Studienfahrt: Orte, die zum Nachdenken anregen – Erlebnisbericht einer Teilnehmerin

(von Ornela Shahini – 14.5.19) Die politisch-historischen Studienfahrten der Otto-Graf-Realschule Leimen in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. haben sich zu einem lebendigen Lern- und Erfahrungsraum für die RealschülerInnen, einem „Außen-Klassenzimmer“ in Niederbronn-les-Bains, entwickelt.

Welche Vorteile und Eindrücke bietet eine Studienfahrt ins Elsass? Für die „Daheimgebliebenen“ liefert die Perspektive einer TeilnehmerIn spannende Einblicke. Kommen Sie doch einfach kurz mit auf die Fahrt vom 08.-10.04.:

Tag 1

„Unser Verstand ist so gemacht, dass er sich neue Informationen besser merken kann, sobald er auch Bilder vor Augen hat und alles, was mit einem bestimmten Thema zu tun hat, um sich herum, greifbar, sichtbar, begehbar hat. Das kann ich an einem guten Beispiel fest machen, als wir mit unserer Klasse 9a eine historisch-politische Fahrt ins Elsass gemacht haben.

An Tag 1 haben wir das historische Museum „Memorial-Alsace-Moselle“ in Schirmeck besucht. Dort haben wir nicht nur viel über die wechselvolle Geschichte der Region gehört, sondern mit allen Sinnen erfahren. Als wir in die entsprechenden Räume gegangen sind, haben sie einen sofort fühlen lassen, als ob man sich wirklich in der jeweiligen Zeit befindet.

Das war richtig spannend, wie real es sich in dem Moment angefühlt hat. Jeder war in der Lage, sich in diese Zeit hinein zu versetzten und alle waren von einer Sekunde auf die andere direkt „vom Hocker“ gehauen. Im Vergleich zum alltäglichen Unterricht gab es etwas, was einen viel mehr mitgerissen und interessiert hat als der normale Schulalltag.

Am gleichen Tag besuchten wir noch das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof. Man muss sich das erst mal vorstellen, dass man auf dem Boden gelaufen ist, auf dem Menschen so gelitten haben. Die Gaskammer war ein schrecklicher Ort. Das jüngste Mädchen war 15 Jahre alt, das durch Gas getötet wurde.

Ich persönlich habe mir darüber Gedanken gemacht, wenn so etwas mit mir passieren und wie ich mich dabei fühlen würde. Man will sich das Ganze einfach gar nicht vorstellen, wenn das wirklich so mit einem selbst passiert wäre. Ein Tag voller intensiver Gefühle, die jeden übermannten und zum Nachdenken brachten. Im Bus war es stiller als sonst, abends gingen die Gespräche aber dafür lange.

Tag 2

An Tag 2 unserer historisch-politischen Studienfahrt sind wir in das Straßburger Europaviertel gefahren, um dort eine Schnitzeljagd rund um das Thema Europa durchzuführen. Wir durften in Kleingruppen auf Entdeckungstour gehen. Unser Weg führte vom Informationszentrum für Europäische Institutionen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dem Europäischen Parlament, ARTE (Deutsch-Französischer Sender) zum Europarat und zurück.

Im Informationszentrum der europäischen Institutionen bot sich uns die Möglichkeit, unser Wissen mit einer Fachfrau des Hauses zu diskutieren. Danach besuchten wir das Europäische Parlament. Der größte Raum, der Plenarsaal, war auch gleichzeitig der wichtigste Raum im ganzen Gebäude. Und zwar der Raum, in dem politische Entscheidungen getroffen werden, die alle Länder und Bürger in der EU betreffen. Diesen Raum hat man vorher nur im Fernsehen gesehen und diesmal hatten wir die Möglichkeit bekommen, ihn real zu sehen und zu begehen. Das war ein unglaubliches Gefühl und vor allem eine Chance, die man nicht jeden Tag bekommt.

Tag 3

Am dritten Tag haben wir uns mit Einzelschicksalen und letzten Briefen von Widerstandskämpfern während des Nationalsozialismus beschäftigt. Mir ist dabei aufgefallen, dass die Widerstandskämpfer keine Angst gezeigt, sondern ihren ganzen Mut aufgebracht haben. Das hat mich wirklich sehr berührt, als ich das gelesen habe. Zuletzt sind wir zu einem Schlachtfeld des Deutsch-Französischen Krieges nach Wörth gefahren, um dort eine Fotorallye zu machen. Dazu sollten wir aus verschiedenen Perspektiven Fotos von verschiedenen Denkmälern machen, die an den Deutsch-Französischen Krieg erinnerten und die Denkmäler somit zum Sprechen bringen.

Was habe ich mitgenommen?

Wer nur schnell mal ein Thema auswendig lernt, vergisst das Gelernte auch schnell wieder. Aber sobald man etwas wirklich begeht und versteht und sich dafür interessiert, vergisst man es nicht so schnell. Wenn man wichtige Orte der Geschichte selbst besucht und mit allen Sinnen erfährt, weiß man auch viele Jahre später sicher noch, was man dort vor Ort erfahren und gespürt, gehört und mitgenommen hat.

Die Exkursionen außerhalb des Unterrichts helfen auf jeden Fall dabei, sich besser mit den Themen auseinander zu setzen. Die außerschulischen Lernorte haben eine weiteren riesen Vorteil. Die Stimmung, in die man versetzt wird, lässt einen darüber ernsthaft nachdenken, was man tun kann, dass sich so schreckliche Dinge nicht erneut wiederholen!

Ein wichtiger Punkt ist, dass sich Jugendliche in unserem Alter mehr mit der Politik und unserer Gesellschaft beschäftigen sollten und es ihnen auch im Klaren sein sollte, dass es nicht immer so war, wie es heute ist und dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir so leben dürfen.“

Die hier geschilderten Erfahrungen wären ohne die vertrauensvolle, gewinnbringende Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und den Fachleuten der Jugendbegegnungsstätte in Niederbronn-les-Bains nicht möglich.

Großer Dank gilt auch der Stiftung „Gedenken und Frieden“, deren großzügige finanzielle Unterstützung die Reisen mit möglich macht. Auch der Servicestelle Friedensbildung Baden-Württemberg gebührt der Dank der Leimener Klassen.

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