Ausstellung „Kontinuität und Widerspruch“ des Leimener Künstlers Erich Kraft eröffnet

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Erich Kraft vor einigen seiner Gemälde

(fwu – 20.5.14) Am vergangenen Sonntag wurde in Lobbach im Gebäude der Manfred-Sauer-Stiftung die Ausstellung „Kontinuität und Widerspruch“ des Leimener Künstlers Erich Kraft eröffnet. Sie umfaßt Bilder und Bronzefiguren aus drei Jahrzehnten künstlerischen Schaffens. Besonders bekannt sind seine surrealistischen Werke.

Ausstellungen mit Krafts Werken waren auch schon in in der Metropolregion Rhein-Neckar und darüber hinaus, z. B. in Karlsruhe, Bad Herrenalb, Hambacher Schloss, Landstuhl, Rot am See, Frankfurt, Dresden, Tigy (Frankreich), Bergamo (Italien) und Debica (Polen) zu sehen. Kraft betreibt in Leimen die Werbeagentur „Kraft und Partner„.

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Manfred Sauer und Erich Kraft

Zur Begrüßung ergriff Manfred Sauer das Wort und blickte auf 40 Jahre Bekanntschaft mit dem Künstler zurück. Beide hatten sich bereits Ende der Siebziger Jahre kennengelernt und einige gemeinsame Projekte betrieben, bevor man sich längere Zeit wieder aus den Augen verlor. Für ihn, Sauer, sei es daher eine besonders angenehme Überraschung gewesen, eine Ausstellungsanfrage seines alten Weggefährten zu erhalten, der er sehr gerne entsprochen habe.

Die Ausstellung in Lobbach läuft vom 18. Mai bis 6. Juli 2014 und ist täglich von 8 bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist kostenfrei.

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Kulturreferentin Barbara Gilsdorf (l.) bei ihrer Laudatio

Die Laudatio auf der Vernissage hielt die Schwetzinger Kulturreferentin Dr. Barbara Gilsdorf, die uns gestattete, diese zu veröffentlichen:


„Die Meere,

Thalassas Reich,
kleiden sich in sanftes Blau, in fröhliches Türkis,
in eisiges Grün, in Sonnengold, in Abendrot und Mondsilber,
in Dunkelgrau und in das Schwarz der tiefsten Tiefen.
Was die Meere verbergen, weiß nur die Göttin!“.

Erich Kraft versetzt uns mit seinen Bildern in die Welt der Sagen und Mythen. Er führt uns biblisches Geschehen vor und streift Begebenheiten der Geschichte.

3744 - Kraft Vernissage Lobach 5Er lässt Figuren der Literatur erscheinen oder spricht ganz einfach nur grundmenschliche Themen, modernen Mythen an. Seine Bilder erzählen von einer „Begegnung mit einem Himmelswanderer“ oder einem nächtlichen Zusammentreffen von „Mondreitern“. Er lässt uns teilhaben an den sagenhaften Fahrten der Argonauten und des Odysseus. Er legt mit Bildern wie „Die erneute Reise zu einer unerklärlichen Erscheinung eines Baguette-Obelisken“ oder „Die Unverschämtheit des Christoph Columbus“ eine humoristische Fährte, mit Bildern wie „Illusion einer Vision auf der Suche nach dem Nichts“, dem „Versuch einer anderen Wirklichkeit“ und der “Entstehung des Sein oder Nichtsein“ begibt er sich dagegen in den Bereich der Psychologie.

3744 - Kraft Vernissage Lobach 4Erich Kraft lädt uns in das Reich seiner Fantasie, seiner Gedanken, Träume und Vorstellungen ein. Eine Einladung, die wir sehr gerne annehmen, ist dieses verborgene Reich vielfältig und inhaltsreich. Menschliche Gestalten erscheinen in weiten Landschaften, Fische bevölkern den Himmel. Hier taucht ein gigantischer Apfel aus einer Bergkette hervor. Dort schwebt ein ebenso riesenhaftes Baguette über heißem Wüstensand. Komplizierte Bauwerke schwören einen „erneuten Versuch des Turmbau zu Babel“ herauf oder schweben als modernes Himmlisches Jerusalem auf die Erde unter dem Titel „und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde“ hinab.

Erich Kraft lädt uns mit jedem seiner Bilder zu einer Entdeckungsreise ein.

3744 - Kraft Vernissage Lobach 3Start der Reise ist das Zentrum der Darstellung. An dieser prominenten Stelle taucht in der Regel das Hauptmotiv auf, bedeutungsvoll und erhaben, mystisch und geheimnisvoll, nicht selten als menschliche Gestalt in unterschiedlicher Erscheinungsform, eben jene Figuren aus der Geschichte, der Bibel, der Sagen und Mythen, sowohl der antiken, als auch der modernen. Um dieses energetische Zentrum herum tummeln sich Rosen, Eier, Schmetterlinge und immer wieder eine nackte weibliche Gestalt. Kraft konfrontiert uns mit Symbolen über Symbolen, die in einem surrealen Ambiente zusammentreffen.

Und wir fühlen uns an jenen berühmten Satz erinnert, auf den sich die gesamte Bewegung des Surrealismus bezieht:

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„Er ist schön […] wie die zufällige Begegnung eines Regenschirmes mit einer Nähmaschine auf dem Seziertisch.“

Formuliert hat ihn Isidore Lucien Ducasse, der unter dem Pseudonym Comte de Lautréamont im Jahre 1869 die „Gesänge des Maldoror“ veröffentlichte, und mit diesem auf den ersten Blick skurril wirkenden Satz die Schönheit eines Jünglings beschreibt. Der Satz ist nicht sinnentleert, sondern er steht für eine Erweiterung der Wirklichkeit.

Dieser Satz begründet die Poesie des Unbewussten, der Assoziation und Halluzination. Er steht für den so genannten psychischen Automatismus, für jene écriture automatique, die alle Grenzen überschreitet.

Dieser Satz war nicht nur bahnbrechend in der Literatur, sondern wirkte viel stärker in die Bildende Kunst ein. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts lösten Comte des Lautréamonts Gesänge des Maldoro eine Entwicklung aus, die, wie wir unter anderem angesichts der Bilder von Erich Kraft sehen, bis in heutige Zeit hinein reicht.

3744 - Kraft Vernissage Lobach 6Erich Kraft lässt uns an seinen Gedanken und Träumen teilnehmen. Er erzählt Geschichten – Geschichten ohne Worte – nur mit Bildern, die prall gefüllt mit Symbolen sind.

Er wählt sprechende Titel aus, die vielversprechend klingen, neugierig und uns hoffen machen, den Inhalt der Darstellung zu erfassen. Aber weit gefehlt.

Er legt zwar inhaltliche Fährten und gibt uns mit den Figuren, Landschaften und Motiven Indizien an die Hand, aber eine eindeutige Geschichte wird niemals entstehen. Und das ist auch nicht das Ziel seiner Malerei, ist sie gemäß jenes psychischen Automatismus entstanden, der eben der surrealen Malerei zugrunde liegt. Kraft bedient sich der Verrätselung des Gegenständlichen, das so zum vielfachen Bedeutungsträger wird. Eben jene Grenzsituationen beschreibend, den seine Träume, seine Gedanken und Visionen hervorbringen. Grenzsituationen, die automatisch, d.h. ohne jegliche Vernunftkontrolle, im Unbewussten entstehen. Und diese Bilder des Malers verborgene Wirklichkeit bannt er auf die Leinwand.

Die Regeln der Logik und jedwede Form der Verbindlichkeit sind aus den Angeln gehoben – nichts ist mehr wie es scheint.3744 - Kraft Vernissage Lobach 12 Keine Proportion stimmt, die Landschaften sind weite, luftleere Bühnen, gleißende Hitze trifft auf die Kühle des Wassers, tiefe Schlagschatten lassen ein mystisches Ambiente entstehen.

All das schafft eine Atmosphäre des Traumes, der Vision, zuweilen des Unbehagens. Die menschliche Gestalt erscheint als riesengroßer Torso, nackte Wesen entwachsen einem Blütenkelch, verschmelzen mit einem Felsen oder erscheinen als Wolkenbild am Himmel.

Phantastische Geschöpfe stützen sich auf spindeldürre Stelzen. Einige gleichen antiken Skulpturen, andere treten als gesichtslose Engel auf. Einige der mutierenden Wesen verselbständigen sich aus der zweidimensionalen Fläche der Leinwand in den dreidimensionalen Raum. Als Bronzeskulpturen durchschneiden sie elegant und bestimmend den Raum. Sie wirken zugleich stark und zerbrechlich, kraftvoll und anmutig.

3744 - Kraft Vernissage Lobach 2Kontinuität und Widerspruch heisst die heutige Ausstellung. Tatsächlich zeigt der künstlerische Stil Erich Krafts eine Beständigkeit, die seit mittlerweile 30 Jahren anhält.

Er spielt mit der surrealistischen Ästhetik, und geht malerisch den kontinuierlichen Weg, das Unwirkliche, Traumhafte und die Tiefen seines Unbewussten auszuloten. Seine Bilder entbehren jeglicher sachlichen Logik und rational kontrollierter Gedanken- und Empfindungswelt.

Wo ist nun der Widerspruch? Mit einer gewissen Regelmäßigkeit gelingt Erich Kraft ein Befreiungsschlag aus dieser surrealen Welt, indem er sich in die gestische Malerei begibt. Er setzt so der kontrollierten, akribischen Malerei des Surrealismus eine unkontrollierte Ausdrucksmalerei entgegen.

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Großzügig gesetzte Pinselschwünge übersäen die Leinwand – eruptiv ist diese Malerei, ungeordnet und kontrastreich. Hier zeigt sich der Ausdruck seiner subjektiven Welt auf ganz andere Weise, unmittelbar als spontane auf die Leinwand gebrachte Gefühlsäußerungen. Doch mit einer ebensolchen Kontinuität kehrt Erich Kraft wieder auf das Terrain, sein Terrain der surrealistischen Malerei zurück.

Ob surreal oder gestisch, Erich Krafts Bilder sind vielschichtig, geheimnisvoll und hintergründig, meditativ und traumhaft. Zuweilen sind sie humorvoll, zuweilen durchsetzt mit einem Hauch von Melancholie. Und vor allem – sie sind authentisch.

Dr. Barbara Gilsdorf, 2014©

 

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