Neues Entwicklungs-Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ in Sandhausen errichtet

Ausweisung des ersten Entwicklungs-Naturschutzgebietes in Baden-Württemberg. Unterzeichnung der Schutzgebietsverordnung „Brühlwegdüne“ durch Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder.

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder unterzeichnete heute (15. September 2020) im Beisein von Bürgermeister Georg Kletti (Gemeinde Sandhausen) die Verordnung über das Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ vor Ort in den Sandhausener Dünen. Damit ist der Regierungsbezirk Karlsruhe um ein Naturschutzgebiet reicher und leistet einen weiteren Beitrag zum Natur- und Artenschutz.

Dies betonte auch die Regierungspräsidentin bei der Einweihung des neuen Schutzgebietes: „Die Brühlwegdüne ist das erste Entwicklungs-Naturschutzgebiet in Baden-Württemberg und leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und vor allem zur Entwicklung besonders schützenswerter Tier- und Pflanzenarten. Ich freue mich, dass wir dieses komplexe Vorhaben zusammen mit der Gemeinde Sandhausen zu einem erfolgreichen Abschluss bringen konnten.“ Auch Bürgermeister Kletti bewertet die Maßnahme als einen guten Beitrag zur Weiterentwicklung der seltenen Binnen-Dünenlandschaft in Baden-Württemberg.

Charakteristisch für ein Entwicklungs-Naturschutzgebiet ist, dass auf der ausgewiesenen Fläche nicht das geschützt werden soll, was bereits an wertvoller Natur vorhanden ist, sondern was in einer auf mehrere Jahrzehnte angelegten Entwicklung geschaffen wird. Diese Besonderheit unterscheidet das Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ von anderen ausgewiesenen Schutzgebieten.

Unter den derzeit größtenteils noch aus Wald bestehenden Flächen befindet sich eine durch eiszeitliche Flugsande geschaffene Binnendüne. Diese bietet das Potential zur Entwicklung der hochwertigen und europaweit bedeutsamen Lebensraumtypen „Sandrasen“, „Sandheiden“ sowie „Lichter Kiefernwald“. Sie bieten einen geeigneten Lebensraum für beispielsweise den Ziegenmelker, den einzigen heimischen Vogel aus der Gruppe der Nachtschwalben. Aber auch andere seltene, zum Teil stark gefährdete oder streng geschützte Vogelarten wie Heidelerche, Neuntöter, Wendehals, Wiedehopf oder Baumfalke werden hier ihren bevorzugten Lebensraum finden.

Von herausragender, landesweiter Bedeutung werden die Trockenstandorte der Dünen auch für zahlreiche wärmeliebende Insektenarten wie Sandlaufkäfer oder die blauflügelige Ödlandschrecke, einer gefährdeten Heuschreckenart, sein.

Bei den Pflanzen wird die Sandsilberscharte von den Entwicklungsmaßnahmen profitieren, die eine Charakterart für kalkhaltige Sandrasen ist und im benachbarten Naturschutzgebiet „Sandhausener Düne – Pferdstrieb“ ihre größte Population Baden-Württembergs hat.

„Weil viele Arten im benachbarten Naturschutzgebiet schon vorhanden sind, rechnen wir mit einer Besiedlung des neuen Naturschutzgebiets etwa durch flugfähige Tiere wie den Heuschrecken oder durch Windverdriftungen von Pflanzensamen“, so Dr. Jost Armbruster, der Projektkoordinator des Entwicklungsnaturschutzgebiets.

Die intensiven Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sehen hierfür in den nächsten 20 bis 25 Jahren eine Auflichtung des Kiefernbewuchses auf der Hälfte der Flächen und eine Umwandlung zu einem lichten Kiefernwald vor. Dazu erläutert Dr. Armbruster: „Damit wir nicht über das Ziel hinausschießen und nicht mehr als die gewünschten Freiflächen entstehen, werden wir in mehreren Phasen vorgehen.

In der ersten Test-Phase erproben wir jeweils auf kleinen Flächen, welchen Einfluss die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit auf die Entwicklung hat.“ Diese verschiedenen Entwicklungsflächen und einzelnen Entwicklungsphasen sind in der Verordnung über das Naturschutzgebiet sowie einer dazugehörigen Entwicklungskarte genau festgelegt.

Durch die Ausweisung der Flächen als Naturschutzgebiet kann das Gebiet gegen Veränderungen während und nach den Entwicklungsphasen gesichert werden. Es ist eine Einzäunung des Gebiets zum Schutz der Weidetiere und zum Schutz vor Trittschäden durch Erholungssuchende erforderlich. Der das Naturschutzgebiet querende „Bettelpfad“ ist hiervon ausgenommen und kann weiter als öffentlicher Weg genutzt werden. Ebenso genießen die bisher rechtmäßig ausgeübten Nutzungen und Einrichtungen grundsätzlich Bestandsschutz.


Hintergrundinformationen zur Entstehungsgeschichte des Naturschutzgebietes „Brühlwegdüne“

Das Naturschutzgebiet ist Teil des Ausgleichskonzepts des für die Region wichtigen Infrastrukturprojektes „Neubau der B 535 zwischen Heidelberg und Schwetzingen“. Als Ausgleich für diesen Neubau war ursprünglich im Plan-Feststellungsbeschluss von 1989 ein teilweiser Rückbau der L 600 vorgesehen. Auf Wunsch der Gemeinde Sandhausen, insbesondere mit Hinblick auf die verkehrliche Entwicklung der Region, wurde darauf jedoch verzichtet. Als Ersatz kamen die Straßenbauverwaltung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das Naturschutzreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Gemeinde Sandhausen im Jahre 2015 im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages überein, stattdessen das neue Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ auf den Sandhausener Dünen auszuweisen.

Die heutige Ausweisung stellt nun das letzte Modul des erarbeiteten Ausgleichskonzepts dar. Nach vielen Gesprächen und Verhandlungen konnte im Mai 2019 das förmliche Unterschutzstellungs-Verfahren mit der Anhörung der Träger öffentlicher Belange eröffnet werden. In diesem Rahmen stimmte der Gemeinderat Sandhausen dem bis dahin erarbeiteten Verordnungsentwurf einstimmig zu. Als Abschluss des förmlichen Beteiligungsverfahrens fand die vierwöchige Offenlage der Unterlagen statt. Mit der heutigen Unterzeichnung der Verordnung und nach ihrer Verkündigung kann sodann auf rund 32 Hektar Fläche mit den geplanten Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen begonnen werden.

Auf der Homepage des Regierungspräsidiums können die Verordnung des Naturschutzgebiets sowie die Karten mit dem Geltungsbereich einschließlich der Entwicklungskarte mit den Entwicklungsphasen eingesehen werden: 

Weitere Informationen zum Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ als Teil des Ausgleichskonzepts.

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