GALL Haushaltsrede 2013

Ralf Frühwirt, Fraktionsvorsitzender GALL

Ralf Frühwirt, Fraktionsvorsitzender GALL

Sehr geehrte Damen und Herren, angesichts des vorliegenden Haushaltsentwurfs 2013 muss man sich die Frage stellen, ob Leimen das Griechenland Nordbadens ist. Es gibt meines Erachtens eine ganze Reihe von Ähnlichkeiten und parallelen Entwicklungen.

Hier wie da, war die Tendenz für diejenigen, die genau hin schauen wollten schon lange zu erkennen. Jeder,der es wissen wollte, konnte erkennen, dass sich Griechenland in den Euro geschmuggelt hat, dass man sich nicht ernsthaft bemühte Steuern auch wirklich einzutreiben, während man auf der anderen Seite fröhlich Geld ausgab. Natürlich sind die Probleme in Leimen andere, aber es gibt auch bei uns schon lange Kennzahlen, die bekannt sind und die allesamt seit Jahren in die Richtung weisen, dass irgendwann der Crash kommt.

Die IHK überläßt den Gemeinderäten seit vielen Jahren ihre Gemeindehaushaltsanalyse, in der wichtige Kennzahlen zwischen den großen Kreisstädten des RNK, sowie HD und MA verglichen, und auch zu den Durchschnitten im Bundesland ins Verhältnis gesetzt werden. Sieht man sich die Gesamtsteuereinnehmen, die Gewerbesteuereinnahmen, die Freie Spitze oder den Schuldenstand, jeweils pro Einwohner an, so ergibt sich ein seit Jahren kontinuierlich schlechtes Bild für Leimen.

Eine andere, noch drastischere Entwicklung spiegelt sich in der Entwicklung des Anlagevermögens zu den Kreditschulden. Ich habe darauf schon in vorangegangenen Haushaltsreden hingewiesen, aber offensichtlich ist es noch nicht angekommen, außer vielleicht bei der Verwaltung. Während man nämlich bis zum HH 2011 im Vorbericht die Entwicklung dieser Zahlen über die vergangenen 15 Jahre zurückverfolgen konnte, hat man sich in HH 2012 auf die letzten sieben Jahre beschränkt, sodass die Ernsthaftigkeit der Situation nicht ganz so deutlich wird. Ich habe mir daher die Mühe gemacht, auf die alten Haushalte zurück zu greifen. Im Jahr 2000 betrug der Schuldenstand pro Einwohner 648 €, das Vermögen 4101 €, das heißt, für jeden € Schulden standen mehr als sechs € Vermögen zu Buche. 2010 war das Verhältnis 1250 € pro Kopf Verschuldung zu 3078 € Vermögen, also ca. 1 : 2,5. Dabei muss man noch zwei andere Faktoren berücksichtigen:

1. Im selben Zeitraum sind auch die Schulden der Eigenbetriebe angestiegen und

2. Während sich die Schulden anhand der laufenden Kredite sehr genau abschätzen lassen, ist das beim Vermögen in vielen Fällen nicht der Fall. Möglicherweise erklärt das, die sehr zögerliche Herangehensweise an die Umstellung auf die Doppik. Denn hier muss zunächst einmal eine Eröffnungsbilanz erstellt werden und dafür muss das Vermögen so genau wie möglich bewertet werden. Es steht zu befürchten, dass dabei noch wesentlich weniger heraus kommt, als die von mir dargestellten Zahlen.

Eine weitere Ähnlichkeit zwischen Griechenland und Leimen, ist die, dass die gegenwärtige Situation jeweils aus einer Mischung aus Eigenverschulden und äußeren Einflüssen, die kaum zu steuern sind, entstanden ist. Für Griechenland sind diese äußeren Einflüsse beispielsweise die Tatsache, dass sie als von den Ratingagenturen schlecht bewertetes Land für ihre Kredite auch noch höhere Zinsen zahlen müssen, als etwa Deutschland, dem es relativ gut geht, oder dass die Konstruktion des Euro Länder mit einer schwächeren Wirtschaft noch zusätzlich benachteiligt, weil sie ihre schlechtere Leistungsbilanz nicht mehr durch Abwertung ihrer Währung ausgleichen können.

Für Kommunen in Deutschland liegt das größte äußere Risiko darin, dass Bund oder Land sich neue Wohltaten für die Bürger ausdenken, deren Kosten dann ganz oder teilweise an den Kommunen hängen bleiben, weil die Kommunen im Gesetzgebungsverfahren immer noch keine Stimme haben und das Konnexivitätsprinzip von den höheren Ebenen nicht eingehalten wird. Die kommunale Selbstverwaltung wird dadurch ausgehöhlt, ob bewusst oder nur aus Bequemlichkeit, das steht dahin. Aber ich befürchte, dass bei einem anhalten dieser Tendenz viele Kommunen zusammen brechen werden, und da natürlich die zuerst, die nicht genügend eigene Leistungsfähigkeit aufbringen, sich dem Trend noch eine Weile entgegen zu stellen.

Einen Schritt voraus ist uns Griechenland, was den zumindest partiellen Verlust des Selbstbestimmungsrechts über seinen Haushalt angeht. Die Troika fordert im Gegenzug für Hilfen drastische Sparmaßnahmen. Leimen dagegen kann über seinen Haushalt noch selbst verfügen. Aber, dass es nicht ewig so weiter gehen wird, zeigt der Haushalt 2013 deutlich. Nachdem wir in den vergangenen Jahren die Eigenbetriebe sukzessive ihres Eigenkapitals beraubt haben, ist dort eigentlich nichts mehr zu holen. Aber man kann ja immer noch die Pauschalverträge kürzen, sodass jetzt auch bei den TBL, dem bisher einzigen schuldenfreien Eigenbetrieb Kredite aufgenommen werden müssen.

Die allgemeine Rücklage ist erschreckend nah am Minimum, auch dort ist nichts Nennenswertes mehr zu holen. Bleibt noch der Bereich, der auch in der Vergangenheit schon immer dann zum Haushaltsausgleich heran gezogen wurde, wenn es eng wurde: Das scheinbar so unerschöpfliche Füllhorn der Grundstückserlöse. Sage und schreibe 6,87 Mio. € sollen hier in 2013 erlöst werden, wenn die Investitionsmaßnahmen umgesetzt werden sollen. Das ist, so weit ich zurück blicken kann ein einsamer Rekordwert und die Ergebnisse der letzten Jahre legen es nahe, dass davon ca 50% tatsächlich erzielt werden. Die Frage ist, ob man sich denn darüber freuen sollte, wenn wir im kommenden Jahr tatsächlich all das verkaufen, was hier eingeplant ist.

Zum einen lassen sich damit zwar die Investitionen bezahlen, zum anderen aber sind wir damit einen Gutteil unseres Tafelsilbers endgültig los. Denn tatsächlich neigt sich auch das Füllhorn Grundstückserlöse dem Ende entgegen. Da in den vergangenen zehn Jahren neue Grundstücke nur noch dann gekauft wurden, wenn sie unmittelbar benötigt wurden und wir in Ermangelung neuer Baugebiete auch keine Grundstücke mehr aus Umlegungen gewinnen konnten, hat unser Bestand kontinuierlich abgenommen. Was jetzt noch da ist, sind überwiegend die schwer verkäuflichen Reste.

Durchaus möglich, dass man beim Verkauf des alten Sportplatzes deshalb so dünnhäutig auf die Bürgerproteste reagiert hat und sich lieber dem Risiko aussetzt, für die Missachtung von Mitbestimmungsrechten verurteilt zu werden, als einen fetten Fisch von der Angel zu lassen. Ich sage es hier für die GALL nochmals deutlich: Unabhängig davon, wie man zu dem Verkauf grundsätzlich steht, ob mit oder ohne Bäume, wir dürfen Bürgerbeteiligung nicht von der Kassenlage abhängig machen und für uns ist das Thema mit dem fällen der Bäume noch lange nicht abgeschlossen.

Rechnet man die Umschuldungen aus dem Vermögenshaushalt heraus, die ja sowohl in Einnahmen. Als auch in Ausgaben in gleicher Höhe auftauchen, so machen die Verkaufserlöse von den 11 Mio., die der Vermögenshaushalt dann noch umfasst ca 60% aus, von denen wie gesagt die Hälfte eher unwahrscheinlich ist. Zweitgrößter Posten – weit abgeschlagen – sind neue Kredite mit 1,4 Mio., die damit noch über der Zuführung vom Verwaltungshaushalt liegen und auch nur noch knapp über den 1,16 Mio. an Kredittilgungen.

Angesichts dieser Zahlen darf man sich fragen, was am Ende des Jahres von dem ambitionierten Bauprogramm in Höhe von 8,6 Mio. € übrig bleiben wird. Und man darf sich auch fragen, wie sich künftige Investitionen schultern lassen. Das neue Rathaus beispielsweise steht nur mit einer Rate von 248 000.- € im HH. Und dies ist eine Investition, die sobald wir sie einmal begonnen haben, auch nicht mehr zu schieben und zu strecken ist. Für uns ist klar, dass das neue Rathaus uns keinesfalls teurer kommen darf, als die Räumlichkeiten, die wir dafür verlassen. Wir hoffen darauf, dass uns der Architektenwettbewerb hier auch kreative Lösungen aufzeigt, unsere Mittel langfristig möglichst effizient einzusetzen.

Und es gibt noch weitere dringliche Zukunfttsaufgaben, die auch nicht ganz ohne Geld zu bewerkstelligen sein dürften. Ich nenne hier im Bildungsbereich nur die notwendige Fortentwicklung der GSS zur Ganztages- und Gemeinschaftsschule. Wenn wir hier nicht im kommenden Jahr zumindest mit den Planungen beginnen, ist die Schule perspektivisch in ihrem Bestand gefährdet.

Oder der weitere barrierefreie Ausbau unserer Infrastruktur. Nachdem man hier lange im Dornröschenschlaf verharrt hat, gab es in den letzten Jahren einige begrüßenswerte Fortschritte, insbesondere für NutzerInnen des Nahverkehrs, aber auch beim Rathaus St. Ilgen. Wir freuen uns daher, dass auch in diesem HH wenigstens mit einem kleinen Betrag auf diesem Weg weiter gegangen wird. So sind 30 000.-€ für den barrierefreien Zugang des Bürgerhauses eingeplant. Das wird für eine optimale Lösung nicht reichen, die ohnehin kaum möglich sein dürfte, aber sie wird dazu führen, dass die zentralen Räume des Bürgerhauses künftig gehbehinderten Menschen nicht mehr verschlossen bleiben.

Während Griechenland wenigstens bei den Personalkosten sparen kann, indem Behörden geschlossen werden, die keine Aufgaben haben oder indem man pensionierten aber bereits verstorbenen Beamten keine Pensionen mehr auszahlt, dürften die Personalkosten bei uns perspektivisch eher nach oben gehen. Einsparungen im Bestand, ohne Reduzierung der Aufgaben sind wohl nur noch schwer möglich, denn eine der wenigen Kennzahlen, bei denen die Stadt Leimen im Vergleich mit anderen Kommunen gut abschneidet, sind die Personalkosten, die schon seit Jahren sehr günstig liegen, sowohl was den Anteil am Verwaltungshh. Betrifft, als auch pro Einwohner.

Dennoch sind Steigerungen schon dieses Jahr, aber auch 2014 hier unausweichlich, da wir derzeit an 12 Kindergartengruppen bauen und auch noch eine Waldkindergartengruppe planen. Über den Daumen macht das mehr als 20 weitere Erzieherinnen, die in 2013 noch nicht voll eingepreist sind.

Angesichts all dieser doch sehr ernüchternden Zahlen waren wir doch erstaunt, dass im Verlauf der HH-Vorberatungen so gar nichts an Maßnahmen angesprochen wurde, wie diese mittlerweile bedrohliche Situation wenigstens mittelfristig zu beheben ist. Denn zu dem, was ich hier in den letzten Minuten aufgezählt habe, kommen ja noch ein paar externe Risiken: Die gute Konjunktur der letzten Jahre wird nicht ewig währen und sei es nur weil unsere Kunden im Ausland kein Geld mehr haben uns unsere Exporte abzukaufen. Die Finanzmärkte, die uns die letzte Krise beschert haben, sind nach wie vor nicht an die Kette gelegt und machen fröhlich da weiter, wo sie vor der Finanzkrise aufgehört haben. In China und den USA wachsen bereits die nächsten Blasen heran, die der Weltwirtschaft um die Ohren fliegen können. Und ob die Zinsen dauerhaft auf den Tiefstständen der letzten Jahre bleiben, wovon eine hochverschuldete Stadt wie Leimen deutlich profitiert, ist auch nicht ausgemacht.

Die GALL kann dem vorgelegten Haushalt in dieser Form nicht zustimmen, da wir ihn auf der Einnahmeseite für unrealistisch halten. Außerdem haben wir Vorschläge vermisst, den HH auf ein gesundes Fundament zu stellen. Für das kommende Jahr regen wir an, dass die Haushaltsstrukturkommission wieder belebt wird, bevor wir dem Beispiel Griechenlands folgen und andere über unseren Haushalt bestimmen.

Wir danken der Kämmerei für die umfangreichen Vorlagen.

Ralf Frühwirt, GALL Fraktionsvorsitzender

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