West- und damit gleichzeitig der Schaufassade den Zutritt zum Gotteshaus. Sehr originell finden sich angedeutete Kapitelle an den ebenfalls nur angedeuteten Säulen, welche die Seitenschiffe zu begrenzen und das Dach zu tragen scheinen. Unter dem First schaut weithin das ‚Auge Gottes‘ ins Land, als Dreieinigkeitssymbol gestaltet, wachsam und fürsorglich, wie es die Bibel oft beschreibt. Strahlen gehen von ihm aus, wie beim Heilig-Geist-Pfingstereignis. Die Hauptstrahlen, sieben an der Zahl, als Zungen, die sich zerteilen, meinen die sieben Gaben des Heiligen Geistes, genannt in Jesaja 11,2: Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Wissenschaft, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Bekrönt ist das kräftige Ornament von einem Strahlenkreuz. Schon hier erkennt der Beschauer die sich im Innern des Kirchenschiffs fortsetzende Reduktion auf Einfachheit und Klarheit. Neben dem linken Eingang der Westfassade steht ein großes, am 9. Juni 1730 geweihtes Sandsteinkreuz, das rund 200 Jahre lang Wegekreuz vor der – heute nicht mehr erhaltenen –Mauritiuskirche in der Nußlocher Straße war.

Foto: Berno Müller

Das Innere der Kirche ist in warmen Farben gehaltenen, das Hauptschiff wird begrenzt links und rechts von mächtigen quadratischen Pfeilersäulen. Geradezu magisch wird der Blick von der riesigen Kreuzigungsgruppe an der Chorwand in der Apsis angezogen, eine moderne, 1959 von Prof. Karl Baur geschaffene Herz-Jesu-Darstellung, welche die Namensgebung der Kirche unterstreicht. Angelehnt an den Jugendstil sind die Attribute des Leidens heute farbig gefasst, hier in Gold, das ja schon immer Zeichen des Besonderen gewesen ist. Das gilt in diesem Fall für das Kreuz als Holz des Lebens, aber auch Lanze, Dornenkrone, Nägel und Kelch erscheinen nun hervorgehoben, ebenso der Heilige Geist in Gestalt einer Taube.

Unter der Figurengruppe steht, beinahe auf der Teilung des goldenen Schnittes zwischen Kreuz und Wand eingefügt, auf einer Sandsteinstele der Tabernakel, wie die Kirche auch ein Symbol für die Wohnung Gottes unter den Menschen. Gott ist zu uns gekommen in seinem Sohn Jesus von Nazaret. Weil die Mächtigen damals die Botschaft vom Reich Gottes als Bedrohung empfanden, wurde er zum Tod verurteilt und am Kreuz hingerichtet, im römischen Reich die schrecklichste Strafe für Schwerverbrecher. Jesus aber wurde von Gott aus dem Tod auferweckt. Die Feier seiner Auferstehung ist die Mitte des Gottesdienstes. Im Hören des Wortes Gottes aus der Heiligen Schrift und im Feiern des Mahles am Altar zum Gedächtnis Jesu Christi, tritt er als unser Herr in unserer Mitte. Auf seine eucharistische Gegenwart im Tabernakel macht auch die darauf ständig brennende Lampe, das Ewige Licht, aufmerksam.

Foto: Berno Müller

Bei der Kreuzigungsgruppe hat der Künstler auf den hauptsächlich bis zum 12. Jahrhundert üblichen Typus zurückgegriffen, bei dem die Gestalt Christi von einem Fußbrett unterstützt ist, die Füße nebeneinander am Holz angeheftet. Jesus ist schon tot, sein Haupt zur Seite geneigt, der Körper leicht verdreht. Allerdings neigt hier der Gekreuzigte seinen Kopf nach links (von Jesus aus gesehen), was in der Darstellung äußerst selten zu finden ist. Links steht ein römischer Soldat, der Legende nach Longinus, der mit seiner Lanze die Seite öffnet, vgl. Sacharja 12,10: Und sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben. Aus der Seitenwunde fließt Blut und Wasser. Sie ist das Sinnbild der Quelle des Lebens (fons vitae), der Eucharistie und der Taufe; aus diesen Sakramenten leitet sich die Geburt der Kirche her. Beides wird in einem Kelch aufgefangen – vgl. Psalm 116,13: Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn -, von eben dieser Kirche Christi, personifiziert in der Figur der Ecclesia.

Der rechte Seitenaltar ist dem heiligen Josef geweiht, der in Leimen schon seit langer Zeit besondere Verehrung erfährt. Josef präsentiert sich als jüngerer Mann mit Bart, wie seit der Renaissance üblich. Liebevoll legt er dem jungen Jesus, der ihm bei seiner Arbeit als Zimmermann hilft, die Hand auf die Schulter. Man kann aus dieser Geste sicher erkennen, warum Josef durchaus als Schutzheiliger der Familien, der Handwerker und Arbeiter gilt. 1870 von Papst Pius IX. zum Patron der ganzen Kirche erklärt, war und ist noch immer seine Fürsprache gerade im Zeitalter der Industrialisierung den Menschen wichtig.

Marienaltar mit Fenster, das das Glaubensbekenntnis zeigt (Foto: Dorothea Burkhardt)

Der linke Seitenaltar ehrt die Mutter Gottes. Der Künstler stellt sie als lange, feingliedrige, beinahe adlige Erscheinung dar. In einen weiten offenen Mantel gehüllt, der bis auf den Boden reicht, erweckt sie den Eindruck, als ob sie leicht nach vorne schreiten würde. Das Untergewand schwingt in sanften Falten, wie man es schon von Elfenbeintäfelchen französischer Herkunft oder der Sternenmadonna (um 1290) am Westportal des Freiburger Münsters kennt. Mit dem rechten Fuß zertritt sie eine goldene Schlange, die auf der Weltkugel liegt. Über ihrem Standbein hält sie den Jesusknaben, stützt seinen Rücken mit dem linken Arm und umfasst ihn mit ihrer Hand, gibt ihm Halt. So steht er aufrecht, die Hände segnend ausgebreitet. Sie präsentiert ihn uns, wie er es selbst sagte, als der Weg, die Wahrheit und das Leben (Johannes 14,6).

Im Chorbogen der Apsis steht links eines der Kleinode der Kirche: die Barocktaufe, die noch aus der Vorgängerkirche in der Nußlocher Straße stammt. Die 1727 von dem Heidelberger Steinhauermeister Josef Heybel geschaffene qualitätvolle Arbeit symbolisiert das Fundament im Leben eines jeden Christen und bleibt so ein Zeugnis der christlichen Kirche durch die Jahrhunderte. Die aus der Barockzeit stammende Figur des auferstandenen Christus, geschaffen vom späteren Bruchsaler Hofbildhauer Joachim Günther, im Triumphbogen rechts komplettiert die zentralen Aussagen des Christentums. Diese Figur hat über 200 Jahren die Menschen unserer Gemeinde begleitet und will uns auch jetzt wieder die Worte Jesu ins Gedächtnis rufen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt wird leben, auch wenn er stirbt“ (Johannes 11,25).

Wendet sich der Betrachter an der Apsis stehend um, blickt er auf das harmonische Orgelprospekt, das die mit rund 2.500 Pfeifen doch große Orgel aufgelöst und gar nicht wuchtig erscheinen lässt. Die am Dreifaltigkeitssonntag 1960 eingeweihte Orgel verbindet als liturgisches Instrument Zeit und Ewigkeit, ist aber auch ein hervorragendes Konzertinstrument. Das Prospekt repräsentiert in seiner neobarocken Bauweise den sachlichen Stil der Entstehungszeit, doch ragen die gewaltigen, fast freistehenden 4,80 m hohen Pfeifen von Quintade, Principalbaß, Subbaß und Posaunenbaß beeindruckend heraus. Dazwischen, unter dem Kronpositiv, steht groß im Fenster der heilige Mauritius – dem diese Kirche ebenfalls geweiht ist –, mit seinen Insignien Lanze, Schild und Heiligenschein. Krone und Palmzweig weisen ihn als Märtyrer aus.

Einen besonderen Blick wert sind die großen dreiteiligen Fenster mit angedeuteten Rundbögen, die sich ebenfalls an die barockisierende Architektursprache anlehnen, wobei die überaus farbigen, Mitte der 1950er Jahre vom Heidelberger Kunstmaler Willi Maier sehr graphisch gestalteten Scheiben das Glaubensbekenntnis in auf das Wesentliche reduzierten Bildern und Texten thematisieren. Bei Sonne am späten Vormittag und nachmittags glühen die Fenster in satten Rot-, Blau- und Gelbtönen, verleihen dem Kirchenraum besondere Schönheit. Das Zusammenspiel von Licht – ohne das die Fenster ja nicht leuchten würden – und bemaltem Glas fasziniert, und die Darstellungen erhalten einen tieferen Sinn. Sonne und Licht strahlen mit dem Glaubensbekenntnis die Zusage der Bibel in unsere Welt: „Gott ist mein Licht und mein Heil.“

Es gibt noch andere Bilder und Statuen in der Herz-Jesu-Kirche, so natürlich den Kreuzweg, ebenfalls von Prof. Baur geschaffen, aber auch eine Schönstatt-Muttergottes in der Mitte des rechten Seitenganges oder die bewegte Darstellung der Pietà auf dem Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege im linken. Diese beiden, wie die Figuren zwischen den Hauptportalen erinnern uns an die Heiligen durch alle Zeiten, die im Glauben Vorbild, Begleiter und Fürsprecher vor Gott für uns Menschen sind. Die Statue des heiligen Antonius wurde 1913 noch der Vorgängerkirche geschenkt. Wie so oft als junger Mann dargestellt, gekleidet in die Kutte der Minderbrüder, trägt er das Jesuskind auf dem Arm und hält eine Lilie in der Hand. Er war einer der begeisterndsten Prediger der Kirchengeschichte, der die Herzen der Menschen für Gott öffnete. Antonius ist der Patron für das Wiederfinden verlorener Sachen, der Liebenden, der Ehe, der Frauen und Kinder, der Armen, der Reisenden, der Bäcker und Bergleute, angerufen für eine glückliche Entbindung, gegen Unfruchtbarkeit, gegen Fieber, Kriegsnöte und Pest, der Helfer in allen Nöten. Konrad von Parzham, der berühmte und verehrte Klosterpförtner von Altötting ist im typischen Kapuzinergewand dargestellt, mit dem Pförtnerschlüssel an der Seite. Demut und aufopfernde Hilfsbereitschaft waren es, die diesen bescheidenen Mann unvergesslich werden ließen. Vor Konrad steht ein kleiner Junge, wie Rat suchend, ein Brot, das er vielleicht gerade von ihm erhalten hat, unter dem Arm. So drückt diese Statue aus, was Konrad als Klosterpförtner tagein, tagaus tat: Fragen beantworten, Bitten erfüllen, Aufträge ausführen, Bettler versorgen. Doch für jeden hatte Konrad ein freundliches Wort, keiner ging von ihm, ohne dass sein Anliegen erfüllt worden wäre. So bleibt der ewige Pförtner (Pius XI.), auch in dieser Kirche eine Aufforderung, es ihm gleich zu tun.

Fast in die Bedeutungslosigkeit versunken ist die wunderbare barocke Kreuzigungsgruppe auf der linken Seite unter der Empore. Sie ist über 200 Jahre alt und stammt noch aus der alten Mauritiuskirche, wo sie über und neben dem Hochaltar stand. Rechts von Jesus steht Maria, im roten Gewand, das Liebe und Opfer symbolisiert. Der goldene Überwurf weist auf Gottes Licht und Herrlichkeit. Beide Farben kehren im Überwurf des sehr jung, fast mädchenhaft gestalteten Johannes wieder. Der barfüßige Lieblingsjünger Jesu trägt dagegen ein grünes Gewand, in der christlichen Farbsymbolik Sinnbild der Hoffnung auf das neue Leben und das Paradies. Als Zeichen der innigen Verbundenheit mit Christus ist Marias Mantel innen übrigens in blauer Farbe gehalten. Der Gruppe gegenüber auf der rechten Seite findet sich vor einer 1925 der Kirche gestifteten und Dank einer Initiative der katholischen Frauengemeinschaft restaurierten Herz-Jesu-Figur ein schöner Platz zur Andacht und Erbauung. Die fast lebensgroße Figur mit blauen Augen (Farbbedeutung Himmel und Treue) zeigt auf eine geöffnete Brust, darin das blutrote Herz mit einer Flamme wie bei einem Ollämpchen. Herz meint in der Bibel und der Frömmigkeit nicht das Organ, sondern ist Symbol der Personmitte, das Herz ist Ausdruck der ganzen Person, seinen Fühlens und Wollens, seines Liebens und Leidens. Das Herz Jesu symbolisiert das Paradies, den Raum, den Gott ursprünglich für den Menschen geschaffen hat, den Raum der Liebe Gottes.

Wer in die Herz-Jesu-Kirche kommt, kann so wirklich spüren, dass er hier an einem Ort ist, an dem sich Himmel und Erde berühren. Er kann sich hier ausruhen, Stille finden, beten. Die Herz-Jesu-Kirche steht offen, steht allen offen, so wie Jesus sich aller annimmt, die zu ihm kommen.

(Berno Müller)

Leimen-Lokal-Redaktion: Dieser Text ist über einen QR-Code in der Kirche per Smartphone erreichbar

 

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