EU-Gemeinderat Ralf Frühwirt berichtete dem Gemeinderat über BELC-Netzwerk

(fwu – 1.7.24) Leimen ist als erste Kommune im Rhein-Neckar-Kreis im September 2022 dem Netzwerk der Europäischen Union beigetreten. Nach dem einstimmigen Beschluss des Gemeinderates zur Teilnahme an der Initiative „Europa fängt in der Gemeinde an“ wurde die Bewerbung angenommen und Ralf Frühwirt vom Gemeinderat als Repräsentant Leimens gewählt.

Im Rahmen der Gemeinderatssitzung vom 27. Juni 2024 gab er den nachfolgenden Rechenschaftsbericht über seine bisherigen Aktivitäten in dieser Funktion ab.


Rede von Ralf Frühwirt:


Leimens Europa-Gemeinderat Ralf Frühwirt

„Seit 2023 ist die Stadt Leimen Mitglied im Netzwerk Europa fängt in der Gemeinde an. Wir waren damit einer der Vorreiter in unserer Region und die erste Kommune im Rhein-Neckar Kreis. Damit haben wir unseren Titel „Europastadt“ bestätigt und ihm auch neuen Auftrieb verliehen.

Bevor ich auf meinen Rechenschaftsbericht eingehe, will ich noch ein paar Worte zum Netzwerk sagen. Building Europe with local councillors, wie es auf Englisch heißt, kurz BELC entstammt nicht den Hirnen irgendwelcher EU Bürokraten, sondern ist Ausfluss der Konferenz zur Zukunft von Europa. Diese Konferenz war keine Zusammenkunft von Länderchefs, mit Frau von der Leyen und ein paar Häuptlingen des EU Parlaments. Es war ein quasi basisdemokratischer Prozess, der zwischen März 2021 und Dezember 2022 in ganz Europa stattfand.

Der Prozess bestand aus unterschiedlichen Komponenten. Eine Digitalplattform, bei der sich über 50 000 aktive Nutzer*innen über 17000 selbst eingebrachte Ideen austauschten. Europäische Bürgerforen, bei denen 800 zufällig ausgewählte EU Bürger*innen sich an drei Wochenenden zum Austausch über die 10 Themengebiete (z.B.: starke Wirtschaft/soziale Gerechtigkeit, Migration,…) trafen. Nationale Bürgerforen, die dieselben Themen auf Länderebene diskutierten. Und eine Reihe von über 6000 Events in ganz Europa zu denen über 650 000 europäische Bürger*innen kamen.

Dass es überhaupt eine solche bisher weltweit einzigartige Konferenz gegeben hat, bei der die Bürger*innen eines gesamten Kontinents die Möglichkeit hatten über die Zukunft dieses Kontinents zu diskutieren, Ideen einzubringen und sich konkrete Maßnahmen zu überlegen zeigt an sich schon den überragenden Wert des europäischen Projekts.

Der Themenkomplex „europäische Demokratie“ war das Feld in dem die größte Zahl von Beiträgen kam. Das äußerste sich dann auch bei den Arbeitsgruppen, die sich in sieben Plenen trafen und am Ende der EU Kernbotschaften der Bürger*innen übergaben. Eine davon war: Die EU muss demokratischer und transparenter werden und die Bürger*innen müssen regelmäßig und ernsthaft eingebunden werden.

Am Ende des Prozesses kamen 49 Vorschläge mit vielen konkreten Maßnahmen heraus. Unter dem Vorschlag Nr. 36 „Bürger*innen Teilhabe“ findet sich unter anderem der Vorschlag ein System von Kommunalpolitikern zu schaffen, das die Distanz zwischen der EU und den EU Bürger*innen reduziert.

Das hat die Kommission mit dem BELC Netzwerk umgesetzt, dem mittlerweile schon über 1000 Kommunen angehören, und das weiter wächst. Ich hatte zu Beginn meiner Zeit als Europagemeinderat ein Interview mit dem leider von uns gegangenen Thomas Frenzel. Er war sehr interessiert, aber auch skeptisch. So fragte er mich, ob denn das BELC nicht – ich sage das in meinen Worten – ein Wahlkampfgag der Kommission sei, um die Gemeinderäte zu nutzen, um Stimmung für die Wahl zu machen. Ich antwortete ihm, dass ich das nicht hoffe und erwarte, aber es auch nicht ausschließen könne.

Jetzt sind wir nach der Wahl, und ich wünschte, ich könnte ihm noch ein Interview geben. Zumal ich gerade am Dienstag eine Einladung der Europe direkt Netzwerke für den Herbst bekommen habe. Dort sollen alle deutschen BELC Mitglieder sich über Erfahrungen, zukünftige Kommunikation und aktuelle Entwicklungen austauschen. Das klingt für mich nicht nach: „Vielen Dank für euren Einsatz und Tschüss.“ Sondern eher nach: „Wie geht es nach der ersten Phase weiter?“

Wie läuft es nun praktisch im Netzwerk ab? Die EU Gemeinderät*innen erhalten Zugang zu einer für sie aufgesetzten Digitalplattform. Diese hat unter anderem ein offenes Forum, in das jeder Events aus seiner Kommune, Fragen, Diskussionspunkte einbringen kann und sich auf diese Weise Kommunalpolitiker aus ganz Europa dauerhaft und jederzeit austauschen können. Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass die Aufgabenstellung auf unserem Kontinent für die Kommunen nicht sehr unterscheidet, dass es aber ganz unterschiedliche Herangehensweisen an Herausforderungen gibt.

In die Plattform werden aber auch ständig neue Informationen aus der EU in eine wachsende Bibliothek eingestellt, es gibt Best Practices aus den Kommunen und es gibt Hinweise auf Veranstaltungen und webinare.

Eine Veranstaltung war ein gemeinsames Treffen der deutschen EU Gemeinderäte in Brüssel, bei der wir nicht nur die EU Institutionen kennen lernen durften, sondern auch über viele aktuelle Themen, die sich die Gruppe vorher aussuchen durfte, informiert wurden. Die Digitalplattform und die webinare bieten auch die Möglichkeiten der Vernetzung. So wurde ich im letzten Jahr zur Woche der europäischen Regionen und Städte wiederum nach Brüssel eingeladen, um dort auf einem internationalen Plenum die Leimener Bürger Energie Genossenschaft vorzustellen. An dieser Stelle möchte ich gleich deutlich machen, dass keine dieser Reisen die Stadt irgend etwas gekostet hat. Die erste wurde von der EU bezahlt, die zweite war auch finanziell mein privates Vergnügen.

Hier in der Kommune hatte ich auch Gelegenheit zur Vernetzung beizutragen. In einem Gespräch mit Rektor Albrecht von der Realschule hat er Interesse geäußert, den Europatag an der Schule präsent werden zu lassen. Ich habe ihm darauf hin den Kontakt mit dem Europa Direkt Zentrum beim Regierungspräsidium Karlsruhe hergestellt, und ihn weiter in der Sache beraten.

Mit dem Europa Direkt Zentrum ist es mir weiterhin gelungen mit dem Jugendgemeinderat beim neueröffneten Basket 2.0 eine Veranstaltung zu Neu- und Jungwähler*innen zu organisieren, die sehr gut besucht war.

Weitere Kontakte bestehen zum Rhein-Neckar Kreis, wo Europa bei der Wirtschaftsförderung angesiedelt ist, und zumVerband Region Rhein-Neckar. Über diesen Kontakt wurde ich informiert, dass die Europawahlkampagne des Innenministeriums in unserer Region noch eine Kommune sucht. Dank meiner Vermittlung und der Arbeit von Michael Ullrich wurde Leimen ausgewählt, als eine von nur 12 Kommunen im Land.

Über viele dieser Aktionen habe ich in der Rathaus Rundschau, auf der Webseite der Stadt, bei Leimen-Lokal berichtet. Ich habe meine Texte auch immer an die anderen Fraktionen weiter geleitet, damit sie die Möglichkeit haben diese auch auf ihren Kanälen zu verbreiten. Schließlich wurde ich vom gesamten Gemeinderat als Vertreter gewählt.

Nachdem ich nun eingearbeitet bin und in der Europa-Szene vernetzt bin, kann man sich für die kommenden Jahre viele unterschiedliche Aktionen mit Partnern in Leimen vorstellen. So könnte man mit den Schulen und Vereinen Veranstaltungen zu den Erasmus Plus Programmen durchführen. Oder man kann über das BELC Netzwerk in einen engeren Kontakt zu unseren Partnerschaftskommunen kommen. Unsere portugiesische Partnerstadt Mafra ist schon Mitglied im Netzwerk. Vielleicht können wir Tigy und die ungarischen Kommunen auch anregen sich zu beteiligen. Durch die kurzen und auch sprachlich barrierefreien Kommunikationswege kann man sicher den Austausch verstärken und vertiefen.

Nach den Regeln von BELC endet meine Amtszeit mit der Amtszeit des jetzigen Gemeinderates. Da die Stadt aber weiterhin Mitglied im Netzwerk ist, muss der neue Gemeinderat einen neuen Vertreter oder eine Vertreterin bestimmen. Sie haben sicher schon mitbekommen, dass mir diese zusätzliche Aufgabe großen Spaß gemacht hat, und ich habe noch viele weitere Ideen, die man in den nächsten fünf Jahren umsetzen kann. Deshalb werde ich mich für diesen Posten zur Wiederwahl stellen. Aber ganz egal, wer Leimen im Netzwerk vertreten wird, wir sollten unsere Chance, Europa näher an die Bürger*innen zu bringen und wenn möglich auch die Leimener Stimme in Europa hören zu lassen nicht verpassen.“

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