Vor 102 Jahren wurde Alexander Kann Ehrenbürger von Sandhausen

Es waren schwere Jahre und die Winter waren bitterkalt, in der Zeit des ersten Weltkrieges. Während der harten Kriegsjahre von 1914-18, in denen Lebensmittel rationiert und Brennmaterial knapp waren, versorgte der Essener Bankier Alexander Kann gemeinsam mit dem Fabrikanten Brandenburg und dem Vorsitzenden der Kohlenhandelsgesellschaft Borchardt aus Duisburg 1917 die Bevölkerung von Sandhausen mit mehr als 100 Kohlenwaggons lebenswichtigen Brennmaterials.

In dieser schweren Zeit erinnerte sich der jüdische Bürger von Sandhausen, Samuel Marx an seinen Freund aus vergangenen Tagen, Alexander Kann. Dieser hatte gute Beziehungen zu Kohlezechen im Ruhrgebiet und brachte es so fertig, dass in kurzer Zeit 100 Waggons mit Kohle nach Sandhausen geliefert wurden. Entscheidenden Anteil an dieser Aktion hatten der Vorsitzende der Kohlenhandelsgesellschaft Niederrhein in Duisburg, Josef Borchardt und der Inhaber der Zeche Diergardt bei Oberhausen, Fabrikant Brandenburg.

Diese Aktion blieb natürlich in anderen Orten nicht unbemerkt. Die Nachbargemeinden, die diesen Kohlesegen mit Argusaugen sahen, beneideten Sandhausen. Bürgermeister Franz Hambrecht wurde ins Bezirksamt bestellt und musste dort über den so plötzlichen Kohlebezug berichten. Diese Kohle-Aktion milderte in den Jahren 1917 und 1918 große Not in Sandhausen.

Diese Geste vergaß man Alexander Kann nicht.

Jeder, der einmal im Bereich der Sitzungssäle im Rathaus stand, hat das Bild des Ehrenbürgers Alexander Kann und die Ernennungsurkunde gesehen. „Ihren unvergesslichen Wohltäter in schwerer Zeit, Herrn Alexander Kann aus Essen, ernennt zum Ehrenbürger aus Dankbarkeit die Gemeinde Sandhausen am 1. September 1918″. So steht es auf der Ehrenbürgerurkunde geschrieben. –

Eine Auszeichnung, die ausschließlich Persönlichkeiten zu Teil wird, die sich in herausragender Weise um das Wohl der Bürger hervortun.

Wer war Alexander Kann?

 

Am 21. Dezember 1865 in Oberzell geboren verzogen seine Eltern nach Rothenburg ob der Tauber. Das Haus der Familie Kann in der Klingengasse in Rothenburg steht heute noch.

Um 1885 wirkte Alexander Kann als Lehrer in Sandhausen. In dieser Zeit freundete er sich mit dem jüdischen Mitbürger Samuel Marx an.

1892 heiratete er Mirjam Reiß aus Eubigheim (bei Tauberbischofsheim gelegen). Sie hatten drei Kinder: Herbert, Wilhelm und Martha.

Die Eheleute verzogen nach Bochum, später nach Essen, wo Alexander Kann als Direktor der Rheinisch-Westfälischen Bank für Grundbesitz tätig war. Kann brachte es zu beachtlichem Wohlstand, so dass er 1918 das „Bankgeschäft Alexander Kann“ in Essen gründen konnte und er dessen alleiniger Inhaber war.

Beruflich war er, wie viele andere in diesem Gewerbe, eine schillernde Figur. Doch haftet ihm etwas Tragisches an. Dies lag nicht nur an ihm sondern auch an seinen Söhnen, die für das Bankgeschäft ihres Vaters tätig waren.

In der Wirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre ging es der Bank nicht gut. Teilweise war die Bank in dubiose Bankgeschäfte verstrickt Der Vater, der dafür seinen Namen hergab und als Person und 

Firmenchef dafür einstehen musste, war allerdings nicht nur wissend, sondern schwamm im Strudel aktiv mit, der die Familie und das Bankhaus nach unten wirbelte. Doch er war sicher nicht die treibende Kraft in dieser tragischen Familien- und Bankengeschichte, die über das Jahr 1933 andauerte. Gerade dieser Umstand verlieh dieser durch Betrug verursachten Bankinsolvenz eine politisch-propagandistische Dramatik, die scharf in das Geschehen und das Leben der Bankiersfamilie eingriff. Denn die Familie war jüdisch.

Alexander Kann emigrierte nach Paris, während die Justiz ihm und seinem Sohn Herbert in Deutschland ab 1932 bis 1936 den Prozess zu machen versuchte. Dabei verlor Alexander Kann sein gesamtes Vermögen – teils für die Wiedergutmachung des Schadens teils durch Beschlagnahme der zu erwartenden Strafe. Der Millionär Alexander Kann wurde zum völlig mittellosen Wohlfahrtsempfänger.

Zum verlorenen Besitz gehörten alle Häuser, zwei Landgüter in der Mark Brandenburg sowie das in 689 Positionen erfasste und in Kisten verstaute Wohnungsinventar mit Bildern und Bestecken, Teppichen und Textilien, Schmuck und Schuhen, die in der Spedition Eupen lagerten und eigentlich nach Paris verschickt werden sollten.

Vater Alexander Kann und die beiden Söhne waren im deutschen Fahndungsbuch wegen Betruges, Untreue, Devisenverbrechens u. a. zur Festnahme steckbrieflich ausgeschrieben. Kann wurde von der französischen Polizei vorübergehend festgenommen. Dazu schrieb die „Frankfurter Zeitung“ am 27. August 1934:

„Die Pariser Polizei verhaftete am Montag auf Veranlassung der deutschen Gerichtsbehörden einen ehemaligen Bankier aus Essen, Alexander Kann, der in Deutschland Unterschlagungen begangen hat. Er wird den deutschen Behörden ausgeliefert werden.“

Alexander Kann wurde nicht ausgeliefert, sondern wieder freigelassen.

Im Jahre 1938 entzog das Deutsche Reich Alexander Kann die deutsche Staatsbürgerschaft.

Als Deutschland 1940 Frankreich besetzte, interessierten sich die Polizeibehörden wieder für die Familie Kann und das noch offene Strafverfahren in Essen. Die Kanns wurden vom deutschen Sicherheitsdienst in das Internierungslager Drancy gebracht.

Alexander Kann, seine Ehefrau Mina, die Tochter Martha und Sohn Herbert kamen am 6. November 1942 vom Internierungs-lager Drancy nach Auschwitz, wo Alexander Kann und Herbert Kann ermordet wurden. Mirjam Kann und die Tochter Martha überlebten. Die Mutter starb nach ihrer Rückkehr in Frankreich, die Tochter wanderte nach Cleveland/Ohio (USA) aus.

1953 meldete sich aus Paris (Wilhelm) Guy Kann, der seinen Familiennamen wieder in Kahn (Cahn) änderte, wie die Familie Kann ihn 100 Jahre früher führte. Guy Kahn, der während des Krieges in der Schweiz lebte, war in Paris als Patentanwalt tätig. Er stellte auch im Namen und mit Vollmacht seiner Schwester Martha Kann aus Cleveland/Ohio den Antrag auf Wiedergutmachung der vom Deutschen Reich entzogenen Vermögenswerte wie Wohnungseinrichtung und Rückerstattung einer Lebensversicherung. Die Wiedergutmachungskammer beim Landgericht in Essen wies am 5. März 1955 den Antrag mit Urteil als unbegründet zurück, da die Erbfolge nicht nachgewiesen werden konnte.

Wilfried Hager

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