Mit dem Diljemer Nachtwächter durch die Nacht: Haus im Aegidiusweg 1

(aw/hb – 30.8.22) Bei der nächsten Etappe führte uns der Nachtwächter, Jürgen Steinbächer, vor das im Aegidiusweg 1. Hier informierte uns Frau Angela Weisgerber über die damalige Schulsystem und das Lehrerdasein.

Nachtwächter, Jürgen Steinbächer

Da die Bezahlung der Lehrer sehr schlecht war, war es üblich, dass die Lehrer im Schulhaus wohnten. Hier in St.Ilgen  gab es ab Anfang des 19. Jahrhundert ein Lehrerhaus. Wir stehen hier davor!  Es wohnten um den 2. Weltkrieg Lehrer Wenk und Lehrer Schneider. Lehrer Schneider – übrigens ein echter Sandhäuser – bewohnte das Erdgeschoss und Lehrer Wenk den 2. Stock.

Lehrer Schneider hatte einen großen Garten hinter dem Haus. Man muss sich vorstellen, dass es hier früher keine Straße und keine weiteren Häuser gab. Auf dem Gartengrundstück von Lehrer Schneider gab es auch einen Hühner- und Schweinestall. Denn auch die Lehrer bewirtschafteten ihre Ländereien, da sie – wie erwähnt – schlecht bezahlt waren. Am Ende dieses Gartens stand eine Scheune. Durch diese Scheune gelangte Lehrer Wenk in seinen Garten. Beide Lehrer waren verheiratet und hatten je ein Kind.

Schule fand schräg gegenüber im  heutigen Bürgeramt statt. Der Eingang des damaligen Rathauses  befand sich – wie heute auch – auf der rechten Seite. Auf der linken Seite gab es einen Eingang für die Schule. Der heutige Willi-Laub-Platz war Schulhof. Auf der rechten Seite ein Streifen, wo die Mädchen ihre Pause machten und auf der linken Seite ein Streifen für die Jungs.

Hinter dem ehemaligen Rat- und Schulhaus war ein Gebäude, in dem die Toiletten untergebracht waren. Die Jungen liefen vom Schulhof aus geradewegs zu ihrer Toilette. Die Mädchen mussten einmal um das Gebäude herumgehen, um zur Toilette zu gelangen. Der Unterricht fand jahrgangsübergreifend statt. Manchmal waren es 2, manchmal auch drei Klassenstufen. Die Kinder saßen an Tischen, die nach Klassenstufen gestellt waren.

Schönschrift und Betragen waren wichtige Fächer. Erst ab der allgemeinen Schulpflicht gab es auch regelmäßig Zeugnisse. Vorher wurden sie oft erst auf Anfrage ausgestellt. Die Note 6 „ungenügend“ wurde 1938 eingeführt.

Damals galten die Prinzipien Disziplin, Respekt und Ordnung. Kinder sollten von ihren Lehrern zu Disziplin, Gehorsam, Fleiß und Ordnung erzogen werden. Der Leitspruch vieler Schulen lautete: “Gerade sitzen, Ohren spitzen, Hände falten, Schnabel halten!” (aus: Das ist Kindersache).

Wer dagegen verstieß, musste mit einer körperlichen Züchtigung rechnen. Dabei hatten es die Jungen schwerer als die Mädchen. Die Prügelstrafe hielt sich noch recht lange. Erst in den 1960ern wurde sie offiziell aus den Schulen verbannt. In Bayern sogar erst 1983. Und auch hier in St. Ilgen disziplinierten die Lehrer – und übrigens auch die Pfarrer – regelmäßig mit dem Stock.

So erzählte Frau Weißbrod, dass sie mit einer Gruppe von Mitschülern und Schülerinnen etwas angestellt hatte. Die Jungen wie die Mädchen bekamen als Strafe Hiebe mit dem Stock. Frau Weißbrod allerdings blieb verschont. Ihre Vermutung war: Sie war mit der Tochter von Lehrer Wenk befreundet und Frau Wenk mochte sie gerne. Als sie nachmittags dort zu Besuch ging, traute sie sich nicht so richtig. Sie wusste nicht, was auf sie zukommen würde.

Frau Wenk begrüßte sie wie immer herzlich. Lehrer Wenk erschien und meinte: Die hätte heute auch Schläge verdient. Worauf seine Frau erwiderte: Die lässt du mir in Ruhe! Und warum haben die Eltern sich nicht beschwert? Lehrer waren Respektpersonen. Und auch zuhause gab es körperliche Züchtigung. Die Kinder, die heimkamen und sich beschwerten, liefen Gefahr, dass sie für ihr vermeintliches Fehlverhalten gleich nochmal Schläge bekamen.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde „gelernt und gelehrt“ mit Ach und Krach. Es gab weniger Stress in der Schule und viele ältere denken an eine Kindheit mit weniger Schulstress und nachmittags spielen auf der Straße zurück. Bereits 1950 besuchten 300 Schülerinnen und Schüler die Volksschule in Dilje, die im 1901/02 errichteten Schul- und Rathaus (heute Bürgeramt) und in einem Nebenzimmer der Gastwirtschaft „Zum kühlen Grund“ untergebracht waren.

Wir danken Frau Angela Weisgerber  sehr herzlich für die informativen Rückblicke aus dem  Schulwesen in St. Ilgen!

A. Weisgerber / H. Bender

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