Demografischer Wandel aus dem Blickfeld der Jugendhilfe
(bs – 5.3.139 Die CDU – Kreistagsfraktion wird sich in der 2. Jahreshälfte mit dem Thema Kinder- und Jugendarbeit im Blickfeld des Zensus 2011 näher beschäftigen. Vorab informieren wir Sie über die derzeitige Situation.
Nach dem Ergebnis der vom Statistischen Lande-samt veröffentlichten Bevölkerungs-Vorausberechnung für Baden-Württemberg wird sich die Einwohnerzahl des Landes von 10,7 Mio. Einwoh-nern in 2008 auf 9,11 Mio. im Jahr 2060 verringern. Das gibt einen Rückgang von 1,64 Mio. Einwohner.
Die Grundtendenz dieser Entwicklung führt zu völlig unkalkulierbaren gravierenden Verwerfungen in der Bevölkerungsentwicklung.
Der vorausgeschätzte Rückgang der Bevölkerungszahl um rd. 15 % über einen Zeitraum von 50 Jahren ist für sich betrachtet noch keine dramatische Entwicklung. Das Szenario einer aussterbenden Gesellschaft lässt sich damit nicht beschreiben. Die Verhältnisse im Jahr 2060 werden damit denen zu Beginn der 70er Jahre entsprechenden.
Auf der anderen Seite ergab sich in den beiden vergangenen Jahren ein Wanderungsgewinn wie zuletzt 1995, der das Geburtendefizit ausgeglichen hat.
Bedeutsamer als der mögliche Rückgang der Bevölkerung sind allerdings Veränderungen in der Zusammensetzung der Familienstruktur. Insbeson-dere ältere Menschen (über 85 Jahren) werden prozentual kräftig zunehmen. Der Anteil junger Menschen (unter 21 Jahren) wird von 21, 7 % auf 16,7 % zurückgehen, wenn dies nicht durch Wanderungsgewinne kompensiert wird.
Damit sind Kinder und Jugendliche gesellschaftlich gesehen, ein knappes Gut. Dies entspricht einem Verlust von rd. 800.000 jungen Menschen. Die Alterspopulation innerhalb der Gruppen unter 21 Jahren verändert sich unterschiedlich. Kinder unter sechs Jahren werden die geringsten Veränderungen erfahren.
Bezogen auf die Altersklassen zwischen 15 und 18 Jahren bzw. 18 bis 21 Jahren wird der Verlust am Stärksten ausfallen.
Bei der Veränderung der Population ist der Rhein-Neckar-Kreis im Landesvergleich noch relativ gering betroffen. Bis 2025 wird diese Populationsgruppe sich auf 86 % zurück entwickeln. In ländli-chen Landkreisen führt diese Entwicklung zu weit dramatischeren Ergebnissen. Hier werden Werte von Verlusten von über 20 % erzielt. Die Stadtkreise sind von dieser Entwicklung in geringerem Maße betroffen. Allerdings muss man sehen, dass heute schon die Stadtkreise weit weniger Jugendliche habe als die Landkreise. Am stärksten sind die Rückgänge in der Alterspopulation zwischen 15 und 18 Jahren. Aber auch in diesem Vergleich steht der Rhein-Neckar-Kreis mit einem Verlust von etwa 17 % noch relativ gut da. Der Landkreis Sig-maringen beispielsweise verliert hier 31,6 %. Im Rhein-Neckar-Kreis wird die Population der 0 bis 21jährigen an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2025 von etwa 21 % auf 18,3 % zurückgehen
Diese Verschiebung wirft eine Vielzahl von Problemstellungen auf. Die Perspektiven von Kindern und Familien in einer alternden Gesellschaft führt zu Handlungserfordernissen für die Kinder- und Jugendhilfe:
Junge Menschen werden zu einem knappen Gut
Damit geraten Jugendliche und Familien stärker in den Blickpunkt
Kinder und Familien benötigen eine stärkere bürgerschaftliche bzw. politische Lobby
Die Stärkung der Familien hat auch einen volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Hintergrund
Die Anzahl der produktiven Bevölkerungssegmente (21 bis 65 Jahre) ist rückläufig. Dies führt zu einer Verknappung von Arbeitskräften.
Dies muss nicht zwangsläufig zu Problemen führen. Allerdings müssen mehr Menschen die Chance haben, berufstätig zu sein. Dafür sind die Voraussetzungen zu schaffen, um gerade für Schwächere eine bessere Teilhabe am Berufs- und Arbeitsleben zu erschließen.
Verteilungskonflikte könnten sich ergeben. Die Alterung der Gesellschaft könnte zu vermehrten Leistungen nach dem SGB XII und einer höheren Finanzierung von Pflegeleistungen führen. Damit entsteht Druck auf die kommunalen Finanzen.
Die Diskussion U3 hat dazu geführt, dass andere Problematiken in den Hintergrund getreten sind: Ganztagesplätze in Kindertageseinrichtungen und altersgemischten Gruppen. Ebenso sind Arbeitsfelder in der Kinder- und Jugendarbeit stärker in den Blickpunkt zu nehmen. Daneben sind Übergänge zwischen Schule und Beruf, Schulsozialarbeit, Bildungseinrichtungen stärker auf benachteiligte Kinder auszurichten.
Was ist zu veranlassen?
Daher bedarf es einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Bessere qualitative Ausgestaltung von Angeboten in Kindertageseinrichtungen
Ausbau von ganztägigen Betreuungsangeboten (Ganztagsschule, Horte)
Breiter angelegte Bildungsanstrengungen. Diese dürfen sich nicht nur auf die Schule beschränken, sondern müssen auch Schulsozialarbeit, Jugendberufshilfe, Mobile Jugendarbeit, Offene Jugendarbeit, Vereine mit einbeziehen.
Bildungschancen von Benachteiligten (bildungsferne Familien, Migranten) sind zu optimieren
Auch in Baden-Württemberg ist Armut von Kindern und Jugendlichen kein Randphänomen.
Armut beeinträchtigt Entwicklungs- und Teilhabechancen. Die beste Hilfe kann Kindern in Kindertageseinrichtungen zu Teil werden. Aus diesem Grund ist dafür zu werben, dass ihnen Zugänge in diese Angebote nicht verschlossen werden. In den Bedarfsgemeinschaften leben rund 400 Kinder unter 15 Jahren.
Junge Menschen mit Migrationshintergrund haben in Baden-Württemberg einen Anteil von 33 % der Altersbevölkerung unter 18 Jahren. Auch sie sind stark von Beeinträchtigungen betroffen. Hier ist zu prüfen, wie wir eine bessere Integration erreichen können.
Familienbildung (Programm Stärke) ist fortzusetzen und auszubauen.
Berufsfelder im Bereich der Erzieherinnen sind attraktiver zu gestalten. Wenn für Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen eine Fachhochschulbildung verlangt wird, muss dies auch eine bessere Vergütung zur Folge haben. Darüber hinaus besteht Handlungsbedarf, mehr Fachkräfte mit einem Migrationshintergrund zu gewinnen. Die Gruppengröße der Kindergärten ist zu hinterfragen.
Fachkräftegewinnung durch duale Ausbildung
Da insbesondere Kinder mit Migrationshinter-grund oder an ausbildungsfernen bzw. armen Familien in der Bildungsbeteiligung Defizite aufweisen, gilt es, die Aufmerksamkeit der Kommunalpolitik auf diese Bevölkerungs-schichten zu lenken. Es geht schulischerseits um die Vermittlung der deutschen Sprache und um die Bereitstellung von Förderunterricht (schulische Aufgabe).
Außerdem wird ein ausdifferenziertes berufli-ches Schulsystem benötigt (siehe Kreis), um benachteiligte Kinder in der Hauptschule abzu-holen und dort bedarfsgerecht zu fördern. Für Schüler mit Defiziten sind die Übergänge zu überprüfen (Hauptschule / Berufsschule) und mit Instrumenten der Jugendberufshilfe bzw. des ESF zu fördern (Verzahnung Jugendamt / Schule / Arbeitsagentur)
Das Jugendamt strebt dazu eine Zusammenar-beit mit der BA an (Bündnis Jugend und Beruf), um einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Ihre lokale Internetzeitung für Leimen, Nußloch, Sandhausen
Kurz-URL: https://leimenblog.de/?p=30433