VdK-Stammtisch stand im Zeichen der elektronischen Gesundheitskarte

(mam – 11.9.24) So schön der Sommer auch ist, er hat immer zur Folge, dass viele Veranstaltungen, so auch der VdK-Stammtisch, in einen temporären Ruhestand geschickt werden. Neigt sich aber der Sommer dem Spätsommer und den Vorboten des Herbstes entgegen, so erwachen auch wieder die Veranstaltungen aus dem kurzweiligen Dornröschenschlaf.

So auch der VdK-Stammtisch, der am Dienstag, 03.09.2024 in seine siebte Ausgabe in diesem Jahr gestartet ist.

Der VdK-Vorstand hat zu diesem Stammtisch Raimund Wittmann, stellvertretender Leiter der DAK Gesundheit Baden-Württemberg in Stuttgart, eingeladen, um über die elektronische Gesundheitskarte, die ab dem kommenden Jahr definitiv eingeführt wird, zu referieren. Man könnte vermuten, dies sei ein sehr trockenes und recht schwer verdauliches Thema, über das da gesprochen wurde. Aber ganz im Gegenteil! Der DAK-Experte holte die Gäste des Stammtisches mit sehr interessanten Hintergrundinformationen ab. Zunächst gab Raimund Wittmann einen kurzen historischen Abriss zu der Gesundheitskarte.

Die elektronische Gesundheitskarte (auch eGK genannt) ist eine erweiterbare Versichertenkarte für alles gesetzlich Versicherte. Sie ist als Chipkarte in Scheckkartenformat mit Lichtbild konzipiert. Sie ersetzte die am 1. Januar 1995 in Deutschland eingeführte Krankenversichertenkarte.

Warum wurde diese Gesundheitskarte überhaupt eingeführt?

Hintergrund ist, so der Referent, der Libobay-Skandal im Jahr 2001. Dieser gilt als auslösend für die elektronische Krankenakte. Die Untersuchung der schädlichen Nebenwirkungen des Präparates war schwer, da es zur Ermittlung von Wechselwirkungen kaum Aufzeichnungen gab, welche anderen Medikamente die betroffenen Patienten noch einnahmen. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger schlug eine Chipkarte vor, auf der alle verschriebenen Medikamente gespeichert und beim Eintrag eines neuen Präparates automatisch potentielle Wechselwirkungen analysiert werden. Gegebenenfalls wird eine Warnung ausgegeben. Im Jahr 2003 erstellte das damalige Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung eine europaweite Ausschreibung, um herstellerneutral die optimalen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die bundesweite Einführung der elektronischen Gesundheitskarte vorzubereiten. Verschiedene politische wie auch ärztliche Entscheidungen haben dazu geführt, dass dieses Projekt sich mehrere Jahre dahinzog ohne schlussendlich realisiert zu werden. Nun ist es soweit und die elektronische Gesundheitskarte geht im kommenden Jahr an den Start.

Doch was sind die Ziele der elektronischen Gesundheitskarte?

Raimund Wittmann verdeutlichte, dass es mehrere Ziele mit der Einführung der Karte erreicht werden sollen. Unter anderem sollen die Patientenrechte gestärkt werden, indem in zukünftigen Ausbaustufen wichtige Dokumente wie Arztbriefe, Befunde in einer individuellen, verschlüsselten Form abgelegt werden können.

Eine bessere administrative Kommunikation, beispielsweise indem bisher die nur für eigene Nutzung vorgesehenen Untersuchungs- und Laborergebnisse von Haus- und Fachärzten auch anderen Leistungserbringern zur Verfügung gestellt werden können. Der bessere Informationsaustausch führt dazu, unerwünschte Wechselwirkungen zwischen Medikamenten zu vermeiden.

Eine höhere Effizienz und damit verbundene Kostenersparnis, beispielsweise indem Doppeluntersuchungen vermieden werden und indem Behandlungsdaten im Notfall schneller verfügbar sind.

Gegen Ende seines Vortrags ging der DAK-Redner noch auf die Argumente ein, die für die elektronische Gesundheitskarte sprechen. Die Patienten haben volle informationelle Selbstbestimmung. Der Kritik bezüglich des Datenschutzes wird von Datenschutzbehörden entgegengehalten, dass die informationelle Selbstbestimmung der Patienten sowohl durch das geltende Recht als auch durch technische Maßnahmen wirksam geschützt werde. Die elektronische Gesundheitskarte sei geradezu als „Modellvorhaben“ anzusehen, das die Anforderungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts vorbildlich umsetze. Auch der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein Thilo Weichert entgegnete im Gesundheitsausschuss auf einen vom damaligen Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Daniel Bahr (FDP), gestellten Antrag zum Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte: „Tatsächlich kann dieses Sicherheitsinstrumentarium als ausreichend zur Wahrung des Datenschutzes angesehen werden, ja sogar als vorbildlich. Besonders bestechend ist bei der Konzeption, dass die sensiblen Medizindaten verschlüsselt abgelegt werden und das Lesen dieser Daten technisch nur mit Hilfe eines auf der eGK befindlichen privaten Schlüssels möglich ist. Diese Konstruktion bedeutet, dass – technisch – die Verfügungshoheit über die Medizindaten tatsächlich beim Patienten liegt.

Wie bei allem gibt es auch bei der elektronischen Gesundheitskarte massive Kritik, vor allem im Hinblick auf den Datenschutz. Datenschützer kritisieren seit langem den Umgang mit sensiblen Patientendaten in deutschen Arztpraxen und Kliniken sowie die heutige Art der Kommunikation zwischen den Ärzten. Bereits seit Jahren werden umfangreiche Datensätze im Rahmen der Hausarztverträge an die Kassen namentlich übermittelt. Seit Jahrzehnten übermitteln Vertragsärzte  der gesetzlichen Krankenversicherung, Vertragspsychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten alle Abrechnungsdaten ihrer Patienten inklusive Diagnosen und Verdachtsdiagnosen an die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV).

Die Daten der Privatpatienten werden in vielen Fällen ebenfalls elektronisch an Privatärztliche Verrechnungsstellen übermittelt, nicht selten ohne Zustimmung der Patienten. 

BG-Ärzte melden inzwischen auch alle Daten und Diagnosen überwiegend elektronisch im DALE-UV-Verfahren. Die Übermittlung erfolgt in der Regel ohne explizite Zustimmung der Patienten. Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen sind verpflichtet, Abrechnungsdaten einschließlich der codierten Diagnosen und Therapien elektronisch an die Kostenträger zu übermitteln. 

Trotz aller Bedenken, so Raimund Wittmann, ist die elektronische Gesundheitskarte sicher und die Daten vor Missbrauch geschützt. Im Unterschied zur bisherigen Krankenversicherungskarte, die „nur“ eine Speicher-Chipkarte war, ist die eGK eine Prozessor- Chipkarte, die erweiterte Möglichkeiten zum Beispiel durch Vorzeigen der digitalen Identität innerhalb der Telematikinfrastruktur eröffnet. Durch verschiedene Sicherheitstools innerhalb des Prozessors sowie Verschlüsselungsprozessen ist ein Auslesen durch Dritte nahezu unmöglich.

Sicherlich gibt es noch einige ungeklärte Fragen wie ‚Wer ist verantwortlich für die Sicherheit der Daten?‘, ‚Welche Entschädigung erhalten Patienten deren Gesundheitsdaten gehackt, geklaut oder missbraucht werden?‘, ‚Wer muss die Entschädigungen bezahlen?‘, ‘Wer wird strafrechtlich belangt, wenn Gesundheitsdaten gehackt, geklaut oder missbraucht werden?‘ und und und.

Diese Fragen werden sicherlich im Zuge der Einführung durch die Verantwortlichen in der Politik und in der Ärzteschaft beantwortet werden.

Raimund Wittmann ist sich sicher, die elektronische Gesundheitskarte bietet mehr Vor- als Nachteile und die sollte man sehen. Hinterher weiß man immer mehr und in der Praxis wird sich alles zeigen, so schloss der DAK-Referent seinen interessanten Vortrag. 

Wir sind alle gespannt, was die elektronische Gesundheitskarte uns bringen wird. Warten wir ab, die Zeit wird es bringen.

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