Sandhäuser „Hopfe zopfe“ – Bürgermeister Günes sticht Fass mit nur einem Schlag an

(fwu – 3.9.24) Sandhausen war am vergangenen Wochenende der Wallfahrtsort für Bierliebhaber und Freunde der Geselligkeit. Das traditionelle Hopfenfest, organisiert vom MGV Germania und der Gemeinde, lockte Hunderte Besucher an. Ein besonderes Highlight war der Fassanstich durch Bürgermeister Hakan Günes, der mit nur einem Schlag den Gerstensaft fließen ließ. Ein Rekord für die Ewigkeit, denn schneller geht nicht!

 Die Hopfen-Demonstrationsanlage


Begonnen hatte das Fest am Samstagmorgen mit der Ernte des Hopfens in der Demonstrationsanlage (s.u.) durch die ehrenamtlichen Hopfenbauern, zuvorderst vom bereits 83-jährigen Albert Burkhardt. Mehrere Traktor-Anhänger voll ausgereiftem Hopfen wurden von hier zum Festplatz am Rathaus transportiert,  wo bereits viele fleißige Helferinnen und Helfer darauf warteten, mit dem Hopfenzopfen, also dem Abtrennen der Dolde von der Pflanze beginnen zu können. Das wichtigste ist dabei das „Schdiel draalosse!“ und „wers net koo, solls bleiwelosse“.

Hopfenzopfer bei dere Arbeit – darunter auch Ex-Bürgermeister Georg Kletti


Ein kleiner Teil des Hopfens auf der Demonstrationsanlage war allerdings abgestorben und vertrocknet. Doch nicht, weil es zu wenig geregnet hätte, sondern weil Wespen die Hopfenranken angestochen hatten, um deren Saft zu trinken. Dennoch war die Ernte ausreichend, um dafür zu sorgen, dass zur Kerwe am zweiten Oktoberwochenende wieder ausreichende „Welde No. 1 Slow Beer Pils mit Sandhäuser Aromahopfen“ verfügbar sein wird.

Rekord-Fassbieranstich – Nur ein Schlag!


Gegen 11.30 Uhr folgte dann die offizielle Festeröffnung durch Bürgermeister Hakan Günes. In seiner Eröffnungsrede lobte er das Engagement des MGV Germania und der vielen ehrenamtlichen Helfer, die das Gelingen des Festes erst ermöglichen. Er betonte die Bedeutung der Tradition und des Gemeinschaftsgefühls, die das Hopfenfest ausmachen.

Auch Max Spielmann von der Welde-Brauerei zeigte sich begeistert vom Sandhäuser Hopfen. „Es roch nach Hopfen“, schwärmte er und lobte die Qualität des „grünen Goldes“. Er betonte, dass der Sandhäuser Hopfen eine besondere Note in das Welde Bier bringe.

Nach den kurzen Ansprachen ging es dann zum Höhepunkt des Tages: Dem Anstich des gespendeten Fasses Welde-Freibier durch Hakan Günes. Nachdem er sich ausgiebig versichert hatte, dass Spund und Hahn auch zueinenander passten, reichte ihm dann nur ein Schlag, um das kühle Bier zum Sprudeln zu bringen. Alle Hopfenzopfer wurden dann mir einem Glas Freibier für ihre fleißige Mitarbeit belohnt!


Am Rande des Festplatzes informierten drei Tafel über alles Wissenswerte zum Hopfen, seiner Geschichte und seiner Verwendung.


Rund um den Sandhäuser Hopfen

Der Hopfen- und Tabakanbau sind überall bekannt, so heißt es schon im Sandhäuser Lied: „Jetzt wachsen sie wieder in Sandhausen, die fleißigen Kletterpflanzen, die eine Höhe bis zu zehn Metern erreichen. Ihre Blüten stehen an langen Dolden, unter deren Blütenblättern sich der goldgelbe Blütenstaub befindet, der dem Bier den bitteren Geschmack und die Würze verleiht.“ Eine Hopfendemonstrationsanlage im Gewann Büchert erinnert an die jahrhundertealte Tradition in der Gemeinde. Über eine solche Anlage wurde beim Verkehrs- und Heimatverein 1952 e.V. Sandhausen lange nachgedacht, um diese über dreihundertjährige Tradition bei der Bevölkerung nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Auch andere Bürgerinitiativen wie der Männergesangverein Germanie und die örtliche FDP konkretisierten nach und nach diese Idee. Im Mai 2003 war es dann soweit, mit Bürgermeister Bertsch an der Spitze machte man sich nach acht hopfenlosen Jahren an die Erstellung einer Hopfendemonstrationsanlage, um die Kultur des Hopfens nicht versanden zu lassen. Mit dem Aufbau wurde der Landwirtschaftliche Maschinenring Mainburg aus dem Hallertal beauftragt. Innerhalb von nur zwei Tagen errichteten die Mainburger im Freizeitgebiet Büchert eine komplette Anlage, wo nun wieder die einst ortsbildprägenden Hopfenstangen ehemaliger Hopfenacker wieder präsent sind. 

1910 wurde in Sandhausen ein Hopfenbauverein gegründet. Erster Vorsitzender war damals der Bürgermeister Franz Hambrecht, von 1919 bis 1936 übernahm Jakob Diem den Vorsitz, von 1936 bis 1943 versah dieses Amt Jakob Geberth. Ab 1943 bis Kriegsende hielt der Vorsitzende David Schneider inne. Von 1946 bis 1950 war Jakob Diem wieder Vorsitzender des Vereins und gleichzeitig Vorsitzender des Hopfenpflanzerverbandes in Baden. Sein Sohn Albert Diem führte den Hopfenbauverein Sandhausen von 1950 bis 1984, seit 1954 war er dreißig Jahre Vorsitzender des Hopfenpflanzerverbandes. Als im Jahre 1975 die Gemeinde Hambrücken den Hopfenanbau aufgab war Sandhausen die einzige Gemeinde in Baden, die noch seinen Hopfen anbaute. 1996 wurde in Sandhausen der letzte Hopfen geerntet und ein Jahr danach der Badische Hopfenpflanzerverband im Vereinsregister des Amtsgerichts Karlsruhe gelöscht.

1932 wurde die erste Großtrockne mit einer Schwefelanlage erstellt. Sie wurde von Schlossermeister Johann Hambrecht im Magazin in der Waldstraße in Betrieb genommen. Hier wurde der Hopfen getrocknet und geschwefelt, also haltbar gemacht, in Säcke gepresst und mit einem Zertifikat versehen in den Handel gebracht. Das Magazin war gleichzeitig Wiege und Siegelhalle für den Hopfen. 1936 wurde das Magazin zur offiziellen Siegelhalle für die Amtsbezirke Mannheim, Heidelberg, Wiesloch und Bruchsal. Seit 1978 wurde jeder Ballen nach Jahrgang, Anbaugebiet und Sorte bezeichnet. Nach dem Abriss des Magazins im Jahre 1980 erinnert dort heute eine originale Hopfenpresse und eine Bronzefigur eines Hopfenzopfers an den ehemaligen Standort des Hopfenmagazins an der Ecke Waldstraße/Kirchstraße.

1957 wurde in Sandhausen eine Hopfenentlüftungsmaschine angeschafft. Bis dahin hatten sich Hunderte von Hopfenpflückerinnen und Pflückern beim Hopfenzopfen ein paar Mark verdienen können. In Sandhausen war die Erntezeit des Hopfens immer ein Ereignis. Ganze Familien trafen sich in den Scheunen der Hopfenbauern oder in den Höfen zum Hopfenzopfen. Während der Arbeit wurden fröhliche Lieder gesungen, es wurde gelacht, alte Geschichten erzählt und manche Neuigkeit vom Tage ausgetauscht. Diese Arbeit übernahmen die neue Hopfenentlüftungsmaschine, die in der Hopfenhalle untergebracht war. Bei dieser maschinellen Ernte genügten einige Hilfskräfte. In den letzten Jahren waren es polnische Arbeiter, die beim Hopfenanbau und der Pflege des grünen Goldes behilflich waren.

1995 stand der Hopfenanbau in Baden vor dem Aus. Die Tradition, die in Sandhausen jahrhunderte überdauert hatte, ging zu Ende. Der letzte badische Hopfenpflanzer Gerhard Diem zog einen Schlussstrich unter eine landwirtschaftliche Entwicklung, die praktisch alle Hopfenbauern seit Jahren bedrückte. Die immer strenger werdenden Umweltauflagen hinsichtlich der Düngung und Schädlingsbekämpfung führten zu Qualitäts- und Ertragsminderungen. Mit einer von Jahr zu Jahr schlechter werdenden Rendite war die Betriebsaufgabe unausweichlich.

1988 wurde Badens letzter Hopfenbauer, Gerhard Diem, mit der Prämierung „Goldener Hopfen“ ausgezeichnet, eine Auszeichnung für die besten Hopfenbauern, die es schafften, jährlich Hopfen von absoluter Qualitätsstufe auf den Markt zu bringen. Bei der Bewertung kam es auf den Aromagehalt, das Farbverhalten, den Glanz und den Zopfenvwuchs an. Von Boden und Klima her hatte man in Sandhausen für den seit 1060 verpflanzten Hopfenanbau die besten Voraussetzungen, sowohl im Gewann Mühllach, als auch im Büchert und im Seegewann war ein qualitativ hervorragender Hopfenanbau möglich. Sandhäuser Hopfen war preisgekrönt.


Hopfen und Malz, Gott erhalt’s

Der bekannte Spruch „Hopfen und Malz, Gott erhalt’s“ gibt uns die Ausgangsstoffe für das Brauen von Bier an. Beim Brauen läuft ein komplizierter biochemischer Prozess ab, der letztlich auf der Umwandlung von Stärke in Alkohol beruht. Schon die Sumerer erkannten vor 4000 Jahren diese natürliche Eigenschaft der Stärke. Sie weichten Brotreste in Wasser ein und gewannen daraus einen vergorenen Saft, welchen man als einen Vorläufer des Bieres bezeichnen kann.

In alten Urkunden ist belegt, dass bereits um 930 in Domstift zu Worms Bier gebraut wurde, und im Kloster Losch, reichte man den Armen nicht nur Brot, sondern auch Bier zur Stärkung. Im 1090 wird uns berichtet, dass der Maier des zu Lorsch gehörenden Klosterhofes zu Fürth im Odenwald das eine Jahr einen Kessel, das andere Jahr eine Pfanne an das Filialkloster auf dem Helligenberg abzuliefern hatte. Offenbar brauten die Mönche im Michaelskloster ihr eigenes Bier.

Heute verwenden die Brauereien eine eigene kultivierte hochwertige Braugerste. Sie wird mit Wasser zum Keimen gebracht, in dem der Keimling mit seinen Enzymen die Stärke in Malzzucker (Maltose) abbaut. Biochemisch wird also das große Stärkemolekül in kleine Zuckermoleküle aufgespalten. Das auf diese Weise gewonnene Grünmalz wird danach gedarrt. Je nach der Art des Darrens kann der Geschmack und vor allem die Farbe des Bieres gesteuert werden. Dunkle Biere erfordern eine höhere Darrtemperatur als helle. Heute beziehen die meisten Brauereien ihr Malz aus Mälzereien. In großen Maischbottichen wird das zuvor zerkleinerte Malz mit weichem Wasser angesetzt und auf maximal 75°C erhitzt. Bei ca. 50°C erfolgt bereits der Abbau von Eiweiß, die eigentliche Verzuckerung der Stärke durch Diastase zu Maltose und Dextrin erfolgt bei 65-75°C. Nur die Maltose lässt sich danach zu Alkohol vergären, während das Dextrin den Nährwert des Bieres bestimmt. Die festen Malzrückstände, die so genannten Treber, werden entfernt. Die klare Würze wird erhitzt und der Hopfen zugegeben.

Nach dem Kochen der Würze werden die ausgelaugten Hopfendolden herausgefiltert, es beginnt der Gärprozess in offenen Gärbottichen. Während des Gärvorgangs darf die Temperatur 10 bis 12°C nicht übersteigen. Die Bierhefe bzw. ihr Enzym Zymase produziert aus dem Zucker Alkohol und Kohlensäure sowie eine Vielzahl organischer Moleküle, die in ihrer Summe das unverkennbare Aroma des Bieres abgeben. Die Bildung des Alkohols zeigt sich durch Schaumbildung auf der Oberfläche an: Das Bier hat „angekommen“. Nach ca. 8 bis 14 Tagen ist die Gärung beendet und das fast fertige Bier wird von der Hefe abgezogen. Qualitätsbiere werden danach noch einer Nachgärung ausgesetzt. Man unterscheidet zwischen unter- und obergärigen Biersorten. Bei den obergärigen Bieren sammelt sich die Hefe an der Oberfläche an, bei untergärigen sinkt sie auf den Boden. Obergärige Biere sind das Weizenbier, das Berliner Weißbier, das westfälische Altbier, um einige zu benennen. Anzurmerken bleibt, dass auch in Sandhausen im ehemaligen Gasthaus zur Wilhelmshöhe, Ecke Kirchstraße und Schnupferstraße gelegen, eigenes Bier gebraut wurde. Bierbrauer war Jakob Guldemann (geb. 1821), Bruder des Johann Philipp, der von 1865 bis 1880 Bürgermeister war. Das für die Kühlung notwendige Eis gewann der Brauer aus dem Duppelsee“, den ehemaligen nefragenden Wiesen im Großen Extenpfuhl, die eine ca. 1 ha große Eisfläche bildeten. In Eiskellern hat Guldemann das aus dem See geschlagene Natureis eingelagert.

Da das Eis für das ganze Jahr nicht ausreichte, konnte er nur für eine bestimmte Zeit sein eigenes Guldemann-Bier herstellen.

Leopold Gmelin, Begründer der Chemie an der Universität Heidelberg, untersuchte 1839 das Heidelberger Bier auf seinen Alkoholgehalt. Er fand 4,2 Prozent an absolutem Alkohol und 4,9 Prozent Trockenextrakt, der in etwa der Stammwürze entsprach. Es handelte sich danach um ein leichtes, spritziges Bier.


Die Pflege des Hopfens

Im Mai beginnt es mit dem Ausputzen und Anleiten der Pflanze, eine zeitaufwändige Arbeit. In mehreren Umgängen müssen alle außer den kräftigsten Triebe abgeschnitten werden. Diese werden im Uhrzeigersinn um den Aufleitdraht gewunden. Mit viel Fingerspitzengefühl muss besonders bei Wind der Kopf der Hopfentriebe am Draht gehalten werden, um sein Wachstum – bis zu 30 cm am Tag – nicht zu bremsen. Schon vorher musste der Boden für den Austrieb der Hopfen gelockert und gedingt werden. Ende Juni, Anfang Juli erreicht der Hopfen in der Regel die Gerüsthöhe der Anlage und beginnt zu blühen. Doch zuvor wird die Pflanze in ihrem unteren Teil entlaubt, um einen Nachwuchs weiterer Triebe und das Aufwandern von Schädlingen zu erschweren.

Anfang September beginnt die eigentliche Ernte. Dann heißt es in Sandhausen wieder „Hopfezopfe, Stiel dranlosse, wers net kann soll’s bleiwe losse“. Die Hopfenranken werden im Feld von den aufgespannten Drähten der Anlage geholt und zum Bauhof gebracht, wo Pflückerinnen und Pflücker auf die Ernte warten. Schon einige Wochen zuvor wurden die Bürger zur traditionellen Hopfenzopfen in den Gemeinde-Nachrichten eingeladen. Die freiwilligen Hopfenplücker, darunter auch der Bürgermeister, pflücken die Hopfendolden in Körbe. Selbstverständlich gibt es in dieser geselligen Runde viel zu erzählen und es wird auch immer für Speis und Trank gesorgt. Der frischgepflückte Hopfen wird anschließend gedarrt und geht danach an die Weide-Brauerei in Plankstadt, die aus dem grünen Gold“ das original Sandhäuser Bier braut.

Im Verlauf der Ausdoldung bilden sich aus den Blütenständen die zusammengesetzten Dolden oder Zapfen. Dabei entwickeln sich aus der Blütenstandachse die so genannten Spindeln. Aus Neben-, Deck-, Trag- und Vorblättern wird eine Hopfendolde. An etwa zehn bis zwölf Kniestellen der Spindel sitzen die Deck- und Vorblätter. Die Deckblätter sind am oberen Ende zugespitzt, die Vorblätter abgerundet. Die Deckblätter bilden den Schutz der Dolde; sie sind arm an Lupulin, während die Vorblätter Flugorgane sind und reichlich Lupulindrüsen aufweisen. Die Wellung der Spindel ist sehr unterschiedlich. Die Beschaffenheit ist deshalb ein Qualitätsmerkmal. „Feiner Hopfen“ hat eine dünne Spindel mit enger Wellung. Dadurch wird ein guter Doldenschluss bewirkt.

Alles das ist aber nur reine Theorie. Ohne die fleißigen und äußerst kompetenten Helfer ist aber die Sandhäuser Hopfendemonstrationsanlage nicht zu betreiben. Die ehrenamtlichen Arbeiter des Sandhäuser Hopfenfeldes sind: Hermann Schneider, Peter Breiter, Walter Herzog, Albert Burkhardt, Hermann Schmitt und Thomas Schneider.

Sie tragen dazu bei, dass die Tradition und Kultur des Hopfenanbaues in Sandhausen wieder zum Ortsbild gehört. Ihnen gilt der Dank der gesamten Gemeinde.

Wer bei einem Spaziergang oder einer Fahrradtour die Anlage besucht, kann sich von den vielfältigen Aufgaben vor Ort überzeugen. Auf vierzehn Lehrtafeln erfährt der Besucher der Hopfendemonstrationsanlage viel Wissenswertes über den Hopfenanbau. Die Texte der Schautafeln des Hopfenlehrpfades wurden von Schülern des hiesigen Gymnasiums im Rahmen eines Erdkunde-Grundkurses erarbeitet. Die Sandhäuser Hopfendemonstration im freien Feld ist das einzige Projekt landwirtschaftlicher Ortskultur als Heimatpflege in Baden-Württemberg.

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