Leimener Haushaltsreden 2022:
Ralf Frühwirt, (GALL)

(pm – 1.2.22)  Kommunalpolitik ist spannend, abwechslungsreich und vielfältig, das kann man auch in unserem Gremium immer wieder erleben. Sie kann aber auch ermüdend, anstrengend und frustrierend sein. Und manchmal fühlt man sich wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, weil man das Gefühl hat dieselbe Debatte immer wieder zu führen, dieselben Argumente ständig neu vorzubringen und dieselbe Abstimmung permanent aufs Neue abzuhalten.

Ralf Frühwirt, GAL Leimen (Bild: Archiv)

Jedes Jahr, wenn ich mich hinsetze, um eine neue Haushaltsrede zu schreiben, lese ich mir meine Rede vom letzten Jahr noch einmal durch, schließlich will ich ja niemanden durch Wiederholungen langweilen. Aber diesmal ging es mir tatsächlich wie Phil Connors jenem Wetteransager, der in dem Murmeltierfilm denselben Tag immer wieder erleben muss. Ich hatte das Gefühl, dass ich dieselbe Rede mit einigen marginalen Änderungen wieder halten könnte. Denn so ähnlich sich die Murmeltiertage in Punxsutawney sind, so wenig hat sich an Leimens  Haushaltsstruktur verändert.


Leimener Haushalt 2022 – Die Stellungnahmen von OB und Fraktionen:


Und hier wie da ist das ein Problem. Sogar die äußeren Umstände sind nahezu gleich geblieben. Ich bin letztes Jahr ausführlich auf die Auswirkungen von Corona auf unser persönliches Leben wie auch auf die Entwicklung der Stadt eingegangen. Damals habe ich der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass mit den anstehenden Impfungen wieder Normalität einziehen könnte. Wir alle wissen wie das bisher gelaufen ist.

Die Impfquote hat sich gerade mühevoll auf 73,6% gekämpft, und auf den Straßen spazieren Leute herum, die allen gegenteiligen Belegen zum Trotz einer Impfung noch immer misstrauen. Als zweite große externe Herausforderung bin ich im letzten Jahr auf die Klimakatastrophe eingegangen, und bei dieser ist schon länger klar, dass uns das Murmeltiergefühl noch sehr lange begleiten wird, selbst dann wenn wir dramatische Weichenstellungen hin zu einem nachhaltigen Lebensstil veranlassen. So wie im Film jeder Tag ein wenig anders ist, aber immer wieder auf dasselbe hinaus läuft, so begegnet uns der Klimawandel auch mit immer neuen Herausforderungen, die aber auch immer denselben Grund haben.

Mal leiden Mensch und Wald unter brütend heißen Sommern, mal reißen Tornados, die man in Mitteleuropa nicht kannte Schneisen der Verwüstung in die Landschaft, oder wie 2021 sterben über 130 Menschen innerhalb weniger Stunden in einer katastrophalen Flut. Man kann sich weigern den gemeinsamen Grund dafür anzuerkennen, man kann sich auch weigern unseren Lebensstil dafür verantwortlich zu machen. Doch dann ist man dazu verdammt dieselbe Erfahrung wieder und wieder zu machen.

Aber nicht nur bei diesen äußeren Faktoren ist vieles gleich geblieben. Auch im Leimener Haushalt werden nach wie vor falsche Schwerpunkte gesetzt, wichtige Maßnahmen nicht oder nur zögerlich voran gebracht, und die finanzielle Nachhaltigkeit sträflich außer Acht gelassen.

Zum Thema falsche Schwerpunkte darf die Schulhoftiefgarage natürlich nicht fehlen. Diese wird irreführend als Rathaustiefgarage bezeichnet, obwohl sie weder unter dem Rathaus, noch unter dem Rathausplatz liegt, sondern neben der Turmschule unter dem Schulhof. Aber dieser semantische Trick ist das Kleinste der Probleme dieser Garage. Dieses Jahr schlägt sie nur mit 250000.-€ an Planungskosten zu Buche. Eine Viertelmillion, die man unseres Erachtens wesentlich sinnvoller für andere Projekte hätte einsetzen können.

Mit über vier Millionen ist sie im nächsten und den folgenden Jahren eingeplant. Kostensteigerungen sind zu erwarten, die benötigten neuen Räume für die Musikschule sind  nirgends zu finden und die jährlichen Folgekosten für die fertige Tiefgarage sind noch nicht einmal irgendwo veranschlagt. Diese werden auch nach dem Bau den städtischen Haushalt auf Jahrzehnte hinaus belasten, denn keine kommunale Tiefgarage wird kostendeckend betrieben.

Das einer Stadt  zuzumuten, die ohnehin über ihre Verhältnisse lebt, ist schon aus finanzpolitischer Sicht völlig inakzeptabel. Geht man davon aus, dass die Stellplätze für PKW in Zukunft tatsächlich in dem heutigen Umfang noch benötigt werden, dann ist eine Tiefgarage die teuerste und unflexibelste Lösung. Tiefgaragenstellplätze kosten deutlich mehr als etwa ein modernes Parkhaus, wie wir es an der St. Ilgener Straße vorgeschlagen haben. Wir haben auch andere mögliche Standorte, zum Beispiel in der Nußlocher Straße neben dem Seniorenheim oder beim Schwimmbad ins Spiel gebracht, keiner davon wurde auch nur ernsthaft geprüft, zu sehr hat man sich in die Tiefgarage verbissen.

Man hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, zu prüfen, wie man vorhandene Flächen optimal nutzen oder aktivieren kann. Die meist leer stehende Georgi Tiefgarage wird schlicht ignoriert, dabei könnten hier nicht nur bei den Teilzeitparkern im 1. UG viele unter kommen, man könnte sich auch
Gedanken darüber machen Stellplätze im 2. UG umzuwidmen, wenn denn tatsächlich Bedarf besteht. Auch auf dem Brauereigelände könnten sicher noch Stellplätze aktiviert werden, wenn man mit den Beteiligten ins Gespräch geht.

Unflexibel wäre die Schulhoftiefgarage auch, weil sie einmal gebaut, nicht mehr zu verändern ist. Der heute prognostizierte Bedarf wird quasi in Beton gegossen, und noch nie wurde bei Mehrbedarf noch ein Stockwerk unter eine TG gebaut, oder bei weniger Bedarf ein Geschoss aufgegeben. Dabei wissen wir alle, dass sich gerade im Verkehrssektor vieles verändern wird. So hat der ADAC in einer Studie festgestellt, dass der Wunsch nach Automobilität wohl in den nächsten zehn Jahren nicht abnehmen wird, aber Verkehrsteilnehmer immer mehr Wert auf Flexibilität legen.

Das bedeutet, es wird weniger wichtig ein Auto zu besitzen und damit überall hin zu fahren, sondern ein Auto zur Verfügung zu haben, wenn man eines braucht. Das ist nur ein Trend, der in der jüngeren Bevölkerung und in größeren Städten heute schon zu sehen ist. Tiefgaragen in diese sich verändernde Verkehrs-Landschaft zu setzen ist keine zukunftsfähige Verkehrspolitik.

Ein anderer Aspekt bei den falschen Schwerpunkten ist unseres Erachtens, dass immer noch zu viele Mittel in die Repräsentation fließen. „Die Braut schmücken“ nannte das der OB zu Beginn seiner Amtszeit. Feuerwerke, Riesenräder, Weinproben, große Kulturevents, Gartenschau und
andere Dinge, die gedacht oder gemacht wurden, um Leimen ins richtige Licht zu rücken. Natürlich feiern wir alle gerne, aber als Hartz 4 Kommune kann es eben nicht Champagner und Kaviar sein.

Statt dem Rollgriff in ohnehin leere Kassen ist Kreativität angesagt, dann kann man auch aus wenig viel machen. Das ist noch nicht überall angekommen, und so mussten wir uns um die Reduzierung des Festetats heftig streiten, bevor hier 130 000.-€ eingespart werden konnten. So manche versteckte Ausgabe in diesem Bereich kommt eher durch Zufall und Nachfragen ans Licht. So waren 20000.-€ für den Ratskeller eingeplant, und die meisten Rät*innen wunderten sich.

Neue Tische und Stühle sollten es sein, weil man die alten weggeworfen hatte. Eine kurze Berechnung gab, dass man den kleinen Raum mit normalen Büromöbeln auch schon für 5000.-€ einrichten kann. Auf den Kürzungsantrag kam dann der Aufschrei, dass das nicht geht, weil „Wir“  etwas Repräsentatives wollen. Nobelmöbel im Kellerseparee für die nächste Weinprobe? Es wurde nicht klar, wer diese ominösen „Wir“ sind. Der Gemeinderat jedenfalls nicht, der nie über den Ratskeller und seine künftige Nutzung beraten hat. Zum Glück fand sich eine Mehrheit dagegen.

Neben diesen falschen Schwerpunkten gibt es auf der anderen Seite viele Maßnahmen oder Planungen, die liegen bleiben oder nur im Schneckentempo voran gehen. Ich bin in meiner letzten Haushaltsrede näher auf die Digitalisierung unserer Stadt eingegangen, daher sei sie diesmal nur am Rande erwähnt.

Es gibt den bekannten Spruch von dem Papier das geduldig ist. Der verweist oft darauf, dass viele Pläne gemacht werden, die dann in der Schublade liegen und langsam zustauben. Wir hier in Leimen haben nicht einmal Pläne. Die Klimakonzeption, zu der wir uns dem Kreis gegenüber verpflichtet haben sollte spätestens Ende 2020 vorliegen. In Leimen ist sie noch nicht einmal begonnen.

Das Mobilitätskonzept, das wir uns selbst geben wollen, wurde noch nicht einmal in Ansätzen diskutiert. Die Wärmeplanung, die das Land für Große Kreisstädte vorschreibt, wurde von uns schon einmal angesprochen. Gehört hat man seither nichts mehr davon. Bis Ende 2023 muss sie fertig sein.

Die Lichtkonzeption, die von der Verwaltung avisiert wurde, nachdem im Rat schon viel über Lichtverschmutzung, nächtliche Festbeleuchtung auf unseren Straßen, und der Möglichkeit von Abschaltungen gesprochen wurde, hat auch noch nicht das Licht der Welt erblickt. Vielleicht ist es nur Zufall, dass all diese Konzeptionen mit Klima- und Naturschutz zu tun haben, aber sicher ist, dass wenn sie denn auf dem Tisch liegen daraus auch Maßnahmen resultieren. Das wird dann auch Geld kosten, und es wird noch weniger zum feiern bleiben. Vielleicht ist das der Grund, für die Zurückhaltung auf diesem Gebiet.

Zum Ende meiner kargen Worte komme ich noch auf das Thema finanzielle Nachhaltigkeit zurück. Das Einzige was in den letzten Jahren verlässlich gewachsen ist in unserer Stadt waren die Schulden. Mit 110 Millionen € als Gesamtverschuldung aller Haushalte einschließlich der Eigenbetriebe werden sie Ende des Jahres einen einsamen Rekord erreichen.

Die pro Kopf Verschuldung liegt dann bei über 4000.-€ und ist innerhalb von nur zwei Jahren um nahezu 600.-€ angestiegen. Und damit ist das Drama noch längst nicht beendet. In der Mittelfristigen Finanzplanung werden bis 2025 noch einmal locker 25 Millionen drauf gepackt, und das nur im
städtischen Haushalt.

Ich denke an dieser Stelle war eine kleine Pause durchaus angebracht. Und dann darf man sich mit Fug und Recht fragen: What the Fuck?/ Was hier eigentlich los ist? Zu Beginn unserer Diskussionen um den Haushalt ging die Verwaltung noch von neuen Schulden in Höhe von 13,5 Mio. aus. Nach mehreren zähen Sitzungen sind wir jetzt bei 9,2 Mio. angelangt. Das ist immer noch viel zu viel, und die Tatsache, dass man dem OB jeden einzusparenden Euro abringen muss macht einen manchmal sprachlos. Immer findet sich ein Grund, weshalb hier gerade nicht eingespart werden darf, oder hier gerade nicht Einnahmen gesteigert werden sollten.

Wenn er eine Prämie für jeden Euro Neuverschuldung bekäme, könnte er sich nicht mehr ins Zeug legen. Lieber Herr Reinwald, in einen Haushaltsentwurf einfach alles reinzuschreiben, was man gerne hätte, ohne auf die Finanzen zu achten, und es dann dem Gemeinderat zu überlassen zumindest für eine Genehmigungsfähigkeit zu sorgen, ist der Verantwortung ihrer Position nicht angemessen. Bequem ist es allemal, das kann ich verstehen. Sie können immer darauf verweisen was sie alles gemacht hätten, wenn der Rat sie gelassen hätte, und uns können sie als Bremser und Verhinderer hin stellen, wenn wir fragen wie das alles finanziert werden soll. Das kann man so machen.

Immerhin einmal haben sie auch die Hand gehoben, für einen Vorschlag der GALL die Parkgebühren für Dauerparker in kommunalen Tiefgaragen zu erhöhen. Von 30.- auf 40.- für Teilzeitparker, von 60.- auf 80.- für Dauerparker, wohlgemerkt pro Monat. Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber damit sind die Tiefgaragen noch lange nicht kostendeckend sondern werden noch immer vom Steuerzahler subventioniert. Sobald die Eröffnungsbilanz des doppischen Haushalts verabschiedet ist, und die wahren Kosten unserer Tiefgaragen klar werden, werden wir da sicher noch einmal nachsteuern müssen.

Niemand erhöht gerne Steuern für die eigenen Bürger*innen. Trotzdem haben es einige Kommunen in unserer Umgebung gemacht. Kommunen wohlgemerkt, denen es finanziell wesentlich besser geht als uns. Oft kam dazu der Impuls aus der Verwaltung und oft kam aus dem Rat überwiegende wenn nicht einhellige Zustimmung. Bei uns ging es um 20 Punkte bei der Grundsteuer. Eigentlich ein Klacks für jeden der irgendwo wohnt. Trotzdem auch hier ein zähes ringen, eine knappe Abstimmung.

Von vielen, die vorhin ihre Hand dagegen gehoben haben, haben wir während der Vorberatungen keinen eigenen Vorschlag gehört, wie die Situation verbessert werden kann, das richtet sich vor allem an die CDU, die sich früher gerne als die Partei der finanzpolitischen Vernunft geriert hat und
in Bund und Land die schwarze Null hoch hält. Wenigsten ein wenig hellgraue Null stände ihnen hier in Leimen gut zu Gesicht.

Damit komme ich auch schon zum Ende und zurück zum Murmeltier. Der Hauptdarsteller entkommt den ewigen Wiederholungen indem er seine Einstellung zu seinen Mitmenschen und zum Leben insgesamt verändert. Und auch diese Moral der Geschichte passt ganz gut zu unserer
Situation. Egal ob Klimawandel oder das was wir in Leimen noch vor haben, wenn wir unsere Einstellung nicht in Richtung eines nachhaltigen Lebensstils – ökologisch, sozial, ökonomisch – verändern, werden wir uns über dieselben Themen immer und immer wieder unterhalten müssen.
Ich denke aus meiner Rede ist hervor gegangen, dass wir mit dem Haushalt nicht glücklich sind.

Eine Zustimmung können sie daher von uns nicht erwarten.

Wir danken der Stadtverwaltung und insbesondere der Kämmerei für die zur Verfügung Stellung der wichtigen Zahlen und den dazu nötigen Erläuterungen, für die schnelle und umfassende Beantwortung unserer Fragen, sowie unseren Kolleg*innen im Gemeinderat für die engagierte und intensive Diskussion.

Ralf Frühwirt, GAL Leimen


Mit (pm – Datum) als Redaktionskürzel versehene Artikel sind Pressemitteilungen (pm) von Parteien oder Organisationen, die wir i.d.R. als ungekürzter und uneditierter Originaltext veröffentlicht. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die obige PM wurde von Ralf Frühwirt, GAL Leimen zur Veröffentlichung an Leimen-Lokal gesandt.


 

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