Rede Klaus Feuchter im Gemeinderat:
„Leimen vor dem Abgrund?“

Die nachfolgende Rede hielt Gemeinderat Klaus Feuchter (Fraktionssprecher der FDP) in der Sitzung des Leimener Gemeinderates vom 29.9.2016.


Vor ca. 10 Jahren fand ein städtebaulicher Wettbewerb mit internationaler Beteiligung statt, aus dem einstimmig ein Siegerentwurf hervorging.

010 - Feuchter Klaus

Klaus Feuchter (FDP)

Auf Grundlage dieses Wettbewerbsergebnisses haben wir als Gemeinderat und Verwaltung mit Einbindung der Bevölkerung in dem Sanierungsbeirat und vielen runden Tischen das Zentren- und Nahversorgungskonzept erarbeitet und beschäftigen uns damit seit diesem Zeitpunkt. Ergebnis des Zentren- und Nahversorgungskonzeptes war in der Rathausstrasse Dienstleitung und Wohnen in den vorgegebenen Kubaturen und im Kurpfalzzentrum – dem Verkehrsknotenpunkt Leimens mit der größten Frequentierung – Einzelhandel zu errichten. Begleitet werden soll dieses Konzept langfristig durch die Errichtung des „Großen Magneten“. In diesen Gesprächen wurde dann auch die Nutzung durch Ärzte bzw. das Ärztehaus festgelegt.

Auf der Grundlage der vorgegebenen Kubatur aus dem städtebaulichen Wettbewerb und der festgelegten Nutzung wurde dann durch die Kommunalentwicklung im Auftrag der Stadt Leimen in einem Verfahren nach Investoren bzw. Projektentwicklern gesucht.

Als Ergebnis wurde damals ein Makler gegen Vergütung damit beauftragt. Nachdem dann nach 2 Jahren dieser Makler weder Investoren noch Interessenten gefunden hatte, wurde der Vertrag aufgelöst und die Verwaltung ging selbst auf die Suche.

In den Jahren 2013 und 2014 wurden dann mit 4 Bewerbern Gespräche geführt.

Letztendlich blieb bei der vorgeschriebenen Nutzfläche von ca. 2000 m² und nicht, wie vom Architekten der Fa. CMS vorgerechnet 3459 m² – hier wurde die Parkfläche mit Rampen einberechnet – und der Nutzung durch Ärzte nur noch die Fa. FWD Hausbau übrig. Nur dieser Investor akzeptierte die vorgegebenen Randbedingungen.

In vielen weiteren Sitzungen wurden dann mit dieser Firma alle weiteren Bedingungen des Gemeinderates wie z.B. die Übernahme des Baugrundrisikos, die von einigen Fraktionen gewünschte Nutzung als altersgerechte Wohnungen in 2 Geschossen und dass Angebot zur Planung zusätzlicher öffentlicher Stellplätze besprochen und auch akzeptiert. Gleichzeitig wurden in dieser Zeit von der Kommunalentwicklung zusätzliche öffentliche Stellplätze entlang der Bürgermeister Lingg Strasse geplant und den Gremien vorgestellt.

Die von einigen Mitgliedern des Gemeinderates gewünschte Erstellung einer Tiefgarage auf Kosten des Investors wurde von diesem auch untersucht. Dies scheiterte jedoch u.a. aus wirtschaftlichen Gründen bei der vorgegebenen Kubatur aus dem städtebaulichen Wettbewerb.

Nachdem dann alle vom Gemeinderat festgelegten Bedingungen – mit Ausnahme der Tiefgarage – vom Investor akzeptiert wurden, wurde uns ein verbindliches Angebot für das Grundstück am 12. Mai 2016 vorgelegt.

Die Ärzte sind nicht wie mehrfach nun behauptet weggefallen. Ich persönlich habe mit 2 ortsansässigen Ärzten die neue Räumlichkeiten suchen gesprochen. Der Umzug innerhalb der Stadt stellt auch bei der KV kein Problem dar. Ein weiterer mit der Genehmigung der KV von außerhalb kommende Arzt hat in einem anderen innerstädtischen Neubauprojekt meines Wissens nach bereits Praxisräume erworben, da ihm das Projekt am Rathausplatz zu spät realisiert wird.

Im Juni 2016 wurde dann einzelnen Eigentümern des Kurpfalzzentrums bewusst dass die Stadtverwaltung im Januar 2016 ausgezogen ist und hier eventuell eine neue Nutzung entwickelt werden muss. Dass die Stadtverwaltung auszieht, war aber mit dem Baubeschluss im Februar 2014 bekannt. Hier stelle ich mir schon die Frage, wer die Entwicklung verschlafen hat.

Anscheinend haben dann einzelne Mitglieder oder ganze Gruppen des Gemeinderates die seit 9 Jahren geltenden Randbedingungen – die Grundlage der gesamten bisherigen Verfahren waren – ohne jegliche Beschlüsse dieses Gremiums geändert.
Hier stellt sich für mich schon die Frage, warum wir in einem kostspieligen städtebaulichen Wettbewerb uns als Laien das Fachwissen einholen und uns heute eventuell einfach darüber hinwegsetzen.

In der Gemeinderatssitzung am 28.07.2016 erklärte die Firma CMS durch Ihren Miteigentümer Herrn Cetrez eine Planung für den Bau einer Festhalle mit Hotel und Gastronomie vorzulegen. Dieser Entwurf mit einer Nutzfläche von ca. 4400 m² ist mehr wie doppelt so groß und überschreitet sowohl im Grundriss als auch in der Höhenentwicklung bei weitem die Festlegungen des städtebaulichen Wettbewerbs.

Die vom Investor als gering angegebene Überschreitung der Firsthöhe beträgt gemäß den vorliegenden Plänen 3,30 m, was einem ganzen Stockwerk entspricht.

Die vom Investor als erforderlich nachgewiesenen 34 Stellplätze sind für ein Hotel mit 60 Doppelzimmern und einer Festhalle sicherlich nicht ausreichend. Eine erste Prüfung durch die Baurechtsbehörde ergab einen Mindestbedarf von 74 Stellplätzen. Da baurechtlich eine Doppelbelegung aus meiner Sicht nicht zulässig ist, sind die in der Planung dargestellten Stellplätze unter Berücksichtigung des öffentlichen Bedarfs bei weitem nicht ausreichend.

Die vorgeschlagene Doppelnutzung von im Zuge der Baumaßnahme erforderlichen Stellplätzen durch die Öffentlichkeit und den Betreiber zu unterschiedlichen Zeiten wird in der Stellungnahme des Ordnungsamtes als nicht praktikabel bezeichnet.

In der Kommentierung der Fragen der Stadt Leimen erklärt die Firma CMS, dass bei einer eventuell entstehenden Einschränkung der Nutzung nach 23 Uhr im Baugenehmigungsverfahren ein wirtschaftlicher Betrieb der Festhalle am vorgesehenen Standort nicht möglich wäre und somit das gesamte Konzept stirbt.

Darauf hat die Stadt keinerlei Einfluß, was man beim Bau des Kultursaals in Leimen Gauangelloch gesehen hat. Hier haben Anwohnereinsprüche dazu geführt, dass die Anzahl und Länge der Veranstaltungen stark eingeschränkt bzw. begrenzt wurde.
Der Stadt soll eine 30 malige kostenfreie Nutzung der Halle eingeräumt werden.

Hierzu erklärt der Investor, dass dies grundsätzlich vorstellbar sei, er sich jedoch die Einräumung eines Vorbelegungsrechtes vorbehält.

In dem von der CMS vorgelegten Vertragsentwurf sind noch viele Punkte ungeklärt.

Die Übernahme des Baugrundrisikos wurde zahlenmäßig nicht quantifiziert.

Der größere Bebauungsgrad führt gemäß der Immobilienverordnung natürlich auch zu einem höheren Grundstückspreis als derzeit von CMS angeboten anders ausgedrückt der Wert des Grundstücks steigt mit zunehmender Bebaubarkeit.

Der angebotene Bau einer Tiefgarage – die ich wegen der Höhenentwicklung und der Lage im Schulhof – die Decke liegt ungefähr in Höhe der Bürgermeister Lingg Strasse – – nicht als solche bezeichnen würde, zum Selbstkostenpreis in Höhe von ca. 1.800.000,– € brutto oder zur langfristigen Miete durch die Stadt ist für mich nicht vorstellbar. Geschweige denn dass aus meiner Sicht die Stadt auf lange Zeit kein Geld für eine Tiefgarage hat.

Und genau hier liegt der vielfach artikulierte „angebliche“ Vorteil der Variante CMS gegenüber der Variante FWD – die Tiefgarage. Diese zahlt aber nach der Konzeption CMS die Stadt. Hätte man dies der Fa. FWD so auch erklärt, wäre die Parkfläche an der sich nun viele stören wohl gar nicht entstanden.

Aus den Plänen ist zu erkennen, dass der Investor plant, das Gelände im Schulhof zum Bau dieser Garage nicht zu erwerben. Somit kämen hier immense zusätzliche Kosten für die Entsorgung des belasteten Erdaushubs auf die Stadt zu.

In der Stellungnahme des Landesdenkmalamtes vom 05. September 2016 durch Herrn Keller heißt es:

Von Seiten der Denkmalpflege müssen wir feststellen, dass die im Jahr 2012 gemachten Aussagen weiterhin ihre Gültigkeit behalten. Der nun vorgelegte Entwurf zeigt darüber hinaus in der Ansicht mit dem Kulturdenkmal Rathaus, dass der geplante Neubau doch in starker Konkurrenz zum Barockbau stehen wird. Insbesondere die deutliche Vergrößerung des Bauvolumens gegenüber den ersten Planungen mss nun doch als Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Kulturdenkmals festgestellt werden. Die Traufhöhe des geplanten Neubaus liegt deutlich über dem Mansardknick und die neue Firsthöhe ist doch deutlich über der Firsthöhe des Kulturdenkmals. Darüberhinaus wird die Beeinträchtigung noch dadurch verstärkt, dass die steigenden Trauf- und Firstlinien ein unruhiges Erscheinungsbild verstärken. Wir regen daher von Seiten der Denkmalpflege an mit dem Volumen und Erscheinungsbild des Entwurfes aus dem Jahr 2012 weiter zu planen.

Zitat Ende.

Mit dieser Kenntnis zeigt sich die Glaubwürdigkeit des Investors CMS, der erklärt, der Verfasser dieses Schreibens hätte keine Bedenken gegen die vorgelegte Planung.

Unter all diesen Aspekten wäre der Bau in der vorgeschlagenen Kubatur an dieser Stelle aus unserer Sicht städtebaulich eine Katastrophe.

Vor kurzem wurde hier im Gremium die Verlässlichkeit für Investoren angemahnt.

Wie verlässlich sind wir, wenn wir seit 3 Jahren mit einem im Rhein Neckar Kreis seit 25 Jahren renommiertem Investor verhandeln und nun kurz vor knapp die Randbedingungen verändern.

Wie verlässlich sind wir für die Investorin Frau Fath – die gerade die Krone aufwendig saniert – wenn wir jetzt ein weiteres Restaurant daneben bauen lassen ?

Die neuen Randbedingungen berücksichtigen die Interessen des Investors CMS – Aussage des planenden Architekten Anforderung war 60 Doppelzimmer im Hotel was bei der vorgegebenen Kubatur nicht möglich war zu planen – und nicht die Interessen der Stadt – städtebaulicher Wettbewerb und Zentrums- und Nahversorgungskonzept.

Auch der Investor FWD oder viele andere Investoren hätten sicherlich bei geänderten Randbedingungen sich an dem Verfahren beteiligt und dementsprechende Planungen vorlegen können.

Der nun zusätzlich auftretende Investor – die Fa. CMS GmbH & Co KG – gibt es seit gut 2 Jahren. Referenzen über bisher entwickelte Projekte liegen uns nicht vor.

Aus der Zeitung konnten wir entnehmen, dass Investitionen im Kurpfalzzentrum – wie von allen hier gewünscht – nur getätigt werden, wenn auch dieses Projekt durch den Investor CMS realisiert wird. Wie soll man das verstehen ?
Zur Offenheit zwischen Investor und der Stadt würde aus meiner Sicht auch gehören, dass wir über die Ergebnisse der Umfrage der Vellica GmbH & Co Grundbesitz KG vom 27.07.2016 im Auftrag der Eigentümer des Kurpfalzzentrums unter der Leimener Ärzteschaft informiert worden wären.

Versprochen bekommen wir viel – aber können wir uns auch darauf verlassen?

Vor 10 Jahren kam ein Investor nach Leimen und hat dem Gremium blühende Landschaften im Bäderpark versprochen. Das Ergebnis kennen wir alle. Es kostet uns jährlich gut 1.600.000,– Millionen.

Vor 5 Jahren kam ein Investor – ohne dementsprechende Referenzen – und hat uns eine Erlebnisgastronomie in Lingental für die Bevölkerung versprochen. Das Ergebnis kennen wir alle aus der Zeitung.

Nun haben wir wieder einen Investor – ohne dementsprechende Referenzen – der uns viel verspricht.

Da bliebe es nur zu hoffen, dass es uns nicht wie in Wiesloch geht. Dort wurde das Palatin durch einen privaten Investor – eine GmbH – erstellt. Als sich herausstellte, dass das Projekt unwirtschaftlich war ging die GmbH in die Insolvenz und die Stadt musste wohl oder übel das Palatin übernehmen. Die Verluste dort sind gleichzusetzen zu unserem Schwimmbad. Denn den Konkurs einer GmbH kann man nicht vertraglich regeln bzw. ausschließen.

Aus unserer Sicht muss heute aber eine Entscheidung getroffen werden.

Das Sanierungsgebiet muss bis 30. April 2018 schlussgerechnet sein. Da wir die Platzgestaltung und den Abbruch der Steinberghalle über die Sanierungsmittel und damit 60 % Zuschüssen des Landes finanzieren wollen, würden uns wenn wir heute nicht entscheiden, Zuschussmittel im Bereich des Rathausplatzes von ca. 350.000,– € verloren gehen.

Es gibt angeblich Anzeichen dafür, dass das Sanierungsprogramm verlängert wird, aber schriftlich haben wir bis heute noch nichts.
Für eine Stadt wie Leimen mit klammen Kassen ist das sehr viel Geld.

Der Bürger hat ein Anrecht auf verlässliche Politik. Seit Jahren sagen wir den Bürgern, dass ein Dienstleistungszentrum hier geplant ist und nun fangen wir wieder von vorne an?
Welche Auswirkungen hat der Stillstand an dieser Stelle für die Stadt Leimen?
Welches Bild ergibt sich für zukünftige Investoren?

Aus unserer Sicht wäre eine andere Entscheidung als die für das Dienstleistungszentrum mit dem geplanten altersgerechten Wohnen – wofür bis vor ca. 6 Wochen die große Mehrheit in diesem Gremium war – fatal.

Alles andere bedeutet Stillstand und ob am Ende ein Vertrag wirklich zu Stande kommt ist fraglich.

Wir halten es für einen kapitalen Fehler ein Schlüsselgrundstück in dieser Lage einem recht unerfahrenen und relativ unbekannten Investor zu veräußern.

Da wir für den Bürger verlässlich sein wollen und vom renommierten Investor FWD Hausbau alle unsere Randbedingungen erfüllt wurden stimmen wir für die Variante 1.

Abschließend sei gesagt, dass ich im Gegensatz zu Verlautbarungen anderer Gemeinderäte die Entscheidung nicht für unglücklich halte, ich meine sogar, es ist eine Entscheidung wider besseres Wissen, gegen Leimen und seine Einwohner sowie gegen stabile finanzielle Verhältnisse in Leimen.

Klaus Feuchter


Hinweis der Redaktion: Alle Berichte und Leserbriefe zum Thema finden Sie unter Lokalpolitik Leimen


 

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1 Kommentar für “Rede Klaus Feuchter im Gemeinderat:
„Leimen vor dem Abgrund?“”

  1. Kai-Uwe Kalischko

    Die Stadt Leimen leistet sich seit Jahren gegen Entgelt die
    Kommunale Entwicklungsgesellschaft Baden Württemberg.

    Deren Auftrag wurde von allen Fraktionen damals bestätigt.

    Zu jedem Bauvorhaben im Sanierungsgebiet wird ihre Meinung eingeholt, und ist relevant bei Bauanträgen oder Bauvoranfragen.

    Wieso erfährt man nichts über deren Haltung ?

    Kai-Uwe Kalischko
    ehem. FDP Stadtrat

Kommentare sind geschlossen

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