Vom Palais zur Braustube: Historiker Kratschmar entdeckt Nutzung des Alten Rathauses

Günter Kratschmar (Mitte) mit Ehefrau und Oberbürgermeister John Ehret am historischen Ort des Geschehens: dem Palais Seligmann und heutigen Alten Rathaus, das einst Brauerei und Gasthof war.
(fwu – 24.11.25) Mit historischer Leidenschaft, scharfem Forscherblick und der Geduld eines Archäologen des Papiers eröffnet Günter Kratschmar ein bislang weitgehend unerforschtes Kapitel der Leimener Stadtgeschichte. Im Zentrum steht sein neues Werk „Peter Matthäus Müller erzählt“, ein bemerkenswertes Buch, das aufwändig recherchierte Einblicke in das frühe 19. Jahrhundert bietet und zugleich den Auftakt einer neuen Kolumne in Leimen-Lokal bildet – einer Serie historischer Beiträge, der nächste Teile noch vor Weihnachten erscheinen werden.
Die Kolumne trägt gewissermaßen das Herzstück heimatkundlichen Engagements in sich: das Streben nach Vergewisserung der eigenen Wurzeln, die Lust am Entdecken des Unbekannten im Vertrauten – und die Fähigkeit, aus längst vergessenen Akten lebendige Geschichte zu formen.
Das Palais Seligmann / Alte Rathaus als Gasthof und Brauerei

Günter Kratschmar präsentiert sein Werk im historischen Rathaus Leimen vor dem Porträt des Erbauers Aron Elias Seligmann
Der Clou der ersten Enthüllung ist bemerkenswert: Das heutige Alte Rathaus Leimens – das Palais Seligmann – war in den Jahren 1832 bis 1841 nicht etwa ein herrschaftlicher Wohnsitz oder Amtsgebäude, sondern eine private Brauerei mit angeschlossener Gastwirtschaft. Peter Matthäus Müller, ein aus Sachsen stammender Braumeister, hatte das Anwesen mit Mitteln aus einem Heidelberger Erbe erworben und betrieb darin den Gasthof „Zum Badischen Hof“.
Diese Nutzung war bislang gänzlich unbekannt – sie fehlt in allen stadtgeschichtlichen Aufzeichnungen und wurde auch vom früheren Geschichtsverein nicht thematisiert. Dass ausgerechnet dieses zentrale Gebäude im Herzen Leimens einst als Ort geselliger Einkehr, des Bierausschanks und des Gastgewerbes diente, darf als historische Sensation gelten.
Günter Kratschmar, in Leimen geboren und aufgewachsen, erinnert sich in seinem Vorwort auch an seine persönlichen Anfänge im damaligen Rathaus, das in seiner Kindheit die Gemeindebücherei beherbergte – ein Ort der Bildung und Fantasie, der nun auch zum Gegenstand historischer Neuentdeckung wird.
Spurensuche mit Tiefenschärfe
Was sein Werk auszeichnet, ist der erzählerische Zugriff auf eine lokalgeschichtliche Biografie und die Sorgfalt, mit der Kratschmar archivalisches Material gesichtet, ausgewertet und kontextualisiert hat. Seine Nachforschungen führten ihn nach Heidelberg, Karlsruhe und Zwönitz, Versailles, Dunkerque und Straßburg. In französischen, österreichischen und deutschen Archiven fand er Dokumente, die die Lebensstationen Peter Matthäus Müllers und seiner Familie beweiskräftig belegen.
Der Leser wird im Laufe der Serie Zeuge eines bewegten Lebens, das weit über die Grenzen Leimens hinausweist: von der Rolle Müllers in der Badischen Revolution und seiner Inhaftierung in Bruchsal bis zu seinem späteren Wirken als Bierbrauer und Kaffeeriecher im Ausland. Nicht zuletzt wird auch die Geschichte seines Sohnes Georg Wilhelm, geboren 1837 in Leimen, beleuchtet.
Kolumne mit Rückblick: Die Prinzenbrücke als Einstieg
Wenngleich die eigentliche Serie mit Auszügen aus Kratschmars Buch beginnt, wird rückblickend auch ein bereits erschienener Artikel in die neue Kolumne eingeordnet: die Geschichte der Prinzenbrücke, ein steinernes Zeugnis adeliger Jagdgeschichte, das Kratschmar mit Fakten und archivalischen Details angereichert hatte. Dieser Text wird nachträglich in die Kolumne integriert und unter dem neuen Serientitel neu präsentiert.
Ein Beitrag zur lokalen Identität
Diese neue Kolumne ist ein Geschenk an Leimen – nicht nur, weil sie ein fast 200 Jahre altes Rätsel löst, sondern weil sie zeigt, wie viel Geschichte in unseren Straßen, Gebäuden und Namen verborgen liegt. Es ist das Verdienst von Günter Kratschmar, diese Geschichte nicht nur entdeckt, sondern auch aufgeschrieben zu haben – mit Empathie, mit Genauigkeit und mit einem feinen Gespür für das Wesentliche.
Man darf sich freuen auf die kommenden Auszüge aus seinem Buch – ein Stück wiedergewonnene Geschichte.
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