Leserbrief: Richard Bader zu Schulreform und Gemeinschaftsschule
Als sich unsere Fraktion im Juli 2013 für eine Verschiebung der Antragsstellung zur Einrichtung einer Gemeinschaftsschule in Leimen-St.Ilgen ausgesprochen hat, haben wir das mit fehlenden Voraussetzungen und noch nicht vorhandenen verbindlichen Zusagen sachlicher und finanzieller Art begründet.
Außerdem war unser Informationsstand bezüglich Schulreform und im Zusammenhang damit des „Regionalen Schulentwicklungsplanes“ noch auf sehr niedrigem Stand. Die anzunehmenden Risiken – auch finanzieller Art – waren einfach zu hoch.
Mittlerweile hat die Informationswelle Fahrt aufgenommen. Auf einer Info-Veranstaltung im Rathaus von Walldorf konnte man sich über Inhalt des „Regionalen Schulentwicklungsplanes“ informieren. Eine Woche später war dann die Info-Veranstaltung der GALL. Jede der zwei Veranstaltungen war auf ihre Art aufschlussreich.
Die Haupt-/Werksrealschulen werden auf Grund der Elternpräferenzen immer weniger gefragt. Das Übergangsverhalten z.B. auf Werksrealschulen war in 2011 noch 23%, in 2014 werden es gerade noch 15% sein. Die demografische Entwicklung trägt das Ihre dazu bei. Aus dieser Erkenntnis heraus besteht sicherlich Handlungsbedarf. Die Richtung ist durch die Landesregierung vorgegeben und die Kommunen müssen das Beste daraus machen.
Das Schulamt zeigt über den „Regionalen Schulentwicklungsplan“ mögliche Kombinationen von Schularten –unter bestimmten Voraussetzungen – auf. Das Schulamt steckt dahingehend Rahmenbedingungen ab, indem es informiert, welche Schulen vor Ort – eben auf Grund der Elternpräferenzen und den daraus folgenden sinkenden Schülerzahlen- geschlossen werden müssen, bzw. gefährdet sind. Die letztendliche Entscheidung, mit welchen Schularten man sich zukünftig aufstellen will, bleibt den Kommunen überlassen.
Lt. Empfehlung des Schulamtes soll die „Regionale Schulentwicklung“ unter Beteiligung der Realschulen erfolgen. D.h., die Realschulen können als Gemeinschaftsschulen ausgebaut werden und den Hauptschulabschluss integrieren. In dem angestrebten 2-Säulen-System, wären in Leimen – als die 2.Säule – zwei Möglichkeiten gegeben:
1. Den Ausbau der bisherigen Werksrealschule St.Ilgen in eine Gemeinschaftsschule wie bisher angenommen (Kostenschätzung rd. 7 Mio.€)
2. Ausbau unserer Realschule zur Gemeinschaftsschule mit Integration des Hauptschulabschlusses (hier liegt noch keine Kostenschätzung vor)
Jeweils müssten Einrichtungen für Inklusion geschaffen werden!
Über beiden Möglichkeiten steht jedoch die regionale Betrachtung, will heißen, die Standortfrage sollte mit Nußloch, Sandhausen und Walldorf abgestimmt werden. Ich persönlich gehe davon aus, dass Walldorf eine eigene Lösung anstreben wird. Alles muss auch unter der Prämisse/Vorgabe gesehen werden, dass die Schulen im Raum so aufgestellt werden, dass den Schüler(innen) eine optimale Ausbildung gewährt wird.
Die pädagogische Ausrichtung der Gemeinschaftsschule strebt ganz neue Wege an. Ich nenne einige Schwerpunkte:
- Kinder sollen da abgeholt werden, wo sie leistungsmäßig stehen
- Dem unterschiedlichen Bildungs-/Leistungslevel der Schüler(innen) einer Klasse soll individuell begegnet werden
- Lernziele werden mit den einzelnen Schüler(innen) per Zielvereinbarung mit dem Lehrpersonal getroffen/festgelegt
- Starke Schüler(innen) stützen die schwächeren
- Die Erreichung der vereinbarten Lernziele werden ebenfalls im persönlichen Gespräch Zwischen Schüler(innen) und Lehrkraft gecheckt/besprochen
- Termine für schriftliche Tests können von den Schüler(innen) nach persönlichem Gefühl der Bereitschaft dazu angefordert werden
- Dies alles soll dem übergeordneten Ziel dienen -> Bildungschancen-Gleichheit für alle Kinder!
Ob sich dieses pädagogische Konzept in der Praxis so durchsetzen lässt, ob sich’s bewährt, bleibt abzuwarten. Die Intention der Chancengleichheit – aller Ehrenwert und verständlich – klingt theoretisch auch gut und man kann vordergründig auch nichts dagegen haben. Die Praxis kann uns dann aber was ganz anderes lehren, vor allem dann, wenn unterstützende und begleitende Maßnahmen von Seite der Landesregierung nur unzureichend vorhanden sind. Die Gemeinschaftsschule Bammental, in enger Nachbarschaft und Partnerschaft zum dortigen Gymnasium, wird ja immer als gut funktionierende Referenzschule dargestellt.
Jetzt wurde in der RNZ vom 01.03.2014 dem Ärger über die mangelnde Unterstützung der Gemeinschaftsschule durch die Landesregierung in einem „offenen Brief“ Luft gemacht. Daraus ist zu entnehmen:
„Aus den Erfahrungen vor Ort sehen wir als Gemeinderäte die Notwendigkeit, unsere Sorge um die Zukunft der Gemeinschaftsschule kritisch zu thematisieren“. (Dass ein Grüner Gemeinderat Mitinitiator dieser Klageschrift ist, lässt aufhorchen.) Die Kritik umfasst folgende Punkte:
- Mangelnde personelle Ausstattung – zusätzliche Lehrkräfte – mehr Vorbereitungszeiten werden gefordert
- Die Leistungsbewertung (von mir vorhin als Zielvereinbarung/Bewertung der Zielerreichungen angesprochen), soll übersichtlicher gestaltet werden, besonders für Eltern und spätere Ausbildungsbetriebe
- Bei den Bildungsplänen wird bemängelt, dass das freie Zeitfenster immer mehr zu Lasten handwerklicher Grundausbildung und praxisorientierter Unterrichtsmodule beansprucht wird
- Keine akzeptable Bedingungen im Bereich der Inklusion
Das Raumkonzept in Verbindung mit den Schulbauförderrichtlinien für Gemeinschaftsschulen wird angemahnt (Das Konzept liegt also immer noch nicht vor) um künftige finanzielle Belastungen für Kommunen vorauszusehen.
Diese kritischen Hilferufe decken sich mit den sorgevollen Hinterfragungen der anwesenden Lehrer(innen) in der GALL-Info-Veranstaltung! Dass die ganze Angelegenheit GMS noch auf unsicheren Beinen steht, kann auch aus der Aussage vom GALL-Landtagsabgeordneten Schmidt-Eisenlohr entnommen werden:
„Man muss abwarten, wie die Gemeinschaftsschule angenommen wird“
Oder aus der Aussage des anwesenden „Referenzlehrers“:
„Man sei ja in seiner Schule noch in der Umstellungsphase“
Die Wortmeldungen/Reaktionen von vielen Gemeinderäten(innen) auf der Info-Veranstaltung in Walldorf haben gezeigt, dass der Informationsstand über die Schulreform und Regionale Schulentwicklung allgemein auf sehr niedrigem Stand ist.
Das hat aber auch aufgezeigt, dass die Landesregierung – ohne die kommunalen Entscheidungsträger und Geldgeber – aber auch ohne die an vorderster Front stehenden Lehrpersonals mitzunehmen, weitgehenst plan-und konzeptlos und ohne Wissen bzw. Berücksichtigung von Auswirkungen – ideologisch nach vorne geprescht ist.
Wenn wir uns das alles vor Augen führen, war unsere abwartende Haltung im letzten Jahr nachvollziehbar und richtig. Richtig ist aber auch, dass die Weichen von der Landesregierung in Richtung Gemeinschaftsschule gestellt sind – der „No- Return-Point“ ist überschritten, ein Zurück gibt es nicht mehr!
Wir, die Kommunen müssen wachsam sein, die für uns günstigste Schulkombination wählen und zwar in Abstimmung mit den Nachbarkommunen. Letztendlich müssen wir uns um die Finanzierung kümmern – rd. 7 Mio.€ können im Raum stehen. Der Druck auf die Landesregierung bezüglich der Schulbau-Förderrichtlinien muss – wie es Bammental aufgezeigt hat – aufrechterhalten bzw. erhöht werden, um über die Bezuschussung der Ausbaumaßnahmen verbindlich Bescheid zu wissen.
Richard Bader – Stellvertr. Fraktionsvorsitzender u. finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion
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