60-jähriges Orgeljubiläum von Rudi Sailer – Dankgottesdienst in St. Ilgen

Pfarrerin Helga Lamm-Gielnik

(fwu – 3.10.22) Ein wahrhaft seltenes Jubiläum wurde am letzten September-Sonntag in der evangelischen Dreifaltigkeitskirche in St. Ilgen mit einem Dankgottesdienst gewürdigt. Eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Region – Rudi Sailer – konnte auf 60 Jahre Orgelspiel zurückblicken. Und mit ihm taten dies viele Weggefährten, Freunde, seine Familie und Vertreter der Institutionen, in denen er über die Jahrzehnte mit Orgelspiel – aber nicht nur mit diesen – präsent gewesen war.

Der ev. Posaunenchor St. Ilgen

Nach dem Eingangsmusikstück, dem Marsch von Teleman mit D. Helmer an der Orgel und dem ev. Posaunenchor St. Ilgen, begrüßte Pfarrerin Helga Lamm-Gielnik die Anwesenden und eröffnete den Gottesdienst mit dem Lied „Nun jauchzt dem Herren alle Welt“. Nach Psalm und Lesung wurde dann ein ganz besonderes Lied gesungen! Das Lieblingslied des Jubilars Rudi Sailer: „Geh aus, mein Herz“.

Dieser gut 300 Jahre alte kirchliche „Gassenhauer“ war denn auch einer der Bezugspunkte der Eloge Lamm-Gielniks auf den Jubilar, die wir unten im Wortlaut wiedergeben dürfen, da diese umfassende und humorvolle Würdigung der Leistungen Rudi Sailers kaum besser in Worte zu fassen sind.

Sandhausens Bürgermeister-Stellvertreterin Eva-Maria Eichler

Bei den Grußworten sprach Michael Reinig für das Partnerschaftskommite St. Ilgen – Tigy und für die drei Troubadoure, der Musikformation mit Rudi Sailer, die vielfache Auftritte in der Region hatte und bei der Rudi Sailer das Akkordeon spielt. Für Guy Duteriz und Andre Brinon aus der  Partnergemeinde Tigy und dessen Partnerschaftkommite verlas er ebenfalls ein Grußwort.

Oberbürgermeister Hans Reinwald

Oberbürgermeister Reinwald stellte fest, dass es kaum jemanden gäbe, der präsenter im öffentlichen Leben sei, als Rudi Sailer. Ob kirchlich an der Orgel oder mit seinem Akkordeon bei nahezu jedem großen Jubiläum, „Rudi“ sei ein Fixstern am Firmament des Lebens im Orte. Hierfür sei er auch schon so vielfach geehrt und ausgezeichnet worden, dass er bereits quasi „ausgeehrt“ sei. Mit ähnlichem Tenor sprach Bürgermeister-Stellvertreterin Eva-Maria Eichler für Sandhausen.

MdL Christiane Staab

Sehr zu ihrem eigenen Erstaunen stellte die ehemalige Oberbürgermeisterin Walldorfs und jetzige Landtags-Abgeordnete Christiane Staab fest, dass bisher noch niemand ein ganz wesentliches Requisit des sailerschen Schaffens erwähnt hat: Seine berühmte Bauschaum-Gratulationstorte mit indoor-Feuerwerk. Mit dieser sei er bei so vielen Jubiläen, Runden Geburtstagen und Hochzeitstagen präsent, dass man sie bei diesem, seinem eigenen Jubiläum quasi vermisse.

Rudi Sailer dankt seiner Gattin Elsbeth

Es folgten weitere Grußworte und Gratulationen und am Ende ergriff der Jubilar selbst Wort und dankte allen, die ihn während seines langen Weges zu diesem Jubiläum unterstützt und begleitet haben, sowie allen Beteiligten an der Vorbereitung und Durchführung des Dankgottesdienstes. Ein besonders emotionales Dankwort richtete er an seine Familie und besonders an seine Ehefrau Elsbeth. Ihr überreichte er mit Tränen im Auge und Stimme einen Blumenstrauß und die anwesenden Gottesdienstteilnehmer erhoben sich von ihren Plätzen und spendeten dem Paar minutenlangen Beifall.

Im Anschluss an den Gottesdienst wurde im Gemeindehaus die Feier bei einem Glas Sekt und Häppchen fortgesetzt und viele Freunde, Bekannte und Wegbegleiter nutzten hier nochmals die Möglichkeit Rudi Sailer zu gratulieren und ihm zu danken.


Anlässlich von Rudi Sailers 50. Organistenjubiläums 2012 wurde Rudi Sailers vielfältiges Wirken eingehend beschrieben.

Weiterführende Links:


Die Ansprache von Pfarrerin Helga Lamm-Gielnik:


Lieber Rudi Sailer, liebe Festgemeinde!

Geh aus mein Herz und suche Freud… das Lied wird uns in unserm Godi noch während der Predigt und danach begleiten…

Schuld daran ist … wer anders könnte es sein … Rudi Sailer. Gefragt nach seinem Lieblingslied, kam ohne Zögern: Geh aus mein Herz und suche Freud… Klar, welches Lied sollte es denn sonst sein? Geh aus mein Herz…. Dieses Lied ist der berühmteste Sommerhit der Welt, in zahllosen Sommern in zahllosen Gottesdiensten, Andachten, Seniorenkreisen gesungen und geschmettert. Ein Gassenhauer. Von Pfarrern und Pfarrerinnen seit über 300 Jahren in Predigten und Andachten endlos ausgelegt. Ob immer zur Freud der Gemeinde steht dahin… Und jetzt kommt der Rudi Sailer auch noch, und nennt ausgerechnet dieses Lied, von dem man denkt, dass man damit doch längst fertig ist… Die Tulpen und Narzissen, die kennt man ja nun zu Genüge, und die Lerchen auch…

Das waren so meine spontanen Gedanken, doch damit werde ich dem Lied von Paul Gerhard nicht gerecht. Denn nicht das Lied ist abgenutzt, sondern meine Wahrnehmung hat Abnutzungserscheinungen, sodass mir diese Loblied auf die Schöpfung und den Schöpfer nicht mehr viel sagt. Weil wir denken, wir kennten das alles schon und wüssten, wie die Welt aussieht, bei Tag, bei Nacht, im Sommer und im Winter, bei Regen, Nebel oder Sonne. Alles schon gesehen. Und weil man alles schon gesehen hat, geht man auf Reisen, um den Kick zu erleben, der im Alltag längst verlorengegangen ist, und um die wahnsinnig schönen Sonnenuntergänge und bizarren Felsformationen einer exotischen Weltgegend dann auf Instagram zu posten…

Es kann gegen diese Alltagsblindheit ein spannendes Spiel sein, etwas anderes auszuprobieren, um wieder neu das Staunen zu lernen: stell dir vor, du siehst alles zum ersten Mal. Stell dir vor, du öffnest die Tür an einem Tag wie diesem: du schaust, schnupperst, entdeckst alles da draußen zum ersten Mal: die Herbstblätter, den Himmel mit den ziehenden Wolken, den nassen Asphalt, den Regenwurm… alles zum ersten Mal.

So muss es dem Pfarrer und Liederdichter Paul Gerhard in der Mitte des 17. Jahrhunderts gegangen sein. In den Berliner Gartenanlagen sah er zum ersten Mal in seinem Leben Tulpen, das war für die Menschen damals ein völlig ungewohnter Anblick. Farborgien von Narzissen und Tulpen im Frühsommer. Darüber freute man sich geradezu überschwänglich. Paul Gerhard hat das Staunen darüber verewigt und hat mit einer geradezu kindlichen Begeisterung gedichtet: Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seiden.

Der Vergleich der Tulpe mit der teuren Seidenpracht am Hofe Salomos ist von Jesus abgeguckt, der die Lilienpracht mit der Pracht Salomos vergleicht, wir werden diese Worte Jesu heute noch hören. Doch der Vergleich der Tulpen mit Salomonis Seiden hat auch den handfesten Hintergrund, dass Händler die Tulpe aus dem Orient, aus Persien und Afghanistan, nach Europa gebracht hatten. Man stelle sich vor: Für eine einzige Tulpe investierten Fürsten und Könige zu damaligen Zeiten 20 Wagenladungen Korn, 10 Nutztiere und mehrere Fässer Bier! So wertvoll galt die damals exotische Tulpe.

Stell dir vor, du siehst alles zum ersten Mal… Gottes Welt ist schön. Du musst sie nur entdecken. „So ein Spinnwebtüchlein, wer macht das nach?“ schrieb Adalbert Stifter, soviel ich weiß. Verlern das Staunen nicht.

( Gesang der LIEDSTROPHEN: 8+12)

Aber nun zu dir, lieber Rudi Sailer: Geh aus mein Herz und suche Freud:

Klar, welches Lieblingslied sollte es denn sonst sein als dieses Lied? Es ist das Lieblingslied von einem, der unablässig ausgeht, um Freude zu suchen und Freude zu bereiten. Beides ist ja letzlich ein und dasselbe: Freude zu suchen und Freude zu bereiten… Rudi Sailer ist einer, der mit Freude und Lust ausgeht, um Freude zu suchen und zu bereiten. „Ich selber kann und mag nicht ruhn, des großen Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinnen.“ So ist er unterwegs, meist bewappnet mit Akkordeon und Notenmappe, um auf dieser Welt die Freude zu vermehren.

Welchem Geburtstagsjubilar hat er eigentlich noch nicht musikalisch gratuliert? Ein Ständchen auf dem Akkordeon ist da immer drin, zur Not auch per Telefon. Aber nicht nur für die Alten, auch für die ganz Jungen spielt er, die Kinder stehen bei ihm an oberster Stelle. Wenn Sie zufällig mal in den Kindergarten St. Elisabeth kommen und hören, wie 100 Kinderstimmen schallend „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ singen, dann sitzt garantiert Rudi Sailer am Klavier…

Und ich stelle mir vor, dass er es tief genießt und es ihm selbst kindliche Freude bereitet, die Kinder zu begeistern. Zu unzähligen Anlässen ist er unterwegs, mit Akkordeon solo oder mit dem Orchester, einer von den drei Troubadouren, wir kommen heute noch in den Genuss, sie zu erleben. Er spielt zum Tanz auf, selbst im Seniorenheim bringt er die Alten dazu, das Tanzbein zu schwingen, bei allen möglichen geselligen Anlässen, ich kann nicht überblicken, in welchen Vereinen, Projekten und Aktivitäten er engagiert ist. Vielleicht weiß das nur seine Frau Elsbeth… Sein Radius reicht weit, bis zu den Partnerstädten in Frankreich, ja bis in die Vereinigten Staaten, nach Oregon. Völkerverständigung auf musikalisch sozusagen, Musik ist die gemeinsame Sprache, die alle verstehen.

Rudi Sailer vernetzt, er bringt die Orgelwilligen zur Orgel, er fördert, wenn er Begabung entdeckt, er mischt mit. Vielleicht kommt er deshalb, wie soll ich sagen, mit so großzügigem Zeitgefühl zu seinen Einsätzen in den Gottesdiensten? Es gibt einfach zuviel zu tun, da muss die Zeit ausgekauft werden. Außerdem, der kennt ja jeden. Und jeder kennt ihn: Da Rudi, klar kenne ma den… Bei der Fülle von Kontakten, die er hat, kann immer ein Anruf dazwischenkommen. Zu dem Thema fällt mir eine Begebenheit von kürzlich ein: Rudi Sailer kam eine Viertelstunde oder 10 Minuten vor Beginn einer Trauerfeier. Offenbar waren wir so überrascht, dass er fragte: Bin ich zu früh?

Geh aus mein Herz und suche Freud… Rudi Sailer ist ein Mensch, der nach Lösungen sucht. Damit Freude entsteht und vergrößert wird. Er ist einsatzbereit, hochflexibel. In der Dijemer Musikerfamilie unersetzlich. Ich denke nur an die vielen Trauerfeiern, die er regelmäßig musikalisch begleitet. Evangelische, katholische, so wie er eben gebraucht wird. Er ist sich nicht zu schade, zur Stelle zu sein und auch einzuspringen, wenn Not am Mann ist.

Das ist ein roter Faden, der sich durch sein bisheriges Leben zieht: Ist irgendwo ein Bedarf, eine Not, versucht er, dem abzuhelfen. So kam er übrigens zur Orgel: es brauchte jemanden, der im Kindergottesdienst die Orgel spielt. Lang ists her, zu Pfarrer Mosers Zeiten. Jedenfalls brauchte es also jemanden für die Orgel. Und Rudi Sailer hat sich beherzt an die Orgel gesetzt und mit der rechten Hand gespielt und die Lieder begleitet.

Das war vor 60 Jahren. (Das heißt übrigens, dass die ersten Lieder, die er auf der Orgel spielte, Kinderlieder waren…) Später, als er dann Orgelunterricht nahm, brauchte es Musik in den Schulgottesdiensten. Bei Rudi Sailer fand man ein offenes Ohr für dieses Anliegen. Wieder später brauchte man jemand, der in der Musikschule Wiesloch Akkordeon unterrichtet. Rudi Sailer hörte es, lernte Akkordeon zu unterrichten und legte los. Er nimmt die Herausforderungen an und geht los.

Geh aus mein Herz und suche Freud. Ausgehen, herausgehen aus sich, aus der Alltäglichkeit, aus der Routine, und doch mitten im Alltag, hier und jetzt, die Freude suchen, Freude vermehren. Dies ist noch ein Zug an Rudi Sailer, den ich erwähnen will: In all seiner Umtriebigkeit steht er ganz auf dem Boden der Realität… Ein Diljemer Gestein. Und hier wirkt er, in Ilgen, in Sandhausen, wo er wohnt, hilft aus, ist unterwegs, bringt sich ein, ist in Kontakt zu vielen. Und das alles mit kräftiger Fühlung in die ganze Region. Er ist der richtige Mann am richtigen Platz. Wir nehmen es ihm deshalb auch nicht übel, dass er davon träumt, im Hamburger Michel mal die Orgel zu spielen. Denn wir wissen, wenn es soweit ist, bleibt er nicht dort, sondern er kommt wieder…

Geh aus mein Herz und suche Freud: Als Paul Gerhard das Lied dichtete, tobte der Dreißigjährige Krieg, Pest und Pocken allerorten. Keine verheißungsvollen Voraussetzungen, um Gedichte zu schreiben. Paul Gerhard tat es trotzdem und dichtete gegen das Grauen an. Er vermochte, Neues zu sehen, Neues zu entdecken. Mitten in der zerrissenen Welt, angesichts großen persönlichen Leides schrieb er sein Lied, die der Christenheit geblieben sind, das die Augen öffnet für die wundervolle Welt Gottes. Es ist das Geheimnis dieses Poeten, dass er in aller Trauer und Not das Staunen nicht vergass. Er hatte diesen Blick auf die Welt, der mit der Übung verbunden war: Stell dir vor, du siehst alles um dich herum zum ersten Mal.

Dieser Blick machte ihn zu einem gottdurchlässigen Menschen und eröffnete ihm die unbeschreibliche Dankbarkeit, die aus einem offenen Herzen kommt.

Geh aus mein Herz du suche Freud:

Vielleicht hat Jesus diesen immer wieder neuen neugierig staunenden Blick auf die Welt gemeint, als er sagte: Werdet wie die Kinder. Denn Kinder haben noch nicht den geübten Blick, die routinierte Wahrnehmung, die sich auf die Wiederholung verlässt und dabei das Wunder übersieht.

Liebe Gemeinde,

Gott hat die Musik geschaffen, um den Menschen mit dem Himmel zu verbinden. Das sagte Joel Houston, Sänger der Band Hillsong United.

** Ende **

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