Sitzung Sandhäuser Gemeinderat vom 29. Mai – Bgm. Kletti zum Flüchtlingsthema

Nachstehend die Stellungnahme von Bürgermeister Kletti zur Errichtung von Unterkünften für Flüchtlinge:

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Bei diesem Tagesordnungspunkt ist mir selbstverständlich bewusst, dass die Thematik – wie überall im Land – bei der Einwohnerschaft auf sehr unterschiedliche Resonanz stößt – von einer fast euphorischen Willkommenskultur bis zu einer grundlegenden Ablehnung. Deshalb ist es meine Bitte, dass bei dieser schwierigen Aufgabe, im Gemeinderat und vor allen Dingen in der Einwohnerschaft fair miteinander umgegangen wird.

Gesetzliche Vorgabe zur Unterbringung:

Durch das Gesetz über die Aufnahme von Flüchtlingen ist die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen in drei Stufen aufgeteilt: Die Erstaufnahme, die vorläufige Unterbringung und die Anschlussunterbringung.

Während der Erstaufnahme erfolgt die Unterbringung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe zentral in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Bsp: Patrick Henry Village). Anschließend teilt das Regierungspräsidium Karlsruhe die untergebrachten Personen den Land- und Stadtkreisen zur vorläufigen Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zu (Bsp. Gemeinschaftsunterkunft der RNK in Wiesloch). Nach der vorläufigen Unterbringung durch den Landkreis werden die unterzubringenden Personen den kreisangehörigen Gemeinden im Rahmen der Anschlussunterbringung zugewiesen und müssen damit von den Gemeinden untergebracht werden. Dies bedeutet, dass die Gemeinde als „letztes Glied der Kette“ gesetzlich verpflichtet ist, Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, soweit dies zur Vermeidung der Obdachlosigkeit erforderlich ist. Dies bedeutet im Endeffekt, dass die Gemeinde solange für die Unterbringung der zugewiesenen Personen zuständig bleibt, bis diese auf dem freien Wohnungsmarkt eine Unterkunft gefunden haben oder Deutschland verlassen.

Derzeitige Situation in Sandhausen:

Insgesamt wurden 70 Flüchtlinge in 2016 in Sandhausen aufgenommen und in verschiedenen Immobilien untergebracht. Die Unterbringung erfolgte teilweise dezentral, aber auch zentralisiert in der neu geschaffenen Containeranlage zwischen der L598-Querspange und dem Bauhof.

Die Gemeinde Sandhausen erwartet eine weitere Zuweisung von Flüchtlingen auf hohem Niveau. Wir sind somit verpflichtet, ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Das Landratsamt geht derzeit von einer Zuweisung von zusätzlichen 170 Personen in den Jahren 2017 und 2018 an die Gemeinde Sandhausen aus, und einer noch nicht bekannten Anzahl in den Folgejahren.

Weiteres Vorgehen:

Die Unterbringung von weiteren Flüchtlingen in bestehende Immobilien privater Vermieter bzw. der Gemeindeverwaltung ist bei dieser Anzahl von Menschen derzeit nicht mehr möglich, weshalb dringend Unterkünfte neu geschaffen werden müssen. Als weiterer Schritt ist die Schaffung von Wohnraum auf dem gemeindeeigenen Gelände zwischen Bauhof und den Kleingärten in der Gottlieb-Daimler-Straße für bis zu 130 Personen vorgesehen. Die Planungen hierzu wird uns Ortbaumeister Schirok im Anschluss meiner Stellungnahme vorstellen.

Persönliche Worte des Bürgermeisters:

Zunächst aber noch ein paar persönliche Worte, die ich im Rahmen meiner Haushaltsrede bereits erwähnt habe, und die ich auch ungeschminkt und ungefiltert in der vergangenen Woche im Berliner Bundeskanzleramt in einem persönlichen Gespräch mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier, gemeinsam mit der Kreistagsfraktion, der ich angehöre, kommunizieren durfte:

Trotz gutem Willen sind die Kapazitäten für Wohnraum, Versorgung und Integration von Flüchtlingen in den Kommunen begrenzt. Eine dezentrale Anschlussunterbringung in den Kommunen, so auch in Sandhausen, wird bei dieser Menge der Ankommenden immer schwieriger bzw. wird nicht mehr möglich sein. Entweder es bleibt bei weiteren Zuweisungen in hoher Anzahl, dann werden wir die meisten Flüchtlinge nur noch in Flüchtlingssiedlungen beherbergen, aber nicht mehr in die Gesellschaft integrieren können.

Oder aber, man entscheidet sich gegen ein solches Vorgehen. Dann muss man in Deutschland eine Obergrenze einführen und darauf achten, dass sie auch eingehalten wird, so wie es viele andere europäischen Länder bereits tun.

Das ist auch im Interesse der Ankommenden. Viele kommen nicht mehr aus Angst um ihr Leben, sondern auf der Suche nach einem besseren Leben. Hoffnungen zu wecken, die dann nicht erfüllt werden können, wäre ein Desaster. Außerdem birgt das sozialen Sprengstoff. Vor diesem Hintergrund dürfen die Politiker auf Bundes- und Landesebene nicht vergessen, von wem sie gewählt wurden und welche Interessen sie in erster Linie zu vertreten haben.“


Sitzung Sandhäuser Gemeinderat vom 29. Mai

– Errichtung von weiteren Flüchtlingsunterkünften in der Gottlieb-Daimler-Straße –
– Wahlhelferentschädigung für die Bundestagswahl am 24. September 2017 –
– Auftragsvergabe Straßenunterhaltungsarbeiten –

Die Unterbringung von weiteren Flüchtlingen in bestehende Immobilien privater Vermieter bzw. der Gemeindeverwaltung ist bei dieser Anzahl von Menschen derzeit nicht mehr möglich, weshalb dringend Unterkünfte neu geschaffen werden müssen.“, erklärte Bürgermeister Kletti eindringlich in seiner Stellungnahme (s.u.). Um möglichst schnell auf die zu erwartenden Flüchtlinge reagieren zu können, wird die Gemeinde zwischen Bauhof und Kleingartengelände neue Flüchtlingsunterkünfte errichten. Insgesamt rechnet man für 2017 und 2018 mit ca. 170 weiteren Flüchtlingen.

Da aktuell noch nicht abzusehen sei, wie sich die Situation weiterentwickeln wird, entschied man im Gemeinderat auf Vorschlag der Verwaltung auf dem gemeindeeigenen Gelände in der Gottlieb-Daimler-Straße zunächst zwei 3-geschossige Gebäude in Holzbauweise zu erstellen. Ein 3. Gebäude in 2-geschossiger Bauweise entlang der Kleingartenanlage ist als vorläufige Reserve vorgesehen. Durch die Modulbauweise sei eine hohe Variabilität der Wohneinheiten möglich.

Die hierzu erforderlichen Baugenehmigungen sollen vorab für alle Gebäude beantragt, jedoch nur im Bedarfsfall für das 3. Gebäude in Anspruch genommen werden.

Für die Umsetzung der Maßnahme stehen 800.000 € im Haushalt 2017 zur Verfügung, wodurch ein Nachfinanzierungsbedarf von rund 2.500.000 € im Haushalt 2018 entsteht. Insgesamt sei die Hürde für Zuschläge zum Bau von Flüchtlingsunterkünften jedoch erhöht worden, seit das alte Förderprogramm abgeschafft wurde und man fühlte sich vom Land allein gelassen, bemängelte Bürgermeister Kletti. Würde man nach den neuen Zuschusskriterien bauen, würden sich die Baukosten verdoppeln, deshalb verzichte man bewusst auf eine zuschussbedingte Bauweise, weil es untern Strich dann wirtschaftlicher für die Gemeinde sei, fügte der Bürgermeister hinzu. Ins gleiche Horn blies Gemeinderätin Eichler, die ebenfalls die Verschärfung der Zuschusskriterien kritisierte. Als nahezu „grotesk“ bezeichnete Gemeinderat Scheid, dass das Stellen eines Förderantrages erschwert würde. Dank sprachen beide Gemeinderäte dem ökumenischen Helferkreis sowie den Anwohnern für ihr Entgegenkommen aus.

Man könne es drehen und wenden wie man wolle, aber der Konflikt, der die Menschen zur Flucht treibe, sei 100 Jahre alt, gab Gemeinderat Klinger zu bedenken. Daher müsse man menschenwürdige Verhältnisse schaffen. Gemeinderat Hettinger fügte hinzu, dass man das Thema nicht loskoppeln und durch eine Obergrenze lösen könne, da kein Flüchtling für seine Situation verantwortlich sei. Er forderte daher das Thema direkt anzugehen. Gemeinderat Albrecht zeigte seinerseits Unverständnis, dass man in Sandhausen Geld in Neubauten investiere, während in Heidelberg bestehende Flüchtlingsunterkünfte abgerissen und der Untergrund als Bauland verkauft würde.

Einigkeit bewies man dennoch in der nachfolgenden Abstimmung. Einstimmig sprach sich der Gemeinderat für den Bau der Anschlussunterkünfte auf dem gemeindeeigenen Terrain in der beschriebenen Bauweise in der Gottlieb-Daimler Straße aus. In diesem Sinne ermächtigte man die Verwaltung eine Ausschreibung für die Gebäude 1 und 2 vorzunehmen und die notwendigen Mittel bereitzustellen.

Mit Schreiben des Regierungspräsidiums vom 07. April 2017 hatte der Waldkindergarten einen Zuschuss in Höhe von 20.000 € aus dem Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung“ des Bundes erhalten. Dies gab Bürgermeister Kletti bekannt.

Aufgrund der am 24. September 2017 stattfindenden Wahl des 19. Deutschen Bundestages beschäftigte man sich im Gemeinderat als nächstes mit der Festlegung der Walhelferentschädigung.

Die Bundeswahlordnung sieht vor, dass den Mitgliedern der Wahlvorstände für den Wahltag ein Erfrischungsgeld von je 35,00 Euro für den Vorsitzenden und je 25,00 Euro für die übrigen Mitglieder gewährt werden kann.

Da es um „die Stärkung des Ehrenamtes“ ginge, stimmte Gemeinderat Schulze, ebenso wie seine Ratskolleginnen und -kollegen für eine einheitliche Wahlhelferentschädigung von 35,00 Euro für sämtliche Mitglieder der Wahlvorstände.

Bei der Auftragsvergabe der Straßenunterhaltungsarbeiten 2017-2019 entschied sich der Gemeinderat für die Firma Walter Sailer Bauunternehmen GmbH aus Sandhausen.

Aus Sicht Gemeinderat Albrechts sowie Gemeinderätin Maaßbergs, böte ein ortsansässiges Unternehmen den Vorteil, dass Arbeitsplätze erhalten blieben und Steuergelder in die Gemeinde zurückflössen.

Dennoch sei der Auftrag der Firma Sailer nur deshalb zugesprochen worden, betonte Bürgermeister Kletti, da diese das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte.

Der Auftrag wurde zum Aufgebot von 49,50 % vergeben und beinhaltet kleinere Reparaturen im gesamten Straßennetz der Gemeinde ebenso wie Tiefbau- und Straßenbauarbeiten, die im Zusammenhang mit der Unterhaltung des Trinkwasserleitungs- und Kanalnetzes stehen. Der Vertrag ist auf 2 Jahre festgelegt und kann optional um ein weiteres Jahr verlängert werden. Insgesamt stehen für die Ortsnetz-, Kanal- und Straßenarbeiten 659.000 € zur Verfügung.

Ob der neue Ausschreibungsmodus mittels Auf- und Abgebotsverfahren Auswirkungen auf das Budget bzw. Preissteigerungen habe und wie die Ausschreibung generell zustande komme, interessierten Gemeinderat Diem sowie Gemeinderat Hettinger.

Bisher habe das Ortsbauamt ermittelt, welcher Bieter die von der Gemeinde aufgestellten Kriterien erfüllt, erklärte Ortsbaumeister Schirok. Beim neuen Verfahren schreibe man im Leistungsverzeichnis keine Massen mehr aus, sondern beziehe sich grundsätzlich auf die Menge 1. Die Einheitspreise werden dabei von der Ausschreibungsstelle auf Grundlage von Fachliteratur, Kostenschätzungen oder Einheitspreisen alter Ausschreibungen vorgegeben. Preissteigerungen seien durch die Umstellung bisher nicht zu verbuchen. Mal sei es teurer und manchmal günstiger. Die Gesamtsumme der Unterhaltungsarbeiten bliebe dennoch transparent, damit der Unternehmer wisse, wie er zu kalkulieren habe.

Unter dem Tagesordnungspunkt Annahme von Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen durch die Gemeinde stimmte der Gemeinderat der Annahme von Spenden in Höhe von insgesamt 534,40 € zu.

In der Fragestunde der Bürgerinnen und Bürger regte man an

– Briefe von Behörden und anderen Institutionen an Flüchtlinge künftig in deren Landessprache zu verfassen.
Nach Auffassung der Verwaltung und auch anderer Behörden liege das Problem jedoch darin begründet, dass man nicht auf eine solche Sprachenvielfalt reagieren könne. Freiwillige Hilfe außerhalb der Verwaltung sei daher stets willkommen und nötig.

 

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