Eltern-Akademie im E.-Ding-Kindergarten:
„Ich tröste Mama wenn sie gestresst ist“

Erste Elternakademie in badischer Kita entsteht jetzt in Leimen. Landeskirche stellt 50.000 Euro für Kinderpräventionsprojekt zur Verfügung.

(16.1.2020). „Wenn der Papa mal in Stress ist, dann male ich ihm ein Bild“, sagt die vierjährige Sonja. „Ich beruhige meine Mutter, wenn sie morgens Eile ist. Dann sage ich: Wir müssen nächstes Mal einfach früher aufstehen“, erzählt der dreijährige Markus.

Kinder, denen das Wohl der Eltern am Herzen liegt. Stehen Eltern unter Strom, bekommen es auch die Kinder mit. Das ist die Erfahrung der Erziehenden im evangelischen Elisabeth-Ding-Kindergarten in Leimen. Andererseits gibt es Eltern, die Druck gegenüber ihren Kindern aufbauen, weil sie hohe Erwartungen haben und eigentlich nur das Beste wollen, so Robert Braun, Leiter der psychologischen Beratungsstelle des Kirchenbezirks Neckargemünd-Eberbach.

Ein neues Projekt soll dem vorbeugen, Eltern sensibilisieren und niedrigschwellig Rat und Hilfe anbieten. In Kooperation mit der psychologischen Beratungsstelle  Neckargemünd entstehen im Leimener Kindergarten Elterngruppen, Elternabende mit pädagogischen Vorträgen, ein offenes Elterncafe‘ und eine Elternakademie mit Vorträgen über Kinderängste, Trotz und Wut, Autonomie von Kindern, Medienerziehung. Auch die Erzieherinnen und Erzieher profitieren von der Anwesenheit psychologischer Fachkräfte in der ihrer Kita.

Die Elternakademie ist bisher einzig in Baden. Das neue Pilot-Projekt in Leimen wird finanziert von der evangelischen Landeskirche Baden, der evangelischen Kirchengemeinde Leimen und dem Kirchenbezirk Neckargemünd-Eberbach. Rund 65.000 Euro sind nötig für drei Jahre. Damit wird vor allem eine 25-Prozent-Stelle finanziert. Nach drei Jahren hoffen die Projektträger auf weitere Förderung seitens der öffentlichen Hand.

Wie notwendig das Projekt ist, zeigen Zahlen und Falten aus der psychologischen Arbeit. Braun: „Viele Eltern haben den Anspruch an sich selbst, perfekte Eltern zu sein. dabei kann es sein, dass sie aus dem Blick verlieren, was ihre Kinder wirklich brauchen. Wenn sie dann in unsere Beratungsstelle kommen, ist das Kind meistens schon in den Brunnen gefallen. An die 51 Prozent kommen in die Beratung wegen Belastungen der Familie durch Konflikte der Eltern oder innerhalb der Familie. 22 Prozent suchen Beratung, weil ihre Kinder Auffälligkeiten in der Entwicklung zeigen. 14 Prozent der ratsuchenden Eltern fühlen sich unsicher in der Erziehung ihrer Kinder.“

Laut Statistischem Landesamt hat die Erziehungsberatung in den letzten Jahren in Baden-Württemberg um acht Prozent zugenommen. Allein in der psychologischen Beratungsstelle Neckargemünd waren das 64 Prozent aller Beratungen. Psychologische Beratung direkt in einer Kita soll für Eltern die Hemmschwelle senken, sich zu informieren, sich Rat zu holen, sich mit anderen Eltern  auszutauschen, ohne Probleme und zeitaufwändige Umwege Hilfe zu bekommen.

„Mein Kind gibt Druck, den es empfindet, direkt an mich weiter“, so Kindergartenvater Manuel Stelzenmüller. Zum Beispiel wenn es um ein Geschenk für einen Kindergeburtstag geht. Und ich habe gehört, dass der Druck in der ersten Klasse dann noch zunimmt. Hier kann ich mir einfach Rat holen. Ohne Umwege über den Kinderarzt. Durch das neue Projekt wird es für mich leichter, kleine Probleme anzupacken.“

„Bei uns zuhause ist Sauberkeit zur Zeit ein großes Thema“, sagt Mutter Jessica De Konning. Deshalb würde ich aber nie in eine Erziehungsberatungsstelle gehen. Da muss ich extra hinfahren, Parkplatz suchen. Extraangebote machen Stress. Also geht man da nicht hin. Es bleibt das Gefühl es nicht allen gerecht werden zu können. Unsere Kita hier ist für mich ein vertrautes Umfeld. Hier kennt man sich. Hier kann ich den Mitarbeiter der psychologischen Beratungsstelle einfach mal fragen, was ich machen kann.“

„Wer sich hier Rat holt oder in einer Elterngruppe mitmacht, muss es niemandem sagen. Das ist für viele ganz wichtig“, so Kita-Leiterin Claudia Neinninger-Röth. „Vor Jahren hatten wir hier eine Mutter, die litt unter häuslicher Gewalt. Für sie wäre es eine große Hilfe gewesen, wenn wir das Projekt da schon gehabt hätten. Viele Eltern fühlen sich allein mit ihren Problemen. Für sie ist es wichtig, sich Rat holen zu können ohne gleich eine Therapie anfangen zu müssen.“

Robert Braun sieht ein langsames Umdenken bei den Ämtern und Behörden, dass Präventionsprojekte oft mehr bringen als Hilfeangebote, die nicht in Anspruch genommen werden. Braun: „Bisher ist die öffentliche Hand noch zurückhaltend, was die Finanzierung von Präventionsprojekten betrifft. Denn es sind keine messbaren Ergebnisse sichtbar. Deshalb ist es toll, dass unsere evangelische Landeskirche für dieses Projekt 50.000 Euro zur Verfügung gestellt hat.“

Der nächste Vortrag der Elternakademie in Leimen ist am 1. Februar. Thema: Mehrsprachigkeit in Familien.

Mehr Infos: www.ding-kiga.de

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