Auch bei Trennung und Scheidung: Eltern bleiben Eltern
(rnk) Gemeinsames Sorgerecht ist der Regelfall. In Trennungs- oder Scheidungssituationen befinden sich Kinder und Jugendliche vielfach in einer tiefen emotionalen Zerrissenheit zwischen den Elternteilen. Ihnen werden in vielen Fällen Entscheidungen aufgebürdet, die sie nicht treffen können und wollen. Häufig werden sie auch in die partnerschaftlichen Auseinandersetzungen der Eltern einbezogen und kennen die kleinsten Details in strittigen Scheidungsverfahren. Gleichzeitig haben die Eltern die Erwartung, dass Kinder ihre damit einhergehenden Bewertungen in die eigene Position übernehmen und sich vom anderen Elternteil distanzieren.
14 Jahre nach der Kindschaftsrechtsreform ist das gemeinsame Sorgerecht für Eltern nach einer Trennung und Scheidung heute der Regelfall. Nichtsdestotrotz nehmen die Auseinandersetzungen nicht ab, sondern eher zu. „Konfliktfelder sind vor allem das Aufenthaltsbestimmungsrecht, wo das Kind wohnen soll, sowie die Umgangsregelung, ob und in welcher form das Kind den anderen Elternteil besuchen darf“, erläutert Roland Schulz, Leiter des Jugendamtes im Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis. Die Eltern stellen bei den Familiengerichten dann die entsprechenden Anträge.
Mit der Schlichtungspraxis im familiengerichtlichen Verfahren soll dem Loyalitätskonflikt und der Verantwortungsbelastung der Kinder entgegengewirkt werden. Die Zielsetzung sieht vor, dass die Eltern in gemeinsamer Verantwortung die Entscheidungen für ihr Kind treffen sowie den Kontakt zum anderen Elternteil, bei dem es nicht ständig lebt, ermöglichen. Hierbei wird dem Recht des Kindes auf beide Elternteile Rechnung getragen.
Die Schlichtungspraxis wird in den für den Rhein-Neckar-Kreis zuständigen Gerichtsbezirken des Familiengerichts unter Kooperation der beteiligten Institutionen praktiziert. Jugendamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, psychologische Sachverständige, Anwälte und Richter geben nach diesem Ansatz keine Befunde, Diagnosen oder Stellungnahmen mehr über eine Familie ab, sondern bemühen sich in Beratungssituationen und Anhörungsterminen, die Eltern auf dem Weg zu einer gemeinsamen Entscheidung anzuleiten und zu unterstützen. Hierbei können die Familiengerichte die Eltern zu weiteren professionellen Beratungen wie beispielsweise beim Jugendamt verpflichten.
Nach Angaben des Jugendamtes zeigt die Praxis immer wieder, dass richterliche Beschlüsse, die den Eltern und Kindern auferlegt werden, oftmals weniger nachhaltig und stabil sind als in der Regel Lösungen, die streitende Eltern selbst und im gegenseitigen Einverständnis aushandeln. Der Allgemeine Soziale Dienst des Jugendamtes bietet Eltern auch bereits vor einem gerichtlichen Verfahren Beratung zur Findung einer gemeinsamen Lösung an.
Bei sogenannten Multiproblemfamilien, bei denen die Unterstützung des Jugendamtes nicht mehr ausreichend ist, setzt das Jugendamt Therapeuten der Erziehungsberatungsstellen ein, die im Rahmen des „Cochemer Modells“ versuchen, eine außergerichtlich Streitbeilegung zu erreichen.
Weitere Informationen gibt es beim Jugendamt im Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis unter Tel. 06221/522-1559.
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