Kommunaler Behinderten-Beauftragter: Serie Teil 1 – Blindheit und Sehbehinderungen

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(rnk – 13.4.22) Blindheit und Sehbehinderung können schon von Geburt an oder auch in frühester Kindheit auftreten. Doch die meisten Sehbeeinträchtigungen werden durch altersspezifische Augenerkrankungen verursacht. Am weitesten verbreitet ist die Altersabhängige Makula-Degeneration gefolgt von Grünem Star (Glaukom) und Diabetischer Retinopathie. Gerade diese altersbedingten Sehbeeinträchtigungen nehmen stark zu. Es kann also jede Person erblinden oder zumindest sehbehindert werden. Ein Grund, sich näher mit diesem Thema auseinander zu setzen.

Wann ist ein Mensch blind oder sehbehindert? Wie viele Menschen sind betroffen?

In Deutschland gilt ein Mensch rechtlich als sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit einer Brille oder Kontaktlinsen eine Sehschärfe von höchstens 0,3 (30 %) hat. Liegt die Sehschärfe nach Korrektur bei maximal 0,05 (5 %), gilt er als hochgradig sehbehindert. Ab einer Sehschärfe von maximal 0,02 (2 %) oder einer höheren Sehschärfe mit erheblichen zusätzlichen Gesichtsfeldeinschränkungen gilt man im Sinne des Gesetzes als blind.

Ein Sehverlust, unabhängig ob schleichend oder von heute auf morgen, wirkt sich beispielweise auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, das Arbeitsleben, den Bildungsweg und das Freizeitverhalten aus. Es kommt oft zu einer Reduktion der sozialen Integration, Depressionen und einem niedrigeren sozioökonomischen Status. Daraus resultiert in vielen Fällen leider auch ein Verlust an Lebensqualität.  Um diese Nachteile zumindest etwas auszugleichen, haben blinde Menschen einkommensunabhängig Anspruch auf die Landesblindenhilfe in Form von Blindengeld.

Statistisch belastbares Zahlenmaterial zu Augenerkrankungen gibt es kaum. Schätzungen gehen von etwa 1,2 Millionen blinden und sehbehinderten Menschen in Deutschland aus. Wenn man die Messlatte etwas höher legt und noch diejenigen Menschen dazu nimmt, die zwar über den gesetzlich festgelegten Grenzen liegen aber trotzdem Schwierigkeiten mit dem Sehen haben, sind nach Aussage der Augenärzte alleine von der Altersabhängigen Makula-Degeneration (AMD) mehr als 4 Millionen Menschen in Deutschland betroffen.

Eine zentrale Voraussetzung für jegliche gesellschaftliche und berufliche Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen ist die Schaffung von baulicher und digitaler Barrierefreiheit. Gemäß § 4 des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes müssen alle baulichen und sonstigen Anlagen, Verkehrsmittel, akustische und visuelle Informationsquellen und andere gestaltete Lebensbereiche ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe auffindbar und nutzbar sein. Der Einsatz von Hilfsmitteln ist dabei zulässig.

Fahrplan-Anzeige und Ansage am Bahnhof St. Ilgen

Ein blinder oder sehbehinderter Mensch benötigt, um sich zuhause oder im öffentlichen Raum sicher bewegen zu können, vor allem räumliche Orientierungsmöglichkeiten. Im öffentlichen Verkehrsraum sind dies vor allem Blindenleitsysteme aus Bodenindikatoren, die mit dem Langstock (Blindenstock) ertastbar sind und dadurch Orientierung und Sicherheit geben. Sind keine Bodenindikatoren vorhanden, helfen auch mit dem Langstock ertastbare innere Kanten wie Rasenkantensteine am Gehweg, die mindestens 3 cm aufgekantet sind, eine Hauswand oder ein Gartenmäuerchen, bei denen die Flächen davor nicht zugestellt sind. Neben diesen taktilen Elementen sind akustische Signale oder Ansagen, beispielsweise an Ampelanlagen oder in Aufzügen wichtig und hilfreich. Sehbehinderte Menschen orientieren sich zusätzlich an Kontrasten.

Durch Corona haben sich die Teilhabechancen für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen deutlich verschlechtert. Viele Angebote waren und sind digital, vom Einkauf, zur Terminbuchung bei Haus- und Fachärzten bis zu Videokonferenzen. Aber leider sind diese Angebote noch immer von blinden und sehbehinderten Menschen nicht nutzbar, da nicht barrierefrei programmiert.

Dessen ungeachtet stoßen blinde und sehbehinderte Menschen im Alltag oft auf viele weitere Hürden, beispielsweise:

  • – mangelnde Bildungsangebote im schulischen Bereich und in der Ausbildung
  • – digitale Angebote auf Webseiten sind oft nicht barrierefrei, Schriftstücke nicht lesbar
  • – Kinofilme sind mangels Audiodeskription vor allem für ältere Blinde nicht nutzbar, denn die Greta-App mit Audiodeskription funktioniert nur mit einem Smartphone
  • – Speisekarten oder Veranstaltungsprogramme können nicht „gelesen“ werden
  • – Blindenleitsysteme sind besonders im ländlichen Bereich ungenügend ausgebaut, oft fehlen Orientierungspläne und es gibt keine gesicherten Querungen
  • – trotz Anerkennung eines Blindenführhundes werden immer wieder Eintrittsverbote zu Gaststätten oder öffentlichen Einrichtungen ausgesprochen

Der Ausschluss und die Nicht-Teilnahme führen in vielen Fällen zu Vereinsamung und Rückzug. Oft stoßen sehbeeinträchtigte Menschen aber auch auf zwischenmenschliche Hürden in Form von Ablehnung, Verurteilung und fehlendem Verständnis, die die Alltagsbedingungen noch verschärfen.

Der Badische Blinden- und Sehbehindertenverein bietet mit seinem Beratungsangebot „Blickpunkt Auge“ blinden und sehbehinderten Menschen, Augenpatienten und Angehörigen Rat und Hilfe bei Sehverlust.

Das Selbsthilfebüro Heidelberg und die Kommunale Behindertenbeauftragte zeigen am 27. Juni um 18 Uhr im Luxor-Kino in Wiesloch/Walldorf den Film „Mein Blind Date mit dem Leben“ in offener Audiodeskription. Die Veranstaltung ist barrierefrei. Im Anschluss findet eine Podiumsdiskussion zum Thema Sehbehinderung statt.

Kontakte:

  • Badischer Blinden- und Sehbehindertenverein V.m.K. Tel.: 0621 402031
  • Bezirksgruppe Heidelberg: Tel. 06227 50406
  • Silke Ssymank
  • Kommunale Behindertenbeauftragte des Rhein-Neckar-Kreises
  • Tel.: 06221 522-2469
  • E-Mail: [email protected]

Ausblick: Teil 2: Interview – Interview zum Thema Hürden und Barrieren – Leben mit Blindheit – Interviewpartner: Blinde Person des Inklusionsbeirats des Rhein-Neckar-Kreises

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